Die Selber­mach­werkstatt für digitale Lehre

11.05.2022 | Makerspace in Vaihingen eröffnet

Einen Makerspace auf dem Campus Vaihingen im „Universum“ eröffnete jüngst das Projekt „MakEd_digital“. 3D-Drucker, Lasercutter, Web- und Stickmaschinen sowie zahlreiche weitere digitale Werkzeuge bietet das Kreativlabor im Pfaffenwaldring 45. Auch Workshops und Didaktik-Veranstaltungen finden in dem Raum statt.

Über 25.000 E-Mails hatte Sannah König mit dem Stuttgarter MakEd_digital-Team am 22. April verschickt. Alle Studierenden und Lehrenden der Universität Stuttgart bekamen eine Einladung, sich für eine Führung im neuen Makerspace anzumelden. Es gab 180 Rundgang-Plätze. Binnen 24 Stunden waren alle Termine für den 27. April zwischen 14 und 18 Uhr ausgebucht. Die Attraktion ist schließlich groß: Im „Universum“, einem Raum im Vaihinger Mensagebäude, wo in früheren Semestern in der Campus-Diskothek Tanzfreudige ausgelassene Stunden zu wummernder Musik verbrachten, haben die Beteiligten des Kooperationsprojekts eine digitale Kreativwerkstatt eingerichtet.

Ein 3D-Schriftzug „Makerspace“ im Tiefziehgerät.

Es lohnte sich, zu kommen. Zum einen, weil die Projektmitarbeitenden begeistert erzählten und präsentierten, was sie mit ihrem Making-Projekt vorhaben. Zum anderen, weil die Ausstattung des Makerspaces sehenswert ist.

Erziehung digital machen

„MakEd digital, Make, education, digital – Erziehung, digital, machen – das ist der Projektname und auch unser Anliegen“, erklärt der Hochschullehrer der Amerikanistik, leidenschaftliche Pädagoge und Projektmitarbeiter Richard Powers zu Beginn der ersten Führung. Im Gespräch mit den rund 20 Personen, die sich eingefunden haben, lädt er dazu ein, das zu Sehende bereits gedanklich in zukünftige Unterrichtsgestaltung einzubringen.

Je ein anderes Teammitglied führt die Interessierten im 20-Minuten-Takt durch den Raum im Erdgeschoss des Mensagebäudes. Geräumig ist es, trotz den vielen Tischen, Bildschirmen und Maschinen. Bunte Glitzerluftballons hängen an der rückwärtigen Betonwand. Durch schmale Fensterstreifen zum Vorplatz hin dringt viel Licht in das fünf Meter hohe Macher-Labor. Direkt neben der Ausgangstür lädt eine kreative Sitzecke in Neonfarben zum Konzipieren ein. Das Team nennt diesen Bereich antragsgemäß „lehrbegleitendes Raumstrukturelement zur Lernreflexion und Förderung interpersoneller Kompetenzen“.

Das Stuttgarter MakEd_digital-Team versammelt Expertinnen und Experten aus Informatik, Erziehungs- und Ingenieurwissenschaften. Angesiedelt sind die Personen für ihren Projektauftrag alle bei den Technischen Informations- und Kommunikationsdiensten (TIK). So verschieden ihre Fachbereiche sind – gemeinsam ist allen die Freude am Tun, am kreativen Schaffen. Besonders groß ist ihre Begeisterung darüber, welche schier unendlichen Möglichkeiten und Flexibilität digitale, also computergestützte Geräte bieten.

Dass es einen Ort zum Basteln gibt, lockt auch einzelne Interessierte mit konkreten Fragen in den Raum. Ulf Kunze, der gerade einen achtbeinigen Roboter zum Laufen bringen will, denkt sich bereitwillig in das Vorhaben eines Studenten ein, wie dieser eine Computersteuerung umsetzen möchte.

Die Zukunft des Unterrichts wird digitaler

Mobile Arbeitstische und flexible Raumgestaltung bestimmen die Ausstattung.

Währenddessen werden die Gäste zum zweiten Rundgang begrüßt. Trotz unterschiedlichen Schwerpunkten sehen alle Besuchenden denselben Rundgang. Drei große mobile Arbeitstische bilden den Einstieg. Sie lassen sich auf Rädern verschieben, in der Höhe verstellen und für vernetztes Arbeiten nutzen – auch vom Rollstuhl aus, denn sie sind unterfahrbar.

Lehrerinnen und Lehrern werde eine gewisse Scheu vor Technik nachgesagt, erzählen manche Projektmitarbeitende unter der Hand. Dabei zeigten insbesondere die Pandemie und die digitalen Semester, dass auch die Zukunft des Unterrichts immer mehr digital sein werde. Aus diesem Grund bekam das Projektvorhaben den Förderungszuschlag des Bildungsministeriums bei der aktuellen Runde der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“.

Seit 2020 konzipiert, beschafft, experimentiert das MakEd_digital-Team nun, um Studierenden und Dozierenden das optimale digitale Feld und beste Methoden für digitalen Unterricht zu bieten. Makerspaces an verteilten Standorten sollen eingeführt werden, in Ludwigsburg und auf den Campus der Universität. Auch einen mobilen Makerspace plant eine Teilgruppe. In Stuttgart wurde nun der „Universum“-Makerspace fertig.

Origami-Faltkunst und ein digitaler Webstuhl

Als hätte ein zwölfjähriges Kind alle seine Actionfiguren und weiteren Nippes aus dem Schrank geräumt – so sieht der dritte Tisch am Eröffnungstag aus. Ein bedrohlicher Drache aus einer Kinderserie, mathematische 3D-Puzzles, ein physikalisches Spielzeug, bei dem der obere Bestandteil scheinbar mit Fäden von unten gehalten wird – wer sich gerne ablenken lässt, würde bereits bei diesen 3D-Druckerzeugnissen hängen bleiben und den Rest der Führung verpassen. Die Ausstellungsstücke hat alle das Projektteam als Prototypen erstellt, um Geräte und Möglichkeiten zu testen. Ihnen voran gingen Modelle am Computer.

Eine Origami-Faltkunst liegt ebenfalls auf dem Tisch. Was zunächst nach Bastelei im Müßiggang klingt, ist eine Methode, die auch in der Raumfahrt vorkommt, erläutert Sannah König bei ihrem Rundgang. Der Sonnenschild des James-Webb-Teleskop entfaltete sich beispielsweise jüngst wie ein kompliziertes Origami.

Der Webstuhl in der Ecke erinnert an den Grundschulunterricht für textiles Gestalten. Nur ist er digital. Muster lassen sich am Computer erstellen, das mechanische Holzgestell webt die Fasern dann entsprechend selbst. Die Lochkarten, früheste Speichermedien der Informatik, stammten ursprünglich von mechanischen Webstühlen, dürfen die Besuchenden lernen. Die Textilbranche war also schon digital, ehe es Computer gab.

Die Drucker bauen sich selbst

Die Kamerahalterung hat das Gerät selbst gedruckt.
Links ein Oszillator, in der Mitte die Transferpresse, rechts das Tiefziehgerät.

Acht 3D-Drucker mit orangen Plastikhalterungen stehen aufgereiht in einem Werkstattregal in der nächsten Ecke. Einige von ihnen bewegen scheinbar selbstständig ihre präzisen Düsen über ihre Metallfläche. Feine orange Kunststoffstränge legen sich über ebenso orange Objekte, die Strich für Strich in die Höhe wachsen. Ein Drucker beendet gerade seine Arbeit. Druckerwart Thomas Orgeldinger nimmt das entstandene Objekt in die Hand und steckt es dem Drucker vorne auf: „Das ist ein Kamerahalter. Zukünftig soll jeder Drucker eine Kamera haben. Dann können wir auf einem Bildschirm sehen, ob die Maschinen das machen, was sie sollen.“ – Die Drucker bauen sich also teilweise selbst.

Eher für Flaches ist der Schneideplotter zuständig. Vinylkarten, Aufkleberfolien und andere flache Kunststoffe kann er nach computergenerierten Schneidelinien zerteilen. Zwei digitale Näh- und Stickmaschinen stehen parat. Für die Gäste darf eine der beiden bei jedem Rundgang ihre beeindruckend flotte und präzise Arbeit an einem Stickmotiv auf einem Baumwollbeutel fortsetzen. Weitere Geräte dürfen – an diesem Tag stillstehend – für sich sprechen: Eine Transferpresse für T-Shirt-Folien und eine Tiefziehmaschine, um von 3D-Formen Abgüsse zu erstelle. Daneben hat sich eine Handvoll Oszilloskope für Experimente und Reparaturen zusammengekuschelt. Der Makerspace bekam sie aus der Elektrotechnik gespendet.

Maschinen und Methoden

Dem Projekt geht es nicht nur um Maschinen. Es geht auch um die Vermittlung von Methoden. Darum läuft auf einem Zeichendisplay eine kleine Animation mit Einladung zu einem Workshop. Maria Barnhart wird bei der Veranstaltung zeigen, wie Animationen mit dem Grafikprogramm erstellbar sind. Workshops finden wöchentlich statt und sind auf ILIAS angekündigt.

Brandflecken, rechteckige und ovale Lücken verteilen sich über eine große Pappelholzplatte. Sie liegt in einer Vertiefung eines großen roten Kastens, etwa so hoch wie eine Waschmaschine, nur etwas breiter. Das ist der Lasercutter. Er kann Holz, Acryl, Pappe, Papier – alles, was organisch ist – prägen und Schneiden. Die Maschine rauscht aufdringlich, wenn sie läuft. Das liegt daran, dass der Qualm, der entsteht, in einen weiteren großen roten Kasten abgesaugt wird.

Aus der Platte sind bisher die Namensschilder der Teammitglieder geschnitten. Zugegeben, eine Holzkarte mit graviertem Namen wirkt hochwertig. Auch dieses „Making“ wird natürlich per Computer gesteuert. Jan Vanvinkenroye schneidet und gestaltet für die draußen aufgestellten Pinnwände noch Schildchen. Ein neues Experimentierergebnis: In Holz gebrannte QR-Codes brauchen einen ziemlich großen Durchmesser, damit Kameras sie lesen können. Und die Vertiefungen werden nicht schwarz genug.

Jeden Werktag geöffnet

Bevor die Gäste zum Meet and Greet nach draußen dürfen, verewigen sie sich noch in einem Gästebuch mit anderthalb Metern Diagonale. Es ist natürlich ein digitales. Der Touch-Bildschirm dient an anderen Tagen als Leinwand. Große Grafiken lassen sich darauf mühelos erstellen, digitale Tafelbilder nahezu in Echtgröße entwerfen. Mit den dazugehörigen Stiften klappt das auch intuitiv, wie die Besucherinnen und Besucher feststellen.

Vor der Türe setzt sich die gute Stimmung in Gesprächen fort. Manche Studierende und Beschäftigte bleiben noch etwas, unterhalten sich über Wünsche, machen sich Gedanken über Methoden und pinnen sie an die Stellwände. König und Barnhart rekrutieren erfolgreich Studierende, die sich in der MakEd_digital-Community engagieren möchten. Denn der neue Makerspace im „Universum“ soll nicht nur an ausgewählten Tagen geöffnet sein. Seit dem Soft-Opening ist jeden Werktag geöffnet. Die genauen Öffnungszeiten sowie Zeitfenster, die für Workshops oder Didaktik-Vorlesungen geblockt sind, stehen immer aktuell im Makerspace-Kalender auf ILIAS. Wer für den Rundgang keinen Platz mehr bekam, kann gerne direkt vorbeikommen und sich inspirieren lassen.

Am Tag der Wissenschaft geöffnet

Am 25. Juni 2022 ist Tag der Wissenschaft. Auch das Makerspace öffnet für Sie im Pfaffenwaldring 45 die Türen und gewährt Ihnen Einblicke in den neuen digitalen Kreativraum.

Das Projekt MakEd_digital ist ein Projekt im Rahmen der Professional School of Education (PSE) Stuttgart-Ludwigsburg. Die Universität Stuttgart und drei Hochschulen der Region haben sich im Frühjahr 2020 zusammengetan, um Lehramtsstudierende und Hochschullehrende dabei zu unterstützen, fit zu werden für das digitale Lehren. Im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung finanziert das Land Baden-Württemberg die Projektarbeit.

Kontakt

Dieses Bild zeigt Ulrich Fries

Ulrich Fries

 

Wissenschaftsmanager

 

Hochschul­kommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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