Was bewirken Museen?

23. September 2011, Nr. 100

Kooperationsprojekt der Universität Stuttgart und dem Linden-Museum zum Thema Besucherforschung

Jährlich verzeichnen über 6.000 deutsche Museen mehr als 100 Millionen Besuche. Wer welche Museen aufsucht, wie lang die Besuche dauern oder mit wie vielen Objekten sich Besucher durchschnittlich befassen, ist durch die Besucherforschung recht gut untersucht. Doch wie die Museumsobjekte wahrgenommen werden, wodurch diese Wahrnehmung beeinflusst wird und welche Erfahrungen die Besucher im Museum machen, ist bisher noch wenig bekannt. Die Abteilung Pädagogik der Universität Stuttgart beschäftigt sich in einem gemeinsamen Projekt mit der Abteilung Museumspädagogik des völkerkundlichen Linden-Museums in Stuttgart mit diesen Fragen. Das Interesse gilt dabei insbesondere den Erfahrungen von Schülern, die zahlenmäßig den größten Anteil der Museumsbesucher ausmachen.

Die Forschungsergebnisse offenbaren nicht nur, was man ohnehin erwartet (dass beispielsweise umständliche Informationstafeln stören), sondern auch (zunächst) Verwirrendes. So wünschten sich Gymnasiasten der siebten Klasse zwar Abwechslung, aber nicht in solcher Weise, dass zum Beispiel verschiedene Medien (wie Musik, Filme, Flyer) und Aktivitäten (wie Fischleder anfassen oder Mosaik legen) eingesetzt werden. Die Begründung der energischen Ablehnung solcher Formen von Abwechslung liegt darin, dass die Schüler sich an ihre Grundschulzeit und an das Stationenlernen erinnert fühlen. Sie beschrieben das folgendermaßen: „In der einen Ecke bellt der Hund, in der nächsten kann man ihn streicheln und so weiter.“ Interessant ist, dass Schüler durchaus bereit sind, dem Museum einen eigenen Charakter zuzugestehen, sie erwarten nicht das Angebot eines Freizeitparks. Ihr Wunsch ist vor allem, als Gäste willkommen zu sein. Und dazu gehört wesentlich, dass versucht wird, ihnen verständlich zu machen, was es zu sehen gibt.

An solchen Ergebnissen werden die besonderen Schwierigkeiten der Besucherforschung im Museum anschaulich. Es gibt nicht ‚den‘ Besucher oder ‚den‘ genormten Museumsbesuch. Um möglichen Wirkungen eines Museumsbesuchs auf die Spur zu kommen, sind Instrumente erforderlich, die emotionale und kognitive Prozesse sensibel erfassen. Die bisherigen Ergebnisse der Forscher lassen erkennen, dass neben gebräuchlichen Methoden der Besucherforschung ein spezielles Interviewverfahren, die Repertory Grid Methodik, die Befunde der bisherigen Forschung um Einblicke in die subjektive Verarbeitung von Museumsangeboten erweitert. Mit diesem Verfahren, lassen sich die Erfahrungen der Besucher differenziert erfassen. Die damit gefundenen Ergebnisse informieren nicht nur darüber, ob oder wie sehr die Besucher das Angebot schätzen, sondern auch, warum.

In der Besucherforschung wird mit der Verwendung der Repertory Grid Methode ein neuer Weg beschritten. Die Forscher beobachteten acht Schulklassen aus fünf weiterführenden Schulen der Region Stuttgart bei Museumsbesuchen und interviewten die Schüler einzeln und in Gruppen. Wichtig ist den Stuttgarter Pädagogen, festzustellen, welche Chancen sich speziell zur Förderung interkultureller Lernprozesse in einem Völkerkundemuseum bieten. Dazu untersuchen sie, welche Informationen zu Ausstellungsgegenständen es Besuchern erleichtern, Bezüge zu ihrer eigenen Erfahrungswelt und Kultur herzustellen. Es geht darum, wie Besucher die Museumsangebote individuell verarbeiten und in welche Bedeutungskontexte sie diese stellen.

Ansprechpartner für die Medien:
Prof. Martin Fromm
Institut für Erziehungswissenschaft und Psychologie, Lehrstuhl Pädagogik
Tel. 0711/685-87440
E-mail: martin.fromm@iep.uni-stuttgart.de

 
Im Bazar des Stuttgarter Lindenmuseums. Foto: Anatol Dreyer, Lindenmuseum
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