Weniger Tierversuche und höhere Datenqualität in der Biomedizin

27. März 2024

Tierversuche ersetzen, reduzieren und notwendige Experimente verbessern – diese Ziele verfolgt die 3R-Initiative Baden-Württemberg, an der sich auch die Universität Stuttgart mit einem Forschungszentrum beteiligt. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski hat sich vor Ort über die 3R-Aktivitäten informiert.
[Foto: Universität Stuttgart, Uli Regenscheit]

3R steht für „Replacement“, „Reduction“ und „Refinement“. Das 3R-Netzwerk leiste einen zentralen Beitrag dazu, den Tierschutz in Forschung und Lehre zu verbessern und trage aktiv dazu bei, die Entwicklung und Anwendung von Ersatzmethoden zum Tierversuch voranzubringen, sagte Olschowski bei ihrem Besuch der 3R-Zentren in Stuttgart und Mannheim. „Mehr Tierschutz und bessere Forschung sind keine Gegensätze – ganz im Gegenteil: Die Aktivitäten des 3R-Netzwerks zeigen, dass beides zusammengehört“, so die Ministerin.

Besondere Verantwortung beim Tierschutz

Baden-Württemberg kommt als Standort mit einer hohen Dichte an biomedizinischen Forschungseinrichtungen und pharmazeutisch-chemischer Industrie eine besondere Verantwortung hinsichtlich des Schutzes von Versuchstieren zu. Das Wissenschaftsministerium hat daher eine nachhaltig angelegte Strategie entwickelt, um das 3R-Prinzip noch besser in der baden-württembergischen Forschungslandschaft zu verankern und damit sowohl die Qualität der biomedizinischen Forschung – eine der spezifischen Stärken des Landes – als auch den Tierschutz in Forschung und Lehre voranzubringen. Hierfür sollen bereits vorhandene und oft komplementär ausgerichtete Aktivitäten im Bereich „Alternative Methoden zum Tierversuch“ an verschiedenen Standorten in Baden-Württemberg gestärkt, vernetzt und sichtbarer gemacht werden.

Neue Wirkstoffe gegen Krebs testen

Im Stuttgarter 3R-Zentrum stehen aktuell Projekte zu alternativen Methoden für die Testung neuer Wirkstoffe gegen Krebs im Fokus. Dafür arbeiten Wissenschaftler*innen des Instituts für Zellbiologie und Immunologie (IZI) und des Instituts für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme (IBBS) sowie Onkolog*innen des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart zusammen und entwickeln Methoden zur Kultivierung von Tumorgeweben, zur Herstellung von Tumormodellen, die die Komplexität menschlicher Gewebe rekapitulieren, und mathematische Modelle, die verbesserte Vorhersagen zur Effizienz der Wirkstoffe ermöglichen. Im 3R-Tissue Labor stellen die Forschenden 3D-Tumorkulturen und 3D-Bioprinting-Verfahren von komplexen Geweben vor. Dabei kommen auch Leitgewebe von Pflanzen als Blutkreislaufmodelle zum Einsatz.

Nachwuchsförderung und Vernetzung

Das Stuttgarter 3R-Zentrum hat eine Plattform entwickelt, die es möglich macht, Krebsmedikamente mittels der neuen Methoden zu testen. „Bei der Entwicklung valider Tierversuchsalternativen für die Forschung und künftige klinische Anwendungen richten wir ein besonderes Augenmerk auf die Ausbildung junger Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle von biomedizinischen Wissenschaften und Technik“, sagt Prof. Monilola Olayioye, Wissenschaftlerin am IZI und Koordinatorin des Zentrums. Zusätzlich zur Forschung und Qualifizierung im Rahmen von Promotionen werden spezialisierte Lehrveranstaltungen für Studierende angeboten. Darüber hinaus bringt die neue Initiative 3R-BioMedicUS Expert*innen aus Wissenschaft und Technik zusammen, die tierversuchsfreie Methoden weiter vorantreiben, den Methodenkoffer ausbauen und für die Erprobung neuartiger Biotherapeutika erweitern.

Zum 3R-Netzwerk

Das Wissenschaftsministerium unterstützt gemeinsam mit den beteiligten Hochschulen seit 2020 den Aufbau des 3R-Netzwerks mit insgesamt bis zu 6,9 Millionen Euro – mit Zentren in Tübingen, Konstanz, Stuttgart und im Raum Rhein-Neckar (Mannheim/Heidelberg). Anlässlich ihres Besuches kündigte Ministerin Olschowski an, dass das Land die Zentren in Mannheim und Stuttgart ab 2025 verstetigen wird.

Weitere Informationen

Obwohl zahlreiche Alternativmethoden bereits im Einsatz sind, sind diese noch nicht in der Lage, sämtliche Tierversuche in der Forschung zu ersetzen. Zudem bilden Alternativmethoden bisweilen häufig nur Teilaspekte der äußerst komplexen Vorgänge im menschlichen Körper nach. Aus diesem Grund wird die Forschung in absehbarer Zeit auf Untersuchungen am lebenden Tier nicht völlig verzichten können, insbesondere, wenn es um komplexere Fragestellungen wie Kognition oder neuropsychiatrische Erkrankungen geht.

Forschungsprofil Biomedizinische Systeme

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