Dr. Dörte Mehlert

Öffentlichkeitsarbeit für SOFIA: "Das ist mein Traumberuf"

forschung leben – das Magazin der Universität Stuttgart (Ausgabe März 2022)

Dr. Dörte Mehlert ist Astronomin und arbeitet seit 16 Jahren in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen SOFIA Instituts (DSI) am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart. Sie spricht darüber, wie Gesellschaft und Forschung vom gegenseitigen Austausch profitieren, was sich mit der Zeit geändert hat und warum es ihr Traumberuf ist.

Der Austausch zwischen Forschung und Gesellschaft hat am Deutschen SOFIA Institut (DSI) einen hohen Stellenwert. Woran zeigt sich das?

Dr. Dörte Mehlert: Das Besondere am DSI ist, dass bereits bei der Gründung 2004 eineinhalb Stellen für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen waren und seitdem von der Universität Stuttgart finanziert werden. Damit hatten wir von Beginn an ein eigenes Educational-and-Public-Outreach-Programm. Formell gesehen ist das DSI kein Institut, sondern ein Drittmittelprojekt. Ich kenne kein anderes einzelnes Drittmittelprojekt in Deutschland, das ein eigenes Programm für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit hat und schon gar nicht bereits 2004 eines etabliert hat.

Wie kommt es, dass das DSI hier Vorreiter ist?

Das hat mit unserer fliegenden Infrarotsternwarte SOFIA zu tun, die ein Gemeinschaftsprojekt der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist. Die Universität Stuttgart koordiniert den wissenschaftlichen Betrieb von SOFIA im Auftrag des DLR auf deutscher Seite. Die NASA stellt für jedes ihrer Projekte einen bestimmten Anteil des Budgets für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung, und das DLR hat das für SOFIA so übernommen. Außerdem hat der Gründer des DSI, Professor Hans-Peter Röser, eine entscheidende Rolle gespielt. Er hat von Anfang an großen Wert auf die Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Sein Credo war: „Tue Gutes, und rede darüber.“

Fortbildung über den Wolken: Lehrkräfte können bei einem Mitflug Wissenschaft hautnah erleben
Welche Möglichkeiten bietet das Programm für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit?

Es eröffnet uns sehr viele Möglichkeiten, die sich in anderen Projekten nicht umsetzen lassen. Ein Beispiel für unsere Bildungsarbeit ist das Mitflugprogramm für Lehrerinnen und Lehrer in SOFIA. Hierfür können sich alle Lehrkräfte deutscher Schulen bewerben. Nach einem Auswahlverfahren und einem Vorbereitungstreffen in Stuttgart reisen sie für rund eine Woche in die USA. Dort bereiten sie sich auf den Mitflug vor, der am Ende ihres Aufenthalts ansteht. Während des Flugs erleben sie hautnah, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten und was sie beobachten. Der Mitflug begeistert die Lehrerinnen und Lehrer nachhaltig. Diese Begeisterung tragen sie zurück in ihre Schulen und vermitteln sie im Idealfall auch ihren Schülerinnen und Schülern. Viele Lehrkräfte halten noch Jahre danach Vorträge über ihren Mitflug oder veröffentlichen Blogeinträge. Auch in Bildungsplänen und Lehrbüchern taucht SOFIA inzwischen auf.

Das klingt nach einer praxisnahen und gleichzeitig öffentlichkeitswirksamen Art der Wissensvermittlung.

Das Mitflugprogramm und die damit einhergehende Medienresonanz sind jedes Mal gigantisch. Die Lehrkräfte sprechen sehr authentisch über ihr Erlebnis. Und daran haben besonders lokale Medien wie Regionalzeitungen, lokale Radio- oder TV-Sender ein großes Interesse. Diese Begeisterung und die dazugehörige Wissensvermittlung erreichen wir niemals mit einer Pressemeldung. 

Welche weiteren Projekte oder Angebote gibt es?

Besonders beliebt ist unser Infrarotexperimentierkasten für Schülerinnen und Schüler. Damit können Lehrkräfte im Unterricht das Thema Infrarot vermitteln und erklären, was wir mit SOFIA beobachten und wie das funktioniert. Zudem haben wir eine mobile Ausstellung über die Infrarotsternwarte, die wir für Vorträge oder Messen zur Verfügung stellen. Und wenn SOFIA Deutschland besucht, bieten wir Führungen durch das Flugzeug an. Bei ihren letzten Besuchen 2011 und 2019 war das Interesse daran riesig. 

SOFIA über den Wolken.
Das sind zahlreiche Maßnahmen, die die Gesellschaft bereichern. Inwiefern profitiert die Forschung von der Öffentlichkeitsarbeit?

Es ist wichtig, dass die Forschung sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik gesehen wird. Entscheidungsträger*innen müssen überzeugt werden, dass es Sinn macht, eine bestimmte Forschung finanziell weiter zu unterstützen. Dafür müssen unsere Projekte sichtbar sein. Die Konkurrenz heute ist groß, umso wichtiger ist es, mit guter Kommunikationsarbeit auf sich aufmerksam zu machen. Und die Steuerzahlenden sollen sehen, wofür ihre Gelder ausgegeben werden und sich selbst überzeugen können, dass sie davon profitieren. Schließlich sind das unsere Fürsprecherinnen und Fürsprecher. Nicht zuletzt ist das Ziel unserer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, junge Menschen zu begeistern und Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu akquirieren.

Sie sind seit 2006 am DSI für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Was reizt Sie persönlich an diesem Berufsfeld?

Während meines Physikstudiums in Hamburg sah ich mein zukünftiges Ich in weißem Kittel und mit Nickelbrille abgeschottet in einem Labor stehen. Abgeschreckt von dieser Vorstellung, habe ich festgestellt, dass ich mehr Kontakt zu Menschen möchte. Daraufhin habe ich Praktika bei Zeitungen gemacht und gemerkt, dass es mir Spaß macht, Dinge zu erklären. Während meiner Promotion in München habe ich weiterhin Artikel geschrieben und Vorträge an Volkshochschulen gehalten. Mein Highlight war die Organisation eines Tags der offenen Tür der Sternwarte München 1996. Danach wusste ich: Das will ich immer machen. Als ich später die Stellenausschreibung des DSI gesehen habe, fand ich die perfekte Stelle für mich.

Dr. Dörte Mehlert
Das ist 16 Jahre her, und es gab viele Veränderungen in Ihrem Berufsfeld. Ist es noch immer Ihre perfekte Stelle?

Ja, das ist sie. Die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit hat sich natürlich gewandelt, aber das macht es auch so spannend. Für mich haben die sozialen Medien die größte Veränderung gebracht. Sie haben die Art meiner Arbeit vollkommen verändert.

Haben Sie ein Beispiel?

Als SOFIA 2011 den Stuttgarter Flughafen besucht hat, spielte Social Media keine besonders relevante Rolle für uns. Das hat sich bei ihrem nächsten Besuch 2019 radikal geändert: Das Interesse und die Aufmerksamkeit sind in den sozialen Medien exponentiell angestiegen. Überall wurde von SOFIA gesprochen, und viele haben Bilder gepostet. Planespotter, also Menschen, die Flugzeuge und deren Bewegung beobachten und fotografieren, haben online eine sehr große Community. Das alles bringt viele positive Effekte mit sich. Der Austausch mit den Userinnen und Usern macht oft Spaß, und es gelingt noch leichter, sie zu motivieren und sie zu involvieren. Es kommt aber auch vor, dass fehlerhafte Informationen geteilt werden. Wenn es mir auffällt, kann ich reagieren und einen Hinweis geben, ganz oft geht das aber an einem vorbei. Damit muss man leben. 

Ein weiteres Beispiel war 2013 ein wochenlanger Abstimmungsprozess für eine Pressemeldung über einen SOFIA-Flug in Neuseeland. Für den perfekten Zeitpunkt der Veröffentlichung mussten wir drei Zeitzonen berücksichtigen: die NASA an der Westküste, wir in Deutschland und SOFIA in Neuseeland. Als SOFIA in Neuseeland gelandet war, twitterten Planespotter vor Ort sofort die ersten Fotos und Infos, und alle wussten Bescheid.  Unsere lang vorbereitete Pressemeldung haben die Kolleginnen und Kollegen aus den USA erst 19 Stunden später verschickt. Daraus haben wir gelernt und unsere Kommunikationsstrategie angepasst. 

Interview: Bettina Wind

Rundgang durch SOFIA

Dauer: 01:11 | © Universität Stuttgart | Quelle: YouTube

Ein Rundgang durch das fliegende Observatorium SOFIA im Zeitraffer.

Über SOFIA

Die fliegende Infrarotsternwarte ist weltweit das einzige fliegende Infrarotobservatorium und eines der größten bilateralen US-deutschen Projekte zur Erforschung des Weltraums. Es zählt zu den größten Drittmittelprojekten an der Universität Stuttgart, die den wissenschaftlichen Betrieb von SOFIA auf deutscher Seite koordiniert. Das Stratosphärenobservatorium für Infrarotastronomie (SOFIA) ist eine umgebaute Boeing 747 SP mit einem 17 Tonnen schweren Teleskop an Bord. Regelmäßig heben damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab, um zum Beispiel die Entstehung junger Sterne und Planetensysteme zu beobachten oder die Milchstraße zu untersuchen.

SOFIA ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR. SOFIA wird auf Veranlassung der Deutschen Raumfahrtagentur mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart finanziert.

Dr. Dörte Mehlert, E-Mail, Telefon: +49 711 685 69632

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