Mobilitätsforschung für die Zukunft

31. Mai 2021

An der Universität Stuttgart werden Fragen von morgen heute schon in Lösungen umgesetzt: zum Beispiel in der ARENA2036 und im InnovationsCampus Mobilität der Zukunft.

Der Parkplatz auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart ist belebt. Am Pfaffenwaldring 19 klingelt ein Lieferant. Hinter der Tür liegt eine große Halle, angegliedert Werkstätten, Laborräume und Büros. Die markant zackige Dachform ist weithin sichtbar. An der Fassade glänzen die Logos „ARENA2036“, leuchtend orange unterlegt, und „Universität Stuttgart“, gehalten in Anthrazit.

Gemeinsame Forschung am Auto der Zukunft

ARENA2036 – die Worte sind Programm. Active Research Environment for the Next generation of Automobiles, Forschung an der nächsten Automobilgeneration. „2036“ spielt auf das 150. Jubiläum des Autos an, zielt auf Zukunft. Nachhaltig soll Mobilität sein. Leichtbau, neue Produktionstechnologien, Elektrifizierung und Integration modularer wie autonomer Systeme setzt die ARENA2036 dafür ein.

Virtueller Rundgang durch den Forschungscampus ARENA2036

© ARENA2036 | Quelle: YouTube

„Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die bisher unabhängig voneinander geforscht haben, kommen unter einem Dach zusammen“, beschreibt Geschäftsführer Peter Froeschle die Grundidee. So kann universitäre Forschung direkt in industrieller Anwendung erprobt werden. Grenzen fallen nicht nur zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Neben Playern wie Bosch oder Daimler tüfteln studentische Startups. Die Innovationsplattform „STARTUP AUTOBAHN“ gibt jungem Erfindergeist Raum. Im Gebäude hat sie einen eigenen Flur. Bunte Klebezettel an transparenten Boards zur Rechten verbinden hippen Großstadtgründergeist mit bodenständiger schwäbischer Ingenieurskunst. Die „Wall of Fame“ zur Linken zeugt vom Erfolg.

„Am Anfang hatte jede Firma in der Halle ihren abgesteckten Bereich,“ erinnert sich Javier Stillig von der Bosch Rexroth AG, „dann sind wir immer näher zusammengerückt – inzwischen sieht man kaum mehr Trennlinien. Wir arbeiten vernetzt, nutzen Synergien.“ Demnächst sollen auch noch alle dasselbe Schreibtischmodell bekommen.

Die ARENA2036 ist eine geräumige Industriehalle. Die verschiedenen Firmen haben hier untereinander keine grenzenden Wände. So drückt sich Zusammenarbeit bereits räumlich aus.
Auf 10.000 Quadratmetern wird Technologiewandel entwickelt und gestaltet.


Induktive Energieversorgung in Industrie 4.0

Javier Stilligs BoxAGV auf intelligentem Boden

© ARENA2036 | Quelle: YouTube

An der Universität Stuttgart promoviert Stillig über „Berührungslose Energieübertragung im industriellen Umfeld“. Seine Industrie-4.0.-Erfindung kann man betreten: den intelligenten Boden. Gewichtssensoren bringen mit jedem Schritt LEDs zum Leuchten. Sie dienen auch als Leitsystem, damit Transportkisten alleine ihren Weg gehen können. Stillig zeigt an die hohen Wände und erklärt: „In der klassischen Produktionshalle sind an Wänden und Decken elektrische Versorgungsleitungen installiert, um Maschinen am Laufen zu halten.“

Der Trend geht aber zu Individualisierung und Schnelligkeit und damit zur wandelbaren Fertigung. So muss sich auch die Produktionshalle den neuen Anforderungen anpassen und selbst flexibel werden. Während alles im Raum mobil wird, bleibt der Boden derselbe: Die Idee für den intelligenten Boden war geboren. Durch induktives Laden kann er die kontaktlose Energieversorgung übernehmen. Lästige Kabel werden überflüssig. Weitere Funktionen lassen sich integrieren. So verankerte etwa die Firma Pilz ein Modul zur Arbeitssicherheit in einer Bodenplatte.

Ressourcenschonende und emissionsfreie Mobilität

Prof. Nejila Parspour, Mitbegründerin des Master-Studiengang Elektromobilität

Induktives Laden während der Fahrt ist ein Thema von Prof. Nejila Parspour, die Stilligs Doktorarbeit betreut. Die Direktorin des Instituts für Elektrische Energiewandlung der Universität Stuttgart hatte sich zunächst mit Robotik beschäftigt. „Das Zukunftsauto kann man als Roboter verstehen, insofern ist das eigentlich dasselbe“, erzählt sie. Über ihre persönliche Forschungsmotivation sagt sie: „Alles, was Menschen hilft, fasziniert mich.“ Deshalb nutzt Parspour Induktion auch nicht nur für Autos, sondern auch bei Exoskeletten oder Herzpumpen. Nachhaltige Mobilität ist ihr ebenfalls Anliegen.

Wir haben nur eine Erde, eine Atmosphäre und begrenzte Ressourcen.

Prof. Nejila Parspour
Im InnovationsCampus forschen Institute interdisziplinär an Lösungen der Zukunft.

Um dem Nachhaltigkeitsgedanken mit Innovationen begegnen zu können, wird im InnovationsCampus Mobilität der Zukunft (ICM), einer vom Land Baden-Württemberg geförderten Kooperation zwischen Universität Stuttgart und Karlsruher Institut für Technologie, Wissen gebündelt. „Die komplementären Kompetenzen der Forschenden aus Stuttgart und Karlsruhe ergänzen sich sowohl in Grundlagenforschung als auch Technologietransfer perfekt“, findet Dr. Max Hoßfeld, Stuttgarter Geschäftsführer des ICM.

Neben flexibler und digitaler Produktion liegt ein Akzent auf emissionsfreien Antriebssystemen. Einen Wirkungsgrad von 96 Prozent erreichen Parspours Elektromotoren, die das Ladesystem direkt integrieren und damit nicht auf herkömmliche Batterien setzen. Auf dem Campus Vaihingen wird es sogar eine Forschungsstraße geben, um das induktive Laden während der Fahrt zu erproben. Belebte Parkplätze und klingelnde Lieferanten am Pfaffenwaldring – sie stehen im Wandel der Mobilität.

Und in der Produktionshalle selbst? – „Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich einen Schwarm fliegender Roboter, kleine fliegende Werkzeugdronen mit verschiedenen Aufgaben und größere Roboter, die zu ihnen fliegen und ihnen Energie übertragen“, malt Parspour ein Zukunftsbild und kommt dabei selbst ins Schwärmen.

Innovationscampus "Mobilität der Zukunft"

Quelle: YouTube
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