Cordula Kropp, Technik- und Umweltsoziologin

Vermittlerin

Cordula Kropp bringt Mensch, Technik und Natur zusammen

Die Sozialwissenschaftlerin erforscht die sozialen Auswirkungen der Technik und ist beeindruckt vom interdisziplinär geprägten Arbeitsklima der Universität Stuttgart.

Die Kombination von Geistes- und Naturwissenschaften zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Cordula Kropp. Damit steht die Technik- und Umweltsoziologin exemplarisch für das Leitbild der Universität Stuttgart, an der interdisziplinäre Zusammenarbeit und das kritische Begleiten von Forschung und deren Folgen großgeschrieben werden. Seit August 2016 ist Kropp hier Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt sozialwissenschaftliche Risiko- und Technikforschung.

„Das ist genau meine Professur“, entgegnet Cordula Kropp lachend auf die Frage, warum sie den Ruf an die Universität Stuttgart angenommen hat. Leicht ist ihr, die fast ihr gesamtes Leben in München verbracht hat, dieser Schritt nicht gefallen. Schließlich hinterlässt sie dort Haus, Ehemann und das jüngste von zwei bereits erwachsenen Kindern. „Das Zusammenwirken von Technik und Umwelt hat mich schon immer fasziniert“, gesteht Kropp. Außerdem sei ihr neuer Wirkungsort einer von drei Standorten in Deutschland, an denen zu Technik- und Umweltsoziologie geforscht werde – neben München und Berlin. Für Stuttgart spreche die langjährige Tradition, Technikrisiken verstärkt unter die Lupe zu nehmen.

Als Umwelt- und Techniksoziologin interessiert sich Kropp dafür, wie Technik sich überhaupt entwickelt und verbreitet. Warum setzten sich beispielsweise Anfang des 20. Jahrhunderts Autos mit Verbrennungsmotor gegenüber Elektroautos durch? Die Soziologinnen und Soziologen untersuchen, welche Chancen oder Gefahren technische Errungenschaften mit sich bringen und wie die Menschen darauf reagieren. Sie analysieren, wie aktuelle Trends, etwa das Smartphone, sich auf die Gesellschaft auswirken und umgekehrt, welchen Einfluss die Gesellschaft auf die Technikgestaltung hat. Und sie beschäftigen sich damit, wie die Gesellschaft mit den Folgen des technischen Fortschritts, wie etwa Klimawandel, Luftverschmutzung oder Artenschwund, umgehen kann, um auch den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umgebung zu hinterlassen.

Zuvor war Kropp sieben Jahre lang Professorin für sozialwissenschaftliche Innovations- und Zukunftsforschung an der Hochschule München. Sie erforschte, wie sich zukunftsfähige soziale Innovationen durchsetzen, die engagierte Bürgerinnen und Bürger als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen, wie beispielsweise Klima- und Energiewende oder ökologische Lebensmittelproduktion, entwickeln. Beispiele für solche soziale Innovationen, die althergebrachte verkrustete Routinen aufbrechen können, sind unter anderem Bürger-Energiegenossenschaften oder städtische Gemeinschaftsgärten. Sie entstehen als Folge von Technik, begleiten technische Entwicklungen oder machen diese erst möglich.

Klimawandel – aber nicht bei uns

Besonders ans Herz gewachsen ist Kropp das Thema Klimawandel. In mehreren Verbundprojekten untersuchte die Soziologin zusammen mit Kollegen, wie Pioniergemeinden im Alpenraum auf die globale Klimaveränderung reagieren und welche Lösungen sie entwickeln. Warum handelt eine Gemeinde klimafreundlich, indem sie auf regenerative Energieträger umstellt und auf ökologische Landwirtschaft oder sanften Tourismus setzt, aber eine direkt benachbarte nicht? „Es kommt nicht auf eine investitionsstarke Bevölkerung mit hoher Bildung an, sondern es braucht visionäre Personen mit guten Verbindungen zu Politik und Wirtschaft“, nennt Kropp einen der Erfolgsfaktoren.

Klimaunfreundliches Handeln kann zu Hochwasser führen.
Klimaunfreundliches Handeln kann zu Hochwasser führen.

Die Untersuchung zeigte auch, dass viele Menschen sich nach wie vor nicht direkt vom Klimawandel betroffen fühlen. Für sie ist er eine zukünftige Bedrohung vor allem für südliche Länder, verursacht von Städten und Industriezentren. Um die Menschen zu klimafreundlichem Handeln zu bewegen, muss man ihnen verdeutlichen, wie sich schon jetzt Erwärmung, Schneemangel oder Hochwasser konkret auf ihr Leben, die lokale Land- und Forstwirtschaft oder den Wintersport auswirken. Kropp ist daher überzeugt, dass der globale Klimawandel „am Boden gelöst werden muss“, indem die Zivilgesellschaft sowie örtliche Unternehmen eingebunden werden. Die Sozialwissenschaftlerin prägte dafür den Begriff „Klima von unten“ und schrieb mehrere Buchbeiträge und Aufsätze darüber.

Hochriskant: Vages Wissen, schlechte Kommunikation

Im Laufe ihrer beruflichen Karriere hat sich Kropp immer wieder anderen Aspekten der Technik- und Umweltsoziologie gewidmet. Bei der gemeinnützigen Münchner Projektgruppe für Sozialforschung, wo sie ebenfalls sieben Jahre lang tätig war, stand vor allem Wissens- und Risikokommunikation im Agrarbereich im Fokus ihrer Forschung. So analysierte Kropp beispielsweise die BSE-Krise, die zu den größten Lebensmittelskandalen Deutschlands zählt und die negativen Auswirkungen der industriellen Massentierhaltung aufzeigte. Als Auslöser des Rinderwahns gilt infiziertes Tiermehl, das Landwirte als preiswerten Eiweißlieferanten an Rinder verfütterten.

Kropp interessierte, wie das zunächst vage Wissen um die Übertragung und um die mögliche Ansteckungsgefahr für den Menschen seinen Weg aus der Forschung in die Politik und Gesellschaft nahm, und wie diese damit umgingen. Sie publizierte, wie es Wissenschaftlern gelingen kann, Politiker angemessen zu beraten. Und sie fand in einem anderen Projekt heraus, dass gerade Lebensmittelskandale, aber auch Umbrüche im Lebenslauf wie Schwangerschaft, Krankheit oder Scheidung, Menschen dazu bewegen können, ihre Ernährungsgewohnheiten umzustellen – von Billig-Lebensmitteln auf Bioprodukte. Kropps Forschungsportfolio reicht von der Risikokommunikation von Nahrungsergänzungsmitteln und Nanomaterialien über die Verbreitung von wiederverwertbaren Lebensmittel-Verpackungen bis hin zu Nullenergiehäusern und vernetzten Mobilitätsangeboten.

Der globale Klimawandel muss ,am Boden‘ gelöst werden. Dabei kommt es nicht auf eine investitionsstarke Bevölkerung mit hoher Bildung an, sondern es braucht visionäre Personen mit guten Verbindungen zu Politik Wirtschaft.

Cordula Kropp, Technik- und Umweltsoziologin

Anders als manche Kollegen hatte die Soziologin schon immer eine große Nähe zu Naturwissenschaften und Technik. Bereits als junge Gymnasiastin in München wählte sie Deutsch und Physik als Abiturfächer. „Ich erkenne in einer technischen Konstruktion auch eine Schönheit“, erklärt Kropp, die seit Jahren mit einem Ingenieur verheiratet ist. „Da ist oft eine unangemessene Überheblichkeit seitens der Soziologen, die selbstverständlich erwarten, dass Ingenieure sich mit kulturellen Fragen auseinandersetzen, ohne sich selbst mit naturwissenschaftlichen Theorien zu befassen“, kritisiert Kropp ihre Zunft.

Pierre Bourdieu war ihr Kunde

Ihr persönlicher Weg zur Soziologie führt zunächst über einen Umweg. Direkt nach dem Abitur macht Kropp eine Ausbildung zur Buchhändlerin – den Eltern zuliebe, denen damals ein geisteswissenschaftliches Studium als brotlose Kunst erschien. Tief in ihrem Inneren beschäftigt sie jedoch ein Ereignis, das die Welt in ihrem Fortschrittsglauben erschütterte: die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die sich 1986, im Jahr ihres Abiturs, abspielte. Kropp wird bewusst, in welchem Spannungsverhältnis Fortschritt und Umweltfolgen stehen können. Sie liest Bücher zu Technikphilosophie und -soziologie und führt intensive Gespräche mit dem berühmten französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Dieser ist Kunde in der Pariser Buchhandlung, in der sie später arbeitet, und weckt schließlich die Liebe zur Soziologie in der jungen Frau.

Zurück in München trifft Kropp während des Studiums der Soziologie an der Ludwig-Maximilian-Universität auf einen weiteren Wegbereiter. Ulrich Beck ist damals schon einer der bekanntesten deutschen Soziologen. Mit seinem Buch „Risikogesellschaft“, das zufällig kurz nach dem Unfall von Tschernobyl herauskam, traf er den Nerv der Zeit und landete so einen Bestseller. Er beschreibt darin den Wandel von der Industriezur Risikogesellschaft, in der sich die Menschen aufgrund des Fortschritts immer neuen Herausforderungen stellen und Entscheidungen treffen müssen, die das Leben riskanter machen.

Andere Denkschule, ähnliches Ergebnis

Kropp promoviert bei dem inzwischen verstorbenen Beck über die bis dato einseitige Betrachtung der „Natur“ in der Soziologie – entweder als Welt fernab von Technik, oder als Ressourcenquelle für die Menschheit. Ganz im Sinne ihres Doktorvaters sieht Kropp hingegen keine Trennung zwischen Natur auf der einen Seite sowie Gesellschaft und Technik auf der anderen. Sie beeinflussen sich gegenseitig.

Kropp zeigt auf, dass bei Naturkonflikten viele verschiedene Akteure eine Rolle spielen, die miteinander in Beziehung stehen. Angelehnt an die Akteur- Netzwerk-Theorie nach Bruno Latour, John Law und Michel Callon gehören für die Soziologin nicht nur Menschen zu den Akteuren, sondern auch Dinge, Ideen, Medien oder Regelwerke. „Wenn wir erklären wollen, wie Risiken entstehen, was sie bedeuten und wie sie zu bewerten sind, müssen wir berücksichtigen, dass diese Faktoren zutiefst vermischt sind“, sagt Kropp.

Risikoforschung gehört zu Renns Steckenpferden

Dieser sozialwissenschaftlichen Denkschule will sie nun auch in Stuttgart stärkeres Gewicht verleihen. „Es ist eine etwas andere Herangehensweise als die meines Vorgängers Ortwin Renn, der den Akzent stärker auf Technikfolgenabschätzung legte. Das Ergebnis ist oftmals ähnlich“, erklärt Kropp. Angesichts der Chancen, die Stuttgart biete, werde sie sich zukünftig verstärkt Infrastrukturen widmen, sei es als Voraussetzung für selbstfahrende Autos, oder aber um die Bevölkerung mit nachhaltig produzierten Lebensmitteln zu versorgen. Renns „Steckenpferde“, Risikoforschung und Technikfolgenabschätzung, werden weiterhin zum Forschungsportfolio gehören. Sechs Monate nachdem sie die Professur an der Universität angetreten hat und viele Treffen mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Disziplinen später, ist Kropp vor allem von einem an der Universität Stuttgart beeindruckt: „Diese Begeisterungsfähigkeit für eine fachübergreifende Zusammenarbeit habe ich so noch nirgends gefunden“. Helmine Braitmaier

  • Prof. Cordula Kropp, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung für Umwelt- und Techniksoziologie (SOWI V), Tel.: 0711/685-83 971, E-Mail, Website

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