Musterbibliothek für die Mensch-Roboter-Interaktion

19. April 2024

Kathrin Pollmann erhält den Südwestmetall-Förderpreis für ihre Dissertation zu Verhaltensweisen von Sozialrobotern
[Bild: SWM/Frank Eppler]

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat am 18. April 2024 insgesamt acht junge Nachwuchswissenschaftler*innen der baden-württembergischen Landesuniversitäten für ihre herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten ausgezeichnet. Die prämierten Dissertationen zeichnen sich durch eine besondere Bedeutung für die industrielle Arbeitswelt und deren sozialpolitische Rahmenbedingungen aus. Die Förderpreise werden seit nunmehr 35 Jahren verliehen und sind jeweils mit 5.000 Euro dotiert.

Unter den Prämierten war auch in diesem Jahr wieder eine Wissenschaftlerin der Universität Stuttgart: Dr. Kathrin Pollmann wurde ausgezeichnet für ihre erfolgreiche Dissertation am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT zum Thema „A Human-Centered Pattern Approach to Comprehensible and Pleasant Behavioral Expressions for Social Robots“. „Ich beschäftige mich mit nutzerzentrierter Technikgestaltung. Das bedeutet, der Kern meiner Forschung ist der Mensch und wie er mit Technik interagiert. Dabei spielen zum Beispiel auch psychologische, ethische und gesellschaftliche Aspekte eine Rolle. Ich freue mich, dass dieser interdisziplinäre Ansatz die Jury überzeugt hat“, sagt Pollmann.

Dr. Kathrin Pollmann und Dr. Joachim Schulz (Vorsitzender Südwestmetall) bei der Preisverleihung.

Pollmann arbeitete bereits während ihrer Dissertation am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und setzt ihre Karriere im Institut auch nach der Erlangung der Doktorwürde fort. Ihr Forschungsansatz ermöglicht die Vereinfachung und Standardisierung der non-verbalen Kommunikation zwischen Mensch und Roboter. „Technik muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Meine Vision sind Roboter, die von jedermann intuitiv und leicht zu bedienen sind  - ohne vorher ein dickes Handbuch lesen zu müssen“, sagt Pollmann.

Vereinfachung und Standardisierung der non-verbalen Kommunikation

Wenn wir an Roboter denken, kommen uns stereotype Bilder in den Kopf: vom Industrieroboter an der Produktionslinie über den Blechkameraden in der Zaubershow bis hin zum Staubsaugerroboter im Haushalt. Spannender wird es, wenn Menschen und Roboter miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Die Mensch-Roboter-Interaktion (MRI) eröffnet vielfältige Möglichkeiten: Wie wäre es, wenn uns Service-Roboter im Supermarkt beim Einkauf unterstützen? Oder uns in der Stadt den richtigen Weg weisen? Wie sollte solch ein Roboter sich verhalten, damit sein menschliches Gegenüber ihn auch ohne Sprache versteht?

Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich Kathrin Pollmann von 2019 bis Oktober 2023 in ihrer Dissertation.  Ziel ihrer Forschungen ist es, die non-verbale Kommunikation zwischen Mensch und Roboter zu vereinfachen und zu standardisieren. „Wenn Menschen miteinander kommunizieren, senden sie ständig kleine Signale wie zum Beispiel eine gehobene Augenbraue oder ein zustimmendes Nicken, die in Sekundenbruchteilen interpretiert und verstanden werden. Ein Roboter muss erst lernen, sich ohne Worte verständlich zu machen“, erklärt Pollmann. Genauso muss sein menschliches Gegenüber lernen, wie Roboter „ticken“. Dies birgt viel Potenzial für Missverständnisse.

Kathrin Pollmann hat dafür eine Lösung entwickelt, die sowohl Nutzenden hilft, Roboter künftig besser zu verstehen, als auch Entwickler*innen Bausteine zur Verfügung stellt, mit denen diese Robotern beibringen können, wie sie sich in bestimmten Situationen zu verhalten haben. Ihr Ansatz SHAPE_HRI (Englisch: Approach to Social beHAvioral PattErn Design for Human-Robot Interaction) ist ein Gestaltungsprozess, der Schritte und Werkzeuge bietet, um wiederverwendbare Roboter-Verhaltensweisen zu generieren. „Ich habe zunächst bereits vorhandene Roboter-Anwendungen angeschaut und analysiert, um wiederkehrende Situationen zu identifizieren.

Ein Beispiel hierfür ist das Zuhören, symbolisiert durch leuchtende Ohren“, erläutert Pollmann. Auf Basis dieser Analysen hat sie Gestaltungsempfehlungen abgeleitet, um den Roboter so interagieren zu lassen, dass Menschen verstehen, was gemeint ist. Je nach Art des Roboters können diese Empfehlungen leicht angepasst werden. Um eine einheitliche und standardisierte Darstellung der Verhaltensmuster verständlich und nachvollziehbar zu dokumentieren, hat Pollmann ein Notationsformat entwickelt. Eine Mustersprache beschreibt die Beziehungen zwischen den Mustern. Herzstück ihrer Arbeit ist das Pattern-Wiki, das alle entwickelten Roboter-Verhaltensmuster in einer Bibliothek zusammenfasst. Zusätzlich hat Pollmann ein Software Development Kit entwickelt, das die Übertragung der Muster auf konkrete Roboter unterstützt.

Pattern-Wiki: Bibliothek für Verhaltensmuster in der Mensch-Roboter-Interaktion

Entstanden ist das Pattern-Wiki im Rahmen des Projekts „NIKA“. Hier stand die Frage im Fokus, welches soziale Verhalten ein Roboter im Umgang mit älteren Menschen zeigen sollte, um diese optimal im Alltag zu unterstützen und gleichzeitig sympathisch zu wirken. Basierend auf den Anforderungen und Bedürfnissen älterer Menschen hat Pollmann Interaktionsstragien für drei unterschiedliche Roboter-Formen entwickelt: abstrakt, tier-ähnlich und humanoid. Daraus ist die Idee für ihre Dissertation entstanden, standardisierte Gestaltungsempfehlungen für Roboterhalter zu entwickeln und eine Bibliothek mit „Design Patterns“ aufzubauen. Das Pattern-Wiki soll künftig nicht nur dem Forschungsteam am Fraunhofer IAO bei der Interaktionsgestaltung für soziale Roboter helfen, sondern auch für andere Expert*innen aus dem Interaktionsdesign und der Softwareentwicklung im Bereich der Robotik geöffnet und gemeinsam immer weiter ergänzt werden.

Ein Video zu Dr. Kathrin Pollmann finden Sie auf den Seiten der Südwestmetallpresse

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