Optimierte Wellenmessung im Küstenbereich

21. Februar 2022 – Publizieren!

In der Reihe Publizieren! stellen wir eine Veröffentlichung des Geodätischen Instituts der Universität Stuttgart vor. Der Student Junyang Gou hat eine neue Messmethode der Meeresoberfläche in Küstennähe untersucht und die Erkenntnisse im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit publiziert.
[Foto: Elsevier B.V.]

Etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung leben in Küstengebieten, die weniger als 10 m über dem Meeresspiegel liegen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, die Küstengewässer zu überwachen, bieten Messstationen, einschließlich Wellenbojen, keinen ausreichenden Einblick in die Wasserstandsschwankungen an den Küsten. Sie können insbesondere keine ausreichenden Informationen über eine wichtige Messgröße, die signifikante Wellenhöhe (SWH), liefern. Die Satellitenaltimetrie (Bestimmung der Wasserhöhe mittels Satelliten) spielt hier eine immer bedeutendere Rolle. Über dem offenen Meer sind die mit Satellitenaltimetrie ermittelten Werte sehr zuverlässig. Ganz anders ist die Situation allerdings über küstennahen Wasseroberflächen. Hier stellen Landzungen, Schiffe und ähnliches Störfaktoren dar, dadurch wird die Bestimmung der signifikanten Wellenhöhe erschwert und ungenau.

Originalpublikation
Gou, Junyang; Tourian, Mohammad J. (2021) RiwiSAR-SWH: A data-driven method for estimating significant wave height using Sentinel-3 SAR altimetry. In: Advances in Space Research, Elsevier, Volume 68, Issue 12, 15 December 2021, https://doi.org/10.1016/j.asr.2021.12.019

Mohammad Tourian bei der Verleihung der Publikationspreise 2020 der Universität.

Die Berechnung der signifikanten Wellenhöhe mittels Satellitenaltimetrie-Missionen funktioniert folgendermaßen: Beim Überflug sendet der Satellit Signale und empfängt sie zurück, woraus sich eine Wellenform (Zeitreihe der reflektierten Energie) ergibt. Die Neigung der Wellenform steht in einem linearen Zusammenhang mit der signifikanten Wellenhöhe der Meeresoberfläche und ermöglicht deren Abschätzung durch Bestimmung der Neigung (s. Abbildung und Film). Bei neuen Missionen, den sogenannte SAR Altimetrie-Missionen werden eine Reihe von Signale geschickt und daraufhin erhält der Satellit von jedem einzelnen Punkt des erfassten Gebiets auf der Erde nicht nur ein Signal, sondern eine ganze Reihe von Signalen zurück.

Alle Signale bzw. alle Daten über einen Punkt werden dann zu einem sogenannten Stack gebündelt. Hier gilt die lineare Beziehung nicht mehr. Sondern die signifikante Wellenhöhe lässt sich nur mittels einer hochkomplexen Modellierung ermitteln. „Diese Methode ist sehr kompliziert und man erhält obendrein für Messungen in Küstennähe keine zuverlässigen Ergebnisse über die Wellenhöhe“, erklärt Dr. Mohammad Tourian aus dem Leitungsteam des Geodätischen Instituts der Universität Stuttgart. Das führte zu seiner Überlegung, wie die Messungen in Küstennähe einfacher und mit besseren Ergebnissen durchgeführt werden könnten.

Messung der signifikanten Wellenhöhe

Dauer: 1:32 | © ESA | Quelle: YouTube

Satellitenaltimeter senden Signale aus ihrer Umlaufbahn in einer Höhe von etwa 800 km und empfangen sie zurück. Die Zeitreihe der reflektierten Energie (Wellenform) enthält Informationen über Wasserhöhe, signifikante Wellenhöhe und Windgeschwindigkeit an der Meeresoberfläche.

Neue Messmethode ist einfacher und zuverlässiger

Mohammad Tourian suchte auch bei der SAR Altimetrie-Messung nach einer vergleichsweise einfachen linearen Beziehung zwischen den Charakteristika der Wellenform und der Höhe der Meereswellen und fand sie in der Breite der Wellenform: „Je stärker die Neigung und je breiter die Wellenform, desto höher die Wellen der Meeresoberfläche.“ Auf diese Weise lassen sich über dem offenen Ozean und über dem Küstengebiet die Wellenhöhen auf relativ einfache Weise schätzen. Der nächste Schritt war die Überprüfung, ob diese Annahme stimmt und die Berechnungsmethode zur zuverlässigen Ermittlung der signifikanten Wellenhöhe führt. Deshalb vergab Tourian eine entsprechende Studie im Rahmen einer Bachelor-Arbeit an den Studenten Junyang Gou.

Junyang Gou absolviert inzwischen seinen Master an der ETH Zürich.

Proof of concept ist erbracht

In der Studie untersuchte Junyang Gou die datengesteuerte Methode zur Bestimmung der signifikanten Wellenhöhe mit Hilfe der Daten des Satellits Sentinel-3 sowohl für den ozeanischen als auch für den küstennahen Bereich. Er verglich die Daten von Pegeln und virtuellen Stationen an der Nordseeküste u.a. bei Cuxhaven, Spiekeroog und Sylt sowie Daten von bisher angewandten Methoden mit den Daten, die aufgrund der neuen Methode ermittelt wurden. Die Validierung ergab, dass relativ zuverlässige Schätzungen der Wellenhöhe möglich sind. Die neue Methode konnte die signifikante Wellenhöhe mit einer Genauigkeit von 0,25 bis 0,91 Meter für verschiedene Standorte in der Nordsee bestimmen. Sie ist damit um 40 Prozent zuverlässiger als bestehende Methoden. „Wir haben unsere Methode in verschiedenen Regionen des Küstengebiets der Nordsee angewandt und validiert. Die Methode liefert zuverlässige SWH-Werte bis zu einer Entfernung von 1 km von der Küste: Der Proof of concept ist damit erbracht“, erklärt Dr. Mohammad Tourian.

Daten sind für Vorhersage von Fluten und Tsunamis wichtig

Die Altimetrie-Missionen von Raumfahrtbehörden wurden ursprünglich als Forschungssatelliten gestartet. Seit 2016 werden Sentinel-Daten nicht nur für Forschungszwecke, sondern auch zur Nutzung im Alltag verwendet. Sie werden z.B. an Hafenbehörden und die Schifffahrt weitergegeben oder für Wettervorhersagen genutzt. Zuverlässige Daten sind wichtig für die Vorhersage von Fluten oder Tsunamis, auch zur Erfassung von Ozeanströmungen, Veränderungen der Meereshöhe in Küstennähe oder nach Erdbeben. So werden nicht zuletzt mögliche Folgen des Klimawandels sichtbar. „Dies ist durch langjährige Messungen möglich. „Es gibt beispielsweise Küstenregionen, wo der Meeresspiegel jedes Jahr um 10 cm ansteigt“, erläutert Mohammad Tourian.

Er hofft, dass die neue Berechnungsmethode als eine der Standardmethoden für Sentinel-Daten implementiert wird. Eine entsprechende Förderung möchte er im Laufe des Jahres bei der ESA beantragen.

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