Wasserstoff als Hoffnungsträger

12. Juli 2022

Zur Woche des Wasserstoffs Süd kamen Ende Juni in Stuttgart Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaftler*innen der Universität Stuttgart und weiterer Einrichtungen zusammen, um über die aktuellen Entwicklungen zu diesem Energieträger zu sprechen.

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden – um dieses Ziel zu erreichen, kommt dem Ausbau erneuerbarer Energien ein wichtiger Part zu. Ein Stoff, der seit dem Ukraine-Krieg wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt, ist der Wasserstoff. Er ist als häufigstes chemische Element im Universum ein großer Hoffnungsträger, um der Klimakrise zu begegnen. Wird für die Elektrolyse, mittels derer Wasserstoff aus Wasser gewonnen wird, Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingesetzt, handelt es sich nämlich um „grünen Wasserstoff“. Wasserstoff könnte bei der energieintensiven Stahlproduktion die Kohle ersetzen und in der Chemieindustrie Prozesse klimaschonend werden lassen. Im Verkehrssektor ist der Einsatz von Wasserstoff als alternativer Kraftstoff für Fahrzeuge, Flugzeuge oder Schiffe denkbar.

Von Infrastruktur bis Import

Es gelte, eine Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland und Europa aufzubauen, betonte der Wasserstoffbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Stefan Kaufmann, und die Fragen der Produktion, des Imports, Transports und der Speicherung des Wasserstoffs seien zu klären. Bis 2030 will die Bundesregierung in Deutschland eine Elektrolyseleistung für grünen Wasserstoff von 10 Gigawatt aufbauen. Gesucht werden Partnerschaften mit Ländern in wind- und sonnenreichen Regionen der Erde. Per Schiff könnte etwa grüner Wasserstoff in Form von Ammoniak aus Australien importiert werden.

Universität Stuttgart – H2 in der DNA

„In der DNA der Universität Stuttgart ist der Wasserstoff enthalten, von der Grundlagenforschung bis hin zu anwendungsbezogenen Projekten“, betonte Prof. Peter Middendorf, der Prorektor für Wissens- und Technologietransfer der Universität Stuttgart. Für eine zukunftsorientierte Ausbildung des Ingenieurnachwuchses wünsche er sich mehr Klarheit hinsichtlich der Strategie des Bundes, sagte Middendorf. Als Leiter des Instituts für Flugzeugbau erklärte er, hinsichtlich der Luftfahrt biete Wasserstoff ein besonderes Potenzial bei Langstreckenflügen, die notwendige Infrastruktur an den Flughäfen zu schaffen, sei jedoch nicht einfach.

Die Teilnehmer*innen der Diskussionsrunde: Prof. Alexander Sauer, Dr. Martina Schwarz, Dr. Klaus-Jürgen Benzinger, Prof. Peter Middendorf, Prof. Stefan Weihe, Dr. Stefan Kaufmann, Prof. Michael Bargende, Michael Just, Dr. Florian Herrmann.

Der Ingenieurnachwuchs in Deutschland sei nach Abschluss des Studiums „ready to use“, hob Prof. Dr. Michael Bargende, der den Lehrstuhl Fahrzeugantriebe am Institut für Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart (IFS) innehat, lobend hervor. In Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) verbindet das IFS die universitäre Grundlagenforschung mit angewandter Auftragsforschung. Aktuell würden weitere Wasserstoff-Prüfstände aufgebaut, so Bargende. Das Thermomanagement der Brennstoffzelle nannte er eine große Herausforderung und gab zu bedenken, dass Ammoniak, direkt als Kraftstoff genutzt, Fahrzeuge derzeit noch zu „Stickoxid-Schleudern“ mache. „Interdisziplinarität ist heute gelebte Praxis“ sagte Bargende, und verwies etwa auf die Zusammenarbeit mit der ENBW, um alternative Mobilitätskonzepte umzusetzen.

Verfahren müssen zuverlässig sein

Um eine nachhaltige Revolution mit Wasserstoff zu erreichen, müssen die Verfahren funktionieren und zuverlässig laufen, betonte Prof. Dr. Stefan Weihe, der Geschäftsführende Direktor der Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart. Wasserstoff, so Weihe, sei nämlich ein durchaus herausforderndes Medium. Das kleinste aller Atome diffundiert zwischen Metallatome und kann so einen Werkstoff aufgrund der sogenannten Wasserstoffversprödung ohne äußere Anzeichen schlagartig zerbersten lassen. Entlang der ganzen Prozesskette bedeute dies, auf die Auswahl der Werkstoffe zu achten, die in direkten Kontakt mit dem Wasserstoff kommen. Die MPA sehe sich als Partner für viele Institutionen, um die Wende hin zum Wasserstoff erfolgreich werden zu lassen, sagte Stefan Weihe.

„Die Qualität der Brennstoffzellen ist wichtig“, sagte Prof. Dr. Alexander Sauer, der Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) an der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), wichtig sei aber auch, deren Fertigungskosten zu reduzieren, um ihren Einsatz wettbewerbsfähig zu machen. Eine automatisierte Brennstoffzellenmontage für die industrielle Massenfertigung werde aktuell in Freudenstadt am Campus Schwarzwald aufgebaut. Weiteres wichtiges Ziel sei es, die Wasserstofftechnologie für die mobile und stationäre Nutzung als Energieträger nutzbar zu machen.

Neue Wege in der Wasserstoff-Wirtschaft

Unternehmen, öffentliche Institutionen und Regionen unterstützt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) bei allen Fragen rund um die Wasserstoffwirtschaft. Der Stellvertretende Institutsleiter, Dr. Florian Herrmann, verwies auf eine für Baden-Württemberg fertiggestellte Wasserstoff-Roadmap und das große Potenzial, das sich sektorenübergreifend für Wasserstoff biete. „Neue Ansätze sind wichtig, Netzwerke und Kooperationen müssen aufgebaut werden“, sagte Herrmann. In der Wasserstoff-Wirtschaft würden neue Wege begangen, so etwa würden Autobauer nun auch zu Kraftstoffproduzenten werden.

eFuels sind ein Beispiel für synthetische Kraftstoffe, in deren Produktion Automobilunternehmen investieren. Mithilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen, ist die Herstellung von eFuels, die ähnliche Eigenschaften wie Benzin und Diesel aufweisen, klimaneutral, führte Michael Just vom VDI-Arbeitskreis “eFuels und Wasserstoff“ aus. 2020 war dieser von E-Fuels Now gegründet worden, einer Gruppe von Ingenieuren und Fortschrittsbegeisterten, die sich für das Thema synthetische Kraftstoffe einsetzen.

Dr. Klaus-Jürgen Benzinger vom VDI Südwest erhofft sich von den Hochschulen und Universitäten eine an die aktuellen Entwicklungen angepasste Ingenieurausbildung. Als VDI werde man den Ingenieuren „draußen“ dabei helfen, die Transformation zu meistern, sagte Benzinger und betonte: „Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie, wie in Stuttgart über die Verbandsarbeit des VDI, ist wichtig, und von Vorteil im internationalen Wettbewerb.“

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