Neue Erkenntnisse zur Genregulation

17. Mai 2021

Die Arbeitsgruppe um Dr. Philipp Rathert am Institut für Biochemie und Technische Biochemie erforscht die Regulation epigenetischer Netzwerke bestimmter Krebserkrankungen und Möglichkeiten zu deren Therapie. Ihre neuen Erkenntnisse hat die Arbeitsgruppe im April veröffentlicht. Wir stellen sie in der Reihe Publizieren! vor.
[Foto: Alexander Bröhm, adopted from pikisuperstar - freepik.com]

Die Epigenetik-Forschung ist eine relativ junge Disziplin der Biologie. Epigenetische Mechanismen regulieren, welche Erbinformationen wann und wie genutzt werden. Sie spielen damit eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Aktivität von Genen. Die epigenetischen Modifikationen steuern die Genaktivität individuell in jeder einzelnen Zelle. Die kausalen Zusammenhänge der verschiedenen Prozesse sind komplex und bisher noch unvollständig verstanden. Bei verschiedenen Krankheiten, z.B. bei bestimmten Krebsarten, sind die epigenetische Prozesse gestört. Die dadurch gesteuerten Genexpressionsprogramme werden fehlerhaft ausgeführt und unter Umständen entsteht ein abnormales Zellwachstum. Jüngste Fortschritte in der Genomanalyse zeigen, dass Mutationen in Enzymen, die für diese Modifikationen verantwortlich sind, bei Krebs besonders häufig vorkommen. In diesem Bereich setzen die Forschungen der Arbeitsgruppe um Dr. Philipp Rathert am Institut für Biochemie und Technische Biochemie der Universität Stuttgart an. In ihrer Veröffentlichung in Nucleic Acids Research beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse über die Regulationsmechanismen rund um das Enzym LSD1.

Originalpublikation
Pinter, Sabine; Knodel, Franziska; Choudalakis, Michel; Schnee, Philipp; Kroll, Carolin; Fuchs, Marina; Broehm, Alexander; Weirich, Sara; Roth, Mareike; Eisler, Stephan A;  Zuber, Johannes; Jeltsch, Albert; Rathert, Philipp. (2021) A functional LSD1 coregulator screen reveals a novel transcriptional regulatory cascade connecting R-loop homeostasis with epigenetic regulation. In: Nucleic Acids Research, Volume 49, Issue 8, 7 May 2021, Pages 4350–4370, https://doi.org/10.1093/nar/.

Neue Ansätze zur Behandlung von Krankheiten

Die Epigenetik bietet nicht nur neue Ansätze für das Verständnis der Krankheitsprozesse, sondern auch neue Ansätze um diese zu behandeln. „Die Diagnostik von Krankheiten über bestimmte epigenetische Modifikationen und die Therapie dieser Krankheiten mittels Inhibitoren gegen epigenetische regulatorische Enzyme sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken“, erklärt Dr. Philipp Rathert.

Protein-Netzwerke regulieren Genaktivität sehr spezifisch

Eine zentrale Frage ist, wie die Proteine und Enzyme, die an der Regulation der epigenetischen Prozesse beteiligt sind, miteinander interagieren, um Gene zum richtigen Zeitpunkt ein- oder auszuschalten und so einen gesunden Zellzustand zu etablieren und zu erhalten. Die meisten Enzyme arbeiten in großen Molekülkomplexen mit einer Vielzahl von Protein-Untereinheiten. Diese Untereinheiten üben für sich allein betrachtet eine spezifische Funktion aus, regulieren sich im Komplex darüber hinaus auch gegenseitig. Zudem beeinflussen sich unterschiedliche Komplexe. Auf diese Weise entstehen komplizierte regulatorische Protein-Netzwerke, die die Genaktivität sehr spezifisch regulieren.

Dr. Philipp Rathert mit einem Teil seiner Arbeitsgruppe (von links nach rechts: Franziska Knodel, Tabea Bauer, Ann-Katrin Löffler, Katrin Collmar, Sabine Pinter) am Institut für Biochemie und Technische Biochemie.

Erforschung der Kommunikation verschiedener regulatorischer Netzwerke

Die Stuttgarter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen, wie die komplexen epigenetischen regulatorischen Netzwerke, die mehrere tausend Gene kontrollieren, miteinander kommunizieren. Bis dato waren die Zusammenhänge innerhalb dieser epigenetischen Netzwerke nur sehr umständlich aufzuklären. Um diese Beziehungen besser zu verstehen und letztendlich innovative Therapiestrategien und/oder neuartige Biomarker zu identifizieren, wendet die Arbeitsgruppe eine Vielzahl genetischer Instrumente an. Hierbei werden modernste funktionelle Gentechnik (RNAi oder CRISPR) mit fluoreszenzbasierten Reportersystemen kombiniert, die in das Genom von Zellen integriert werden. Auf diese Weise analysieren die Forscherinnen und Forscher die Funktion von einzelnen Untereinheiten verschiedenster Komplexe. In der aktuellen Veröffentlichung beschreibt die Gruppe von Philipp Rathert einen neuartigen Ansatz zur Untersuchung des regulatorischen Netzwerks der Histon-Demethylase LSD1.

Modell der LSD1-induzierten regulatorischen Kaskade zur Regulation von essentiellen Genen.

Untersuchungen eines Enzyms, das einen Ansatz zur Krebstherapie bietet

Das Enzym LSD1 hat sich in den letzten Jahren als möglicher Angriffspunkt zur Entwicklung von Krebsmedikamenten, insbesondere gegen Leukämie und Lungenkrebs, herauskristallisiert. Doch warum die Inhibition von LSD1 bei einigen Krebsarten wirksam ist und bei anderen kaum Effekte zeigt, ist bisher noch relativ unklar und hängt vermutlich mit der Zusammensetzung des regulatorischen Netzwerkes von LSD1 zusammen.

Um dies näher zu erforschen, etablierte das Team ein neuartiges fluoreszenzbasiertes Reportersystem, das die LSD1-Aktivität in lebenden Zellen analysieren kann. Durch die innovative Kombination des Reportersystems mit einem RNAi-Screening-Verfahren, konnten die Stuttgarter Forscherinnen und Forscher Koregulatoren von LSD1 umfassend charakterisieren und neue Regulatoren von LSD1 identifizieren. Die anschließende Analyse der biologischen Funktion lieferte Hinweise auf einen neuartigen Genregulationsmechanismus von LSD1. Diese Information vertieft das Verständnis über die Entstehung von Krebs und gibt Aufschluss über mögliche neue Angriffspunkte zur Entwicklung von Kombinationstherapien.

Die Erforschung und Nutzung epigenetischer Information und ihrer komplexen Regulationswege wird in Zukunft ein zentraler Beitrag für das systembiologische Verständnis biologischer Prozesse leisten, ist der Biochemiker Rathert überzeugt.

Nach seiner Doktorarbeit auf dem Gebiet der Epigenetik war Philipp Rathert vier Jahre in der industriellen Forschung tätig. Er entwickelte Methoden zur Untersuchung epigenetischer Prozesse und war in der präklinischen Wirkstoff-Entwicklung daran beteiligt, Inhibitoren für epigenetische Regulatoren zu identifizieren. Während dieser Zeit wurde ihm bewusst, wie wichtig die Aufklärung von neuen Zielproteinen als Angriffspunkt zur Behandlung von Krankheiten wie Krebs sind, bevor man in die Entwicklung von Inhibitoren investieren kann. Bei dem international renommierten Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien beschäftigte Rathert sich damit, mittels innovativer genetischer Verfahren neue Angriffspunkte für zielgerichtete Krebstherapien zu identifizieren. An der Universität Stuttgart untersucht der Biochemiker neben epigenetischen Netzwerken noch Resistenzmechanismen, die für die Krebstherapie von Bedeutung sind.

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