Forscherinnen und Forscher des Sonderforschungsbereichs (SFB) 716 der Universität Stuttgart haben möglicherweise einen Weg gefunden, genetische Informationen schneller, einfacher und kosteneffizienter als bisher zu analysieren – mit Substanzen, die sonst eher die Herzen von Schmuckliebhabern schneller schlagen lassen: Gold und Diamanten.
Seit 2003 kann man das menschliche Erbgut entschlüsseln, doch war dies bisher teuer und
erforderte die Mitwirkung zahlreicher Forschergruppen. Daher sind günstigere Alternativen für den
Analyseprozess gefragt. Helfen könnten dabei Nanoporen. Das sind Öffnungen in Nanometergröße, die
in ein Material gebohrt werden. Fädelt man DNA-Moleküle – in denen der genetische Code
festge-schrieben ist – durch die Öffnungen hindurch, kann dieser analysiert werden. Dafür werden
goldene Elektroden in der Nanopore implementiert. Diese sind in der Lage, die elektrischen Impulse,
die aus dem genetischen Code der DNA entstehen, zu messen. Man kann sich die Nanoporen also als
eine Art Scanner vorstellen, der die genetische Information liest.
Doktorand Ganesh Sivaraman und Junior-Professorin Dr. Maria Fyta – beide vom Institut für
Computerphysik der Universität Stuttgart – haben in Simulationsberechnungen am Computer
herausgefunden, dass spezielle chemische Modifikationen der Goldelektroden in einer Nanopore den
DNA-Entschlüsselungsvorgang erheblich optimieren. Beteiligt waren daran auch ihre Kollegen Prof.
Ralph Scheicher (Schweden) und Prof. Rodrigo Amorim (Brasilien). Insbesondere die Verbindung von
winzigen diamantartigen Teilchen an den Elektroden verstärkt die elektrischen Signale aus der DNA
und reduziert mögliche Entschlüsselungsfehler. “Der genetische Code ist abgespeichert in vier
Bestandteilen der DNA, den Nukleobasen”, erläutert Junior-Professorin Fyta. “Unsere Studien haben
gezeigt, dass die Verwendung von diamantartigen Teilchen bei der Beschichtung der Goldelektroden
für jede Nukleobase eine unterschiedliche Art elektrischen Stroms verursacht. Damit kann der
genetische Code abgelesen und analysiert werden.”
Die Studie erfolgte unter Einbeziehung quantenmechanischer Computersimulationen und schlägt die Verwendung von diamantartigen beschichteten Goldelektroden als wichtigstes Hilfsmittel für die Entwicklung von Geräten zur DNA-Entschlüsselung vor. Ein nächster Schritt wird es sein, weitere für die Verwendung von gold- bzw. diamantartigen Hilfsmitteln benötigte Faktoren zu ermitteln. Außerdem muss im Labor experimentell geprüft werden, ob solche Geräte einfach hergestellt und kommerziell genutzt werden können.
Originalveröffentlichung:
Sivaraman, Ganesh; Amorim, Rodrigo G.; Scheicher, Ralph H.; Fyta, Maria:
Diamondoid-functionalized gold nanogaps as sensors for natural, mutated, and epigenetically
modified DNA nucleotides. In: Nanoscale (2016),
http://pubs.rsc.org/en/Content/ArticleLanding/2016/NR/C6NR00500D
Weitere Informationen:
JP Dr. Maria Fyta, Universität Stuttgart, Institut für Computerphysik, Tel.:
+49(0)711/685-63935,
E-Mail
www.icp.uni-stuttgart.de/
Über den Sonderforschungsbereich 716 (SFB 716) “Dynamische Simulation von Systemen mit
großen Teilchenzahlen”
Mit Computersimulationen lassen sich vielfältige Fragen zu hochkomplexen Vorgängen aus Natur
und Technik schnell und kostengünstig beantworten. Teilweise werden Untersuchungen auf diese Weise
überhaupt erst möglich. Um realistisch, ausreichend lange und umfangreich zu simulieren, sind
enorme Datenmengen zu verarbeiten. Das stellt eine große Herausforderung für die Forschung in
verschiedensten Fachbereichen dar.
Das Team des Sonderforschungsbereiches (SFB) 716 der Universität Stuttgart entwickelt
Werkzeuge für Teilchensimulationen, bei denen jedes Teilchen eines Systems exakt abgebildet wird.
Ihre Vision ist es, den stetig steigenden Anforderungen gerecht zu werden und das Potential dieser
Methodik künftig in der industriellen Forschung und Entwicklung nutzbar zu machen.
www.sfb716.uni-stuttgart.de