Bioreaktor

Mit Mikroorganismen den Klimawandel stoppen

10. Mai 2022, Nr. 20

DFG verlängert Schwerpunktprogramm SPP 2170 „InterZell“ unter Koordination der Universität Stuttgart -Neue Projekte gefördert.
[Bild: Universität Stuttgart]

Organismen, die CO2 zum Wachstum brauchen, reduzieren das klimaschädliche Gas und damit die Klimaerwärmung. Sogar mikroskopisch kleine Organismen können dazu beitragen, indem sie CO2 als Biomasse binden. Damit die Winzlinge optimale Bedingungen vorfinden und trotz ihrer minimalen Größe viel Biomasse bilden, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Forschende der Universität Stuttgart, der Technischen Universitäten Hamburg (TUHH) und München (TUM) sowie weiterer Forschungseinrichtungen im Schwerpunktprogramm „InterZell“ für weitere drei Jahre, um Scale-up (Maßstabsübertragung) und Prozessoptimierung zu untersuchen.

CO2 ist als klimaschädliches Gas an der Entstehung des Treibhauseffektes beteiligt. Durch die Erhöhung der CO2 Konzentration in der Atmosphäre ist das ökologische Gleichgewicht verschoben; Klimaerwärmung und Phänomene wie das Abschmelzen von Eisgletschern sind die Folgen. Pflanzen jedoch nutzen CO2, um durch Photosynthese Kohlenhydrate und Sauerstoff herzustellen. CO2 wird dabei in Biomasse gebunden. Es gibt auch Mikroorganismen, die für ihr Wachstum CO2 benötigen, um daraus Biomasse herzustellen – und dies mit weitaus höherer mikrobieller Effizienz als Pflanzen, die am Boden wachsen. Hier setzt die Forschung von „InterZell“ an: Nach dem Vorbild der Natur wollen die Forschenden untersuchen, wie sich Mikroorganismen gegenseitig bei Wachstum und Produktbildung unterstützen. Um eine hohe Zellzahl und Biomasse unter gezielten Bedingungen zu untersuchen, werden Bioreaktoren eingesetzt.

Die Forschung im Schwerpunktprogramm SPP 2170 will Zell-Zell-Interaktionen und Zell-Bioreaktor-Interaktionen untersuchen und deren Prozessparameter optimieren.

Partner-Organismen versorgen sich gegenseitig

Oft sind die Bedingungen für Wachstum und Produktbildung in großen Bioreaktoren jedoch nicht optimal, da Sauerstoff oder Nährstoffe bei mangelhafter Durchmischung im Inneren des Bioreaktors limitiert sind. Daher verfolgt das Projekt „Coconut“ (Zell-Zell Interaktionen in einer synthetischen Co-Kultur-PHA Produktion durch Sonnenlicht und CO2 in einer artifiziellen Co-Kultur von Synechococcus elongatus und Pseudomonas putida) der TU München im Rahmen des SPP Interzell die Idee, zwei Partner-Organismen gemeinsam im Bioreaktor zu kultivieren. Die Forschenden wollen ein ökologisches Gleichgewicht simulieren, indem ein autotropher, also von Sonnenlicht und CO2 lebender Mikroorganismus seinen Tandem-Partner mit Zucker und Metaboliten versorgt – ein bekanntes Prinzip aus der Natur. Die ersten Versuche waren erfolgreich: Es konnte gezeigt werden, wie Cyanobakterien mit Hilfe von Sonnenlicht durch Photosynthese, genau wie Landpflanzen, CO2 fixieren und andere Mikroorganismen versorgen. Bei Stress (z. B. Salzstress) bildet das Bakterium verstärkt Zucker wie Saccharose. Dieser wird durch die genetisch veränderten Bakterien aus der Zelle geschleust und steht dann einem Partner-Organismus, einem heterotrophen Bodenbakterium (Pseudomonas putida) zur Verfügung, welches ein bekannter Bildner von Bioplastik ist. Die modellhafte Kombination zweier Mikroorganismen zeigt, dass autotrophe und heterotrophe Mikroorganismen ressourcenschonend gemeinsam im Labor kultivierbar sind. In der nächsten 3-jährigen Förderphase gilt es jetzt, den Praxistransfer zu bestehen. 

Das Projekt Coconut kultiviert im Bioreaktor autotrophe CO2 fixierende Cyanobakterien, die durch die Freisetzung von Zuckern, andere Spezies beim Wachstum supporten.

Maßgeschneidertes Scale-up im Bioreaktor 

Prozessparameter wie Sauerstoffversorgung oder Durchmischung sind essenziell, damit sich die Winzlinge im Bioreaktor wohlfühlen. Die Prozessführung perfekt anzupassen und zu steuern, ist in der industriellen Praxis jedoch oft schwierig. Um Material und Umwelt zu schonen, wird die Forschung daher zunächst im kleinen Labor-Maßstab durchgeführt und die Labor-Ergebnisse anschließend auf einen großen Bioreaktor von mehreren zehn- bis hunderttausend Litern übertragen. Damit Prozesse, die im kleinen Maßstab gut funktionieren, auch im großen Maßstab gelingen, wird ein maßgeschneidertes Scale-up von Labor zu industrieller Produktion benötigt. Hier setzt die Forschung des Projekts CHOLife (Experimentelle Multiskalenanalyse und Simulation von Lifelines im Bioreaktor) an, in dem Wissenschaftler*innen der TU Hamburg und der Universität Stuttgart das Scale-up am Beispiel des Immunglobulins IgG1 untersuchen. „Hier gibt es großen Forschungs- und Kooperationsbedarf, um die im Miniaturmaßstab funktionierenden Ergebnisse in den Industriemaßstab zu übertragen“, betonen der Koordinator des SPP 2170, Prof. Ralf Takors, sowie die für das Networking der Forscher zuständige Projektleiterin Dr. Martina Rehnert, beide vom Institut für Bioverfahrenstechnik der Universität Stuttgart.

In dem Projekt CHOLife untersuchen die Forschenden der Universitäten Stuttgart und Hamburg (TUHH) das Scale up im Bioreaktor und dessen Modellierungen.

Nachhaltigkeit auch in zweiter Förderperiode

Coconut und CHOlife sind zwei von zehn Forschungsprojekten mit insgesamt 50 Wissenschaftler*innen, welche die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Schwerpunktprogramm InterZell (SPP 2170) für eine zweite Förderperiode auf drei Jahre finanziert. Um die nachhaltige Produktion von Wirkstoffen im Bioreaktor zu steigern, werden Modellparameter im Bioreaktor für den Praxistransfer untersucht.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Dr. Ralf Takors, Dr. Martina Rehnert, Koordination SPP “InterZell”, Universität Stuttgart, Institut für Bioverfahrenstechnik, Tel. +49 711 685 69925, E-Mail 

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