Benedikt Ehinger selbst bezeichnet sich schlicht als Gehirnforscher. Etwas wissenschaftlicher gesprochen verbergen sich dahinter die Bereiche visuelle Kognitionswissenschaft, Verhaltens-, EEG- und Eye-Tracking-Experimente und statistische Modellierung. Ehingers Schwerpunkt ist das Sehen - von Augenbewegungen bis zum blinden Fleck. Augenbewegungen sind die häufigste Bewegung, die ein Mensch durchführt - mehr als 100.000 Mal pro Tag. Die Auswirkungen dieser Bewegungen auf das Sehen und die Gehirnaktivitäten sind enorm. So bewirkt beispielsweise eine Augenbewegung vom Schreibtisch nach draußen eine vollständige Änderung dessen, was wir sehen. „Das fasziniert mich schon lange und ich möchte ein tiefgehendes Verständnis von der Ursache und Wirkung unserer Augenbewegungen auf unser Gehirn erlangen“, beschreibt Ehinger sein Forschungsinteresse. „Dazu muss man sich die Hirnaktivität während der Augenbewegung anschauen, und genau an dieser Schnittstelle bin ich dran.“
Daran anknüpfend beschäftigt sich Ehinger viel mit statistischen Methoden, im Speziellen zu Hirnströmen. Diese sehr kleinen Hirnströme sind schwer zu messen und zu interpretieren, erlauben aber äußerst vielfältige und einzigartige Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns. In seinem Labor wird Ehinger zunächst eine methodisch fundierte Basis für die Analyse von Hirnstromdaten unter Augenbewegungen und anderen Bewegungen (z.B. bewegte Bilder, aber auch bewegte Arme, Beine etc.) entwickeln. Auf dieser Basis sollen dann die Methodiken mit kognitiven Modellen verbunden werden.
„Mit seinen Messungen von Blickpunktverhalten und Gehirnströmen kombiniert Ehinger experimentelle Ansätze, die viele Daten generieren, mit statistischer Modellierung der zugrundeliegenden kognitiven Prozesse und steht damit exemplarisch für daten-integrierte Simulationswissenschaft“, betont der Sprecher des Exzellenzclusters „Daten-integrierte Simulationswissenschaft“, Prof. Thomas Ertl, anlässlich der Begrüßung des neuen SimTech-Professors. „Mit Benedikt Ehinger konnten wir einen ausgezeichneten Nachwuchswissenschaftler für die Universität Stuttgart gewinnen, der die Forschung im Exzellenzcluster SimTech insbesondere im Projektnetzwerk Adaptive Simulation und Interaktion bereichern wird.“
Auch für Ehinger selbst ist Simtech ein attraktives Umfeld. „SimTech ist sehr stark in dem Themengebiet der großen Daten und natürlich der Simulation. Große Daten hat man bei Hirnmessungen sehr schnell, Simulationen von realistischen Hirnstromexperimenten sind noch etwas komplizierter“, meint der Wissenschaftler, der zuletzt am Donders Institute in den Niederlanden tätig war. „Hier greifen wir mehr auf kognitive Modelle zurück, die ja schlussendlich auch eine (stark vereinfachte) Simulation des Menschen sind. Die Kombination beider Felder ist sehr spannend und zukunftsträchtig.“
Über Benedikt Ehinger
Benedikt Ehinger, geboren 1989 in Oberschwaben, hat in Osnabrück Kognitionswissenschaften studiert und promoviert. Ab 2018 war er Post-Doc im Predictive Brain Lab am Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in den Niederlanden, einem Forschungsinstitut für Kognitive Neurowissenschaften. 2019 wurde ihm der Inpjin-Bakker-Grundwald-Preis für Exzellente Nachwuchswissenschaft verliehen. Zum 1. August übernimmt er nun die SimTech-Tenure-Track-Professur Computational Cognitive Systems.
Kontakt
Jun.-Prof. Benedikt Ehinger, Universität Stuttgart, Exzellenzcluster SimTech, Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme, Abteilung Computational Cognitive Science, E-Mail