Die "Non-binary" Flagge von Kye Rowan. Sie besteht aus "Gelb" (repräsentiert das jenseits der Binarität), "Weiss" (steht für viele/alle Geschlechter), "Violett" (repräsentiert ein Mix aus weiblich und männlich), und "schwarz" (steht für eine Abwesenheit von Gender).

Geschlechtsidentität anerkennen

13. Juli 2023

Zum Internationalen Tag der Nichtbinarität: Wie die Änderung von Namens- und Geschlechtseintrag an der Universität Stuttgart funktioniert. Eine Beschäftigte erzählt von ihren Erfahrungen.

Der 14. Juli ist Internationaler Tag der Nichtbinarität. Dies ist eine Sammelbezeichnung für ganz verschiedene Geschlechtsidentitäten außerhalb von männlich oder weiblich. An der Universität Stuttgart sind diese Identitäten Teil der gelebten Vielfalt, gestärkt durch das Diversity-Konzept.

Wenn man sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren kann, das bei der Geburt zugeteilt wurde, bringt das ganz besondere Herausforderungen mit sich. Unter anderem diese, dass man von Kolleg*innen oder Kommiliton*innen mit einem "falschen" Namen oder Pronomen angesprochen wird. An der Universität Stuttgart ist es seit April 2022 - und damit bereits vor entsprechenden gerichtlichen Änderungen - möglich, Geschlechtseintrag und Vornamen anpassen zu lassen. Seit der Einführung machten insgesamt 26 Personen (Studierende und Beschäftigte) davon Gebrauch. Eine Beschäftigte berichtet.

Marion Gruber arbeitet an der Universität Stuttgart und ist transgender, allerdings mit binärer Geschlechtsidentität. Eine binäre trans Person also, bei der das Geschlecht, welches ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, von ihrem eigentlichen abweicht. Marion Gruber hat ihren Vornamen und den Geschlechtseintrag an der Universität Stuttgart ändern lassen und erzählt hier in einem Erfahrungsbericht, wie das ablief. 

Erfahrungsbericht zur Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags

"Mein Name ist Marion Gruber und ich arbeite seit dem Jahr 2014 an der Universität Stuttgart. Aktuell bin ich an einer zentralen Einrichtung beschäftigt. Bei meiner Geburt wurde mir das männliche Geschlecht zugewiesen. Bereits in sehr frühen Jahren während meiner Kindergartenzeit habe ich gespürt, dass diese Zuordnung bei mir nicht gepasst hat. Schon damals merkte ich, dass ich wenig Interesse an den Spielen der Jungs hatte, und wäre viel lieber ein Mädchen gewesen…

Diese Erfahrungen machte ich fortan in allen folgenden Lebensabschnitten, doch es dauerte sehr lange, bis ich mir selbst eingestehen konnte, dass ich eine trans Person bin und ich mich dieser Herausforderung stellen muss, da ein weiteres Verdrängen nicht mehr möglich war. Seit Sommer 2022 erhalte ich die Hormonersatztherapie, durch welche sich mein Körper weiter "verweiblichen" wird. Seitdem fühle ich mich auch Stück für Stück stimmiger und wohler in meinem Körper. Neben medizinischen Maßnahmen sind bei einem solchen Wechsel der Geschlechterrolle auch viele soziale und rechtliche Änderungen notwendig.

Im Herbst 2022 hatte ich dann auch ein erstes Gespräch mit der Referentin für Diversity Management an der Universität Stuttgart, Barbara Scheubert, um mich über den Ablauf der Namensänderung zu informieren. Ich hatte über diese Möglichkeit über die Website der Universität erfahren. Meine Namensänderung an der Universität wurde dann Anfang 2023 umgesetzt, nachdem ich zuvor mein Coming-Out als trans Frau in meiner Abteilung hatte.

Unkompliziert und niedrigschwellig

Das Verfahren zur Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag an der Universität Stuttgart habe ich als sehr unkompliziert und niedrigschwellig empfunden. Hierfür habe ich einen Termin mit Frau Scheubert vereinbart. Sie hat sich Zeit genommen und mich ausführlich über den Ablauf informiert. Nach Vorlage meines dgti-Ergänzungsausweises sowie des Personalausweises wurden Formular und Ausweiskopien an die Zentrale Verwaltung der Universität gesendet. Innerhalb weniger Tage wurden Vorname und Geschlechtseintrag in allen Systemen der Universität geändert. Seitdem bin ich nun uniweit Frau Marion Gruber.

Meine Kolleg*innen und meine Vorgesetzten haben meine Entscheidung sehr wohlwollend aufgenommen und mich vollständig unterstützt. Ich werde seit meinem Coming-Out als Frau akzeptiert, ohne Wenn und Aber. Ich habe auf allen Kanälen, sowohl offline als auch digital sehr positives Feedback erhalten und wurde ermutigt, meinen Weg weiter zu gehen. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Sowohl die unkomplizierte Namensänderung als auch das durchweg positive Feedback von allen Seiten haben mich sicherer werden lassen und meine Zufriedenheit am Arbeitsplatz nochmals gesteigert. Ich bin sehr glücklich, dass ich nun im richtigen Geschlecht leben und arbeiten darf.

Zum Zeitpunkt des Änderungsantrags an der Universität hatte ich noch gehofft, dass ich die amtliche Vornamens- und Personenstandsänderung noch im Laufe dieses Jahres ebenfalls unkompliziert und niedrigschwellig über das neue geplante Selbstbestimmungsgesetz durchführen könnte. Leider sieht es momentan so aus, dass sich das Gesetz aufgrund von Unstimmigkeiten weiter verzögern wird. Deshalb habe ich mich nun dazu entschieden, die amtliche Änderung über das alte TSG-Verfahren durchzuführen.

Belastende Situationen im Alltag

Allen Betroffenen an der Universität Stuttgart kann ich das Verfahren zur Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag uneingeschränkt empfehlen. Auch vor der amtlichen Änderung ist es damit möglich, an der Universität im richtigen Geschlecht zu arbeiten oder zu studieren. Somit lässt sich zumindest in diesem Rahmen die für trans Personen oft belastende Konfrontation mit dem alten Vornamen („Deadname“) und einer falschen Anrede („Misgendern“) vermeiden.

Ich bin eine binäre trans Person, da ich mich eindeutig als Frau fühle und auch so lebe, möchte an dieser Stelle aber auch andere Personengruppen, deren Geburtsgeschlecht nicht mit ihrer gefühlten Geschlechtsidentität übereinstimmt, dazu ermutigen, ihre Daten an der Universität ändern zu lassen. So steht dieses Verfahren auch nicht binären Menschen offen, da auch eine Streichung des Geschlechtseintrags möglich ist.

Im Gegensatz zur Universität gibt es für trans Personen im Alltag noch immer unangenehme Situationen. Für mich persönlich war es sehr belastend, in Arztpraxen noch mit „Herr Gruber“ aufgerufen zu werden, als meine Krankenversicherten-Karte noch nicht geändert war. Ich wurde von den anderen Anwesenden im Wartezimmer zwar als Frau wahrgenommen, aber als Mann aufgerufen, was manchmal zu verstörenden Blicken geführt hat. Ich kann allen Betroffenen nur raten, mit ihrer Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und darzulegen, warum eine Änderung der Daten unerlässlich ist. Sollte die eigene Krankenkasse sich weigern, kann ein Wechsel zu einer anderen Kasse das Problem ebenfalls lösen (was ich in meinem Fall inzwischen getan habe).

Die "Non-binary" Flagge von Kye Rowan. Sie besteht aus "Gelb" (repräsentiert das jenseits der Binarität), "Weiss" (steht für viele/alle Geschlechter), "Violett" (repräsentiert ein Mix aus weiblich und männlich), und "schwarz" (steht für eine Abwesenheit von Gender).

Die richtige Entscheidung

Trotz mancher Schwierigkeiten und Hürden, die ich überwinden musste, kann ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war, diesen Weg zu gehen. Was für cis Personen ganz normal erscheint, müssen sich trans Personen hart erarbeiten: die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität. Die Universität Stuttgart hat mich als Mitarbeiterin dabei unterstützt, worüber ich sehr glücklich bin. Ich will anderen Betroffenen ausdrücklich Mut machen, zu sich selbst zu stehen und die Möglichkeit der Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag an der Universität Stuttgart zu nutzen."

Der Vor- und Zuname wurde zum Schutz der Identität der Person geändert. 

Ansprechpersonen und Beratung

Im Rahmen des Themas Nicht-Binarität weist das Diversity Management der Universität Stuttgart auch auf die Bedeutung von Evermood hin. In der Online-Wissensdatenbank mit Beratungsmöglichkeit können sich Studierende und Beschäftigte Hilfe holen. Auch anonym.

Befragung zur Lebenssituation queerer Menschen

Die FamilienForschung Baden-Württemberg führt im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg eine Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTIQ*-Menschen in Baden-Württemberg durch. Die Befragung findet vom 04.07.23 bis 04.08.23 statt und ist komplett anonym. Sie setzt sich zum Ziel, mehr über die Lebenssituation von queeren Menschen im Land zu erfahren. Nehmen Sie an der Umfrage teil.

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