Bionik kommt neu, Linguistik wird verlängert

16. Mai 2014, Nr. 27

DFG bewilligt Fördermittel für zwei Sonderforschungsbereiche an der Universität Stuttgart

Die Universität Stuttgart erhält einen neuen transregionalen Sonderforschungsbereich: Der Transregio (TRR) 141 „Biological Design and Integrative Structures“ soll Konstruktionsprinzipien aus biologischen Strukturen in ein ingenieurwissenschaftliches Modell übertragen und für bauliche und technische Bereiche nutzbar machen. Der Sonderforschungsbereich 732, der sich seit 2006 mit Doppel- und Mehrdeutigkeiten (Ambiguitäten) in der Sprache und ihrer Auflösung beschäftigt, wird um eine dritte Förderperiode verlängert. Beides entschied die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in ihrer Sitzung am gestrigen Donnerstag.

Dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft gleich zwei Sonderforschungsbereiche bewilligt hat, freut uns sehr und honoriert die interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung an der Universität Stuttgart“, so Rektor Prof. Wolfram Ressel. „Der zukunftsweisende Transregio 141 verknüpft die herausragende Kompetenz der Universität Stuttgart auf den Gebieten des konstruktiven Leichtbaus und der Simulationstechnik mit den ebenso exzellenten Schwerpunkten unserer Partneruniversitäten Freiburg und Tübingen in der Biologie, der Physik und den Geowissenschaften. Die Verlängerung des SFB 732 bestätigt erneut die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Theoretischer Linguistik und Computerlinguistik, die in zahlreichen vielversprechenden Projekten umgesetzt werden konnte.“

Transregio 141: „Biological Design and Integrative Structures“


Forschungspavillion aus robotisch gewickelten Carbon- bzw. Glasfasern (Foto: ICD/ITKE)

Der Transregio 141 eröffnet einen neuen Zugang zum Entwerfen und Konstruieren in der Architektur. „Unser Ziel sind multifunktionale, anpassungsfähige und gleichzeitig ökologisch effiziente Strukturen, die die Grenzen herkömmlicher Baukonstruktionen weit hinter sich lassen“, so der Sprecher, Prof. Jan Knippers vom Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen der Universität Stuttgart.

Hierfür nehmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Natur zum Vorbild: Eine wesentliche Eigenschaft natürlicher Konstruktionen ist ihr vielschichtiger, hierarchisch strukturierter und lokal differenzierter Aufbau aus wenigen elementaren Komponenten. Dies führt zu Strukturen mit vielfältig vernetzten Eigenschaften. Aktuelle Entwicklungen im Bereich der computerbasierten Modellierung, Simulation und Fertigung eröffnen neue Möglichkeiten, diese Prinzipien genauer zu analysieren und sie auf die Makro-Ebene der Baukonstruktion und anderer Bereiche der Technik zu übertragen. Neben der Verbesserung der Leistungsfähigkeit technischer Konstruktionen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch die ökologischen Eigenschaften natürlicher Strukturen im Blick, insbesondere deren effektive Nutzung beschränkter Ressourcen und ihre geschlossenen Stoffkreisläufe. Diese Prinzipien sollen in Architektur und Technik übertragen werden.

Hierfür arbeiten im TRR 141, den die DFG mit rund neun Millionen Euro für drei Jahre und neun Monate fördert,interdisziplinäre Teams von Architekten und Ingenieuren der Universität Stuttgart, Biologen und Physikern der Universität Freiburg sowie Geowissenschaftlern und Evolutionsbiologen der Universität Tübingen zusammen. Ihr Forschungsprogramm ist als Dialog konzipiert: Die Eigenschaften biologischer Ideengeber werden abstrahiert und in ein ingenieurwissenschaftliches Modell überführt, das die betrachteten Funktionalitäten und die zugrunde liegenden Konstruktionsprinzipien abbildet. Dieses Modell dient als Grundlage für die Simulation und die konstruktive Umsetzung. Die Ergebnisse dieses Prozesses führen zu einem vertieften Verständnis der Funktionsmorphologie biologischer Strukturen und regen zu weiteren biologischen Untersuchungen an. Übergeordnetes Ziel des Forschungsprogrammes ist es, einen Beitrag zur Etablierung der Bionik als wissenschaftliche Methodik zu leisten und sie im architektonischen und konstruktiven Entwurfsprozess zu verankern.

Sonderforschungsbereich SFB 732: Incremental Specification in Context

Der SFB 732 „Incremental Specification in Context“, der sich mit Doppel- und Mehrdeutigkeiten (Ambiguitäten) und ihrer Auflösung beschäftigt, hat mit seinen rund 50 Forscherinnen und Forschern in der zu Ende gehenden zweiten Förderperiode die Zusammenarbeit zwischen Theoretischer Linguistik und Computerlinguistik in die Tat umgesetzt und durch zahlreiche gemeinsame Präsentationen und Publikationen belegt. „In Bezug auf „Standarddaten“ hat der SFB 732 bestehende Theorien und Methoden weiterentwickelt beziehungsweise neue Theorien und Methoden entwickelt und verifiziert“, erläutert die Sprecherin und Leibniz-Preisträgerin Prof. Artemis Alexiadou vom Institut für Linguistik, Abt.Anglistik. „In den computerlinguistischen Anwendungen konnten wir sehr gute Resultate erzielen, die teilweise weit über den bekannten „baselines“ liegen. In der dritten Förderperiode (2014-2018), für die die DFG knapp neun Millionen Euro zur Verfügung stellt, werden die Teams diese Zusammenarbeit noch verstärken. Geplant ist unter anderem, die bisherigen Forschungsergebnisse auf „non-canonical data“, also zum Beispiel nicht eindeutig klassifizierbare Konstruktionen, wenig untersuchte Sprachen und Varietäten, „unbereinigten“ Text und spontan-sprachliche Dialoge, anzuwenden und die Hypothesen zum Beispiel anhand von Daten aus Webkorpora zu testen. Damit leistet der SFB 732 einen bedeutenden Beitrag zum neuen Zukunftsthema der Universität Stuttgart, dem Schwerpunkt „Digital Culture & Technology“.

Darüber hinaus ist der SFB 732 in der Nachwuchsförderung aktiv. So bietet er unter dem Dach der Graduiertenakademie GRADUS ein strukturiertes Doktorandenprogramm an, dessen Leitung selbst von zwei jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen, Dr. Sabine Schulte in Walde und Prof. Sabine Zerbian, übernommen wurde. Zudem wird der SFB 732 seinen Doktorandinnen die Teilnahme am Mentoring-Programm der Universität Stuttgart ermöglichen und in Sachen Familienfreundlichkeit eng mit den Service Uni & Familie zusammenarbeiten.

Gute Zukunftsperspektiven für die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten sich nicht nur durch die renommierte Forschung im SFB 732 selbst, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit ausgezeichneten Forschern und Forschungsprojekten vor Ort. Beispielhaft erwähnt seien an dieser Stelle Kooperationen mit der durch den Leibniz-Preis ermöglichten „Research group on Experimental Syntax and Heritage Languages“ von Prof. Alexiadou im Bereich der Theoretischen Linguistik, mit dem CLARIN-D-Zentrum unter Leitung von Prof. Jonas Kuhn im Bereich Computerlinguistik und Informationsinfrastruktur/Datensicherung sowie mit Forschungseinrichtungen in Norwegen und Frankreich. Last but not least arbeiten zwei Mercator Fellows im SFB 732 mit, Justus Roux (Südafrika) und Christel Portes (Université Aix-Marseille).

Weitere Informationen:

TRR 141: Prof. Jan Knippers , Universität Stuttgart , Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen, Tel. 0711/685-83280, E-Mail: info (at) itke.uni-stuttgart.de

SFB 732: Prof. Artemis Alexiadou, Universität Stuttgart, Institut für Linguistik: Anglistik, Tel. 0711/685-83121, E-Mail: artemis (at) ifla.uni-stuttgart.de

Andrea Mayer-Grenu, Universität Stuttgart, Abt. Hochschulkommunikation, Tel. 0711/685-82176,
E-Mail: andrea.mayer-grenu (at) hkom.uni-stuttgart.de

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