Der mit 10.000 Euro dotierte Bertha-Benz-Preis der Daimler und Benz Stiftung geht an Dr.-Ing. Renate Sachse für ihre herausragende Dissertation an der Universität Stuttgart. Mit den Ergebnissen ihrer Dissertation lassen sich auf einfache Weise Bewegungen wandelbarer Strukturen berechnen, die in der Industrie für mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sorgen.
Mathematisches Denken + Sinn für Praxis = neue Anwendungsfelder. Das ist die „Formel“ von Renate Sachse, die ihre Dissertation mit dem Titel „Variational Motion Design for Adaptive Structures“ 2020 am Institut für Baustatik und Baudynamik unter der Betreuung von Prof. Manfred Bischoff, Prorektor für Forschung und Wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Stuttgart und Leiter des Instituts erstellt hat.
Renate Sachse hat eine innovative mathematische Methode entwickelt, von der künftig nicht nur das Bauwesen, sondern auch die Luft- und Raumfahrt, die Robotik und die Medizintechnik profitieren können. „Die neue Methode kann ohne tiefergehendes Ingenieurwissen genutzt werden“, erklärt Sachse, „man kann damit relativ einfach die optimalen Bewegungen für flexible Strukturen berechnen.“ Konkrete Anwendungsfelder fänden sich im Bauwesen, wenn deformierbare Fassadenelemente für Gebäude oder ausfahrbare Stadiondächer konzipiert werden sollen. „Damit lässt sich insbesondere in der boomenden Bauwirtschaft, wo viel Material und Ressourcen verbraucht werden, Energie einsparen.“ Die mathematischen Grundlagen könnten außerdem in der Luft- und Raumfahrt zur Erforschung beweglicher Tragflächen von Flugzeugen oder der Entfaltung von Satelliten nach ihrer Reise ins All genutzt werden. In der Robotik und Medizintechnik ließen sich Bewegungsabläufe flexibler Softroboter und medizinischer Stents unkompliziert simulieren.
Inspiration durch die Bionik
Inspiration für ihr Promotionsthema fand die Bauingenieurin in einem interdisziplinären Bionik-Projekt innerhalb des Sonderforschungsbereiches Transregio 141 an der Universität Stuttgart. Architekten, Biologen und Ingenieure analysierten darin die Bewegungsmechanismen von Pflanzen, um sie auf technische Elemente zu übertragen.
Das Innovative an der preiswürdigen Methode des optimierten Bewegungsentwurfs ist, dass sich der Verformungsprozess unabhängig von der Geometrie der jeweiligen Strukturen simulieren lässt. Berechnungen können damit anhand gewünschter Zielvorgaben ausgerichtet werden: maximale Energieeffizienz, reduzierter Materialverschleiß oder Minimierung der benötigten Kräfte. Auf rein formalisierte Weise lassen sich schließlich optimierte Bewegungsmuster zwischen der Anfangs- und der vorgegebenen Endgeometrie einer Struktur ermitteln.
Breite Anwendbarkeit der Methode
Gerade wegen der breiten Anwendbarkeit war die Dissertation für die Jury besonders preiswürdig. Mit der Auszeichnung möchte die Daimler und Benz Stiftung ausdrücklich Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen ansprechen und in ihrer beruflichen Laufbahn unterstützen. Der Preis steht für Neugierde, Mut, Durchhaltevermögen und Pioniergeist im Sinne der Namensstifterin Bertha Benz, die 1888 die weltweit erste Fernfahrt in einem Automobil unternahm.
Quelle: Presseinformation der Daimler und Benz Stiftung, Ladenburg