„Fünf vor Zwölf an den Universitäten“

May 15, 2014, Nr. 26

Baden-württembergische Universitäten zum Solidarpakt:

In der heutigen Pressekonferenz der Landesrektorenkonferenz der baden-württembergischen Universitäten betonten der Vorsitzende, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg, und der stellvertretende Vorsitzende, Prof. Dr. Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stuttgart, die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzierung der Landesuniversitäten.

Hans-Jochen Schiewer sagte hierzu: „Wenn bei der Finanzierung der Universitäten lediglich der Status quo erhalten wird, bedeutet das die Schließung von Studiengängen und Einrichtungen und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Wir brauchen deshalb dringend eine Erhöhung der Grundfinanzierung mit einem jährlichen Inflationsausgleich.“ Wolfram Ressel ergänzte: „Wer für die Gesellschaft jährlich 30.000 Absolventen ausbildet und für das Land im Jahr 1,05 Milliarden Euro an Forschungsmitteln einwirbt, darf für seine Leistung nicht bestraft werden.“

 

Die beiden Vorstände verwiesen darauf, dass laut den am 8. Mai 2014 von der Kultusministerkonferenz veröffentlichten neuen Berechnungen - anders als ursprünglich vorausgesagt - die Studienanfängerzahlen auch nach 2020 kaum zurückgehen werden. Im Jahr 2005 habe man in BW insgesamt 50.000 Studienanfänger gehabt, im Jahr 2020 rechne man mit 72.000 und im Jahr 2025 immer noch mit 67.000. Für die Universitäten bedeute das gegenwärtig, dass trotz der Ausbauprogramme insgesamt 169.000 Studierende auf nur 141.000 vom Land finanzierten Studienplätzen studieren. Eine Besserung sei ohne Zusatzfinanzierung nicht in Sicht. „Ein bildungs- und technologie-intensives Land wie Baden-Württemberg muss entsprechende Rahmenbedingungen gewährleisten“, sagte Hans-Jochen Schiewer.

Der LRK-Vorstand forderte das Land auf, sich von der Überlegung zu verabschieden, dass die Überlast an den Universitäten und Hochschulen des Landes nur ein temporäres Hoch darstelle, dem man mit befristeten Programmen begegnen könne. Für die gestiegene Studierneigung der jungen Menschen müssten dauerhaft Studienplätze geschaffen werden.

Es könne ebenfalls nicht angehen, dass für Forschung und Lehre gedachte Finanzmittel des Landes sprichwörtlich verheizt würden. „Bei allen anderen Hochschulen außer den Universitäten übernimmt das Land die Rechnung für Energie- und Betriebskosten“, wies Wolfram Ressel auf die prekäre Lage hin. Bei den Universitäten gebe es nur die Mittel von 1997, die seitdem trotz der exorbitant gestiegenen Energiepreise nicht erhöht worden seien. „Dafür müssen wir aus freien Personalstellen derzeit 52 Mio. € umschichten. Das ist ungefähr so, als ob Schulen ihre Lehrerstellen nicht mehr besetzen könnten, damit die Heizung nicht abgestellt wird.“

Ebenso greife das Finanzministerium noch zusätzlich in die Kassen der Universitäten. Hans-Jochen Schiewer stellt klar: „Für Gebäude und Sanierungen ist in Baden-Württemberg das Finanzministerium zuständig. Das Ministerium baut aber im Bereich der Universitäten nur noch, wenn die Universitäten eigene Mittel bereitstellen, die eigentlich für Studierende und Forscher gedacht sind. Hier wurde uns schon deutlich gesagt: wenn ihr nichts dazu gebt, bauen wir woanders.“ Für die nächsten Jahre seien an solchen Kofinanzierungsmaßnahmen schon 240 Mio. Euro eingeplant. Dieses Geld fehlt dann für Lehre und Forschung. Dieser Sanierungsstau müsse endlich aufgelöst werden.

Die Universitäten seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Bisher habe man nur durch die extern eingeworbenen Forschungsmittel (1,05 Mrd. Euro einschließlich der Medizin im Jahr 2012) den finanziellen Kollaps vermeiden können. „Diese Mittel sind ein zusätzlicher Bonus für das Land“, stellte Hans-Jochen Schiewer die Leistungen der Universität dar. Mit jedem eingeworbenen Euro erhöhe man die Wertschöpfung im Land um 2,30 Euro, wie eine Studie der Rektorenkonferenz ergeben habe. Hierfür müsse es einen Sonderbonus in Höhe von 5 % geben, um weiterhin konkurrenzfähig zu sein.

„Wir brauchen endlich einen Inflationsausgleich für den seit 1997 nicht mehr erhöhten Grundhaushalt“, hielt der LRK-Vorstand die Forderung der Universitätsleitungen fest. Außer vom Wissenschaftsministerium, das die Notwendigkeit anerkenne, habe man trotz der seit über einem Jahr geführten Gespräche immer noch keine konkreten Aussagen des Landes und des Finanzministeriums erhalten. Die Landesuniversitäten werden ihren Unmut an einem gemeinsamen Aktionstag am 21. Mai mit Kundgebungen, Infoständen und Aktionen deutlich äußern.

„Für die Universitäten ist es fünf vor zwölf“ erläuterten Hans-Jochen Schiewer und Wolfram Ressel die Lage. Wenn man an den Universitäten weiter spare, seien Streichungen und Schließungen zwangsläufig die Folge.

Weitere Informationen unter: www.lrk-bw.de/aktuelles

 

8 Kernforderungen der Landesuniversitäten für einen neuen Solidarpakt

„Universitäten in Not“

Wenn bei der Finanzierung der Universitäten lediglich der Status quo erhalten wird, bedeutet das Schließung von Studiengängen und Einrichtungen und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Wer für die Gesellschaft jährlich 30.000 Absolventen ausbildet und für das Land im Jahr 1,05 Milliarden Euro an Forschungsmitteln einwirbt, darf für seine Leistung nicht bestraft werden.

Die Überlast der Universitäten muss endlich honoriert werden: 169.000 Studienplätze werden für Studierende zur Verfügung gestellt, aber nur 141.000 Studienplätze sind vom Land finanziert.

  Unsere Forderungen:

  1. 3% mehr Grundfinanzierung

Die Universitäten benötigen dringend eine einmalige Erhöhung von 3 Prozent der Grundfinanzierung, die seit 1998 nicht mehr erhöht wurde.

  1. Inflationsausgleich + 1% auf die Sachausgaben

Die Universitätshaushalte müssen endlich an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden, um dem schleichenden Kaufkraftverlust Einhalt zu gebieten. Ein Prozent mehr schafft Raum, um den Wissensvorsprung Baden-Württembergs zu halten. Das entspricht auch der Forderung des Wissenschaftsrats.

  1. Tatsächliche Personalkosten finanzieren

Die Personalkosten müssen weiterhin in ihrer tatsächlichen Höhe vom Land übernommen werden. Tarifsteigerungen und steigende Pensionskosten dürfen nicht zu Lasten der Universitäten gehen.

  1. Deckung des Defizits bei den Energie- und Betriebskosten

Die Universitäten benötigen dringend die Deckung der Kosten für die dramatisch gestiegenen Energie- und Bewirtschaftungskosten, die das Land bei allen anderen Hochschularten übernimmt. Bislang mussten die Universitäten dies über Kürzungen in Höhe von über 52 Mio. € bei Forschung und Lehre finanzieren. Dies muss ein Ende haben.

  1. Überführung der Sonderprogramme in die Grundfinanzierung

Statt kurzfristiger und zeitlich begrenzter Programme benötigen die Universitäten Planungssicherheit beim Ausbau der Studienplätze. Die Landesanteile für die Ausbauprogramme „ Hochschule 2012“ und „Master 2016“ müssen dauerhaft in die Grundfinanzierung überführt werden.

  1. Erhalt der Landesfinanzierung für die Exzellenzprojekte nach 2017

Das Land hat zugesagt, für die Projekte der Exzellenzinitiative auch nach Auslauf der Bundesförderung den Landesanteil weiter zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Erfolge, die diese Projekte für das Land bedeuten, muss diese Zusage Bestandteil des neuen Solidarpaktes sein.

  1. Auflösung des Sanierungsstaus im Hochschulbau

Bauprojekte an den Universitäten werden nur dann vom Land finanziert, wenn erhebliche Eigenbeteiligungen durch die Universitäten geleistet werden. In den nächsten Jahren erhält das Finanzministerium hierfür von den 9 Universitäten fast 240 Mio. €, obwohl diese Baumaßnahmen eigentlich vollständig übernommen werden sollten. Mit diesen indirekten Budgetkürzungen muss endlich Schluss sein.

  1. BW-Overhead

Die baden-württembergischen Universitäten sind im Einwerben von Forschungsmitteln bundesweit führend. Allein im Jahr 2012 belief sich die Summe der Forschungsmittel auf 1,05 Mrd. € (einschließlich Medizin). Dies bedeutet für das Land einen großen Gewinn, da aus diesen Mitteln Arbeitsplätze entstehen und die regionale Wirtschaft profitiert (jeder vom Land investierte Euro erbringt zusätzlich 2,3 Euro). Das Land sollte dies honorieren und den Universitäten Sondermittel in Höhe von 5% auf eingeworbene Forschungsmittel zur Verbesserung ihrer Infrastruktur zur Verfügung stellen.

   

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