Interview mit Martina Baggio: Doktorandin gewinnt Amelia Earhart Award

Im Interview erzählt die Doktorandin der Universität Stuttgart wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verhindern, dass Wassertropfen auf dem Flügel eines Flugzeugs einfrieren und was die Preisträgerin an der Pilotin Amelia Earhart schätzt.

Die drei Doktorandinnen Martina Baggio, Ariane Exle und Karin Schlottke von der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart gewinnen den mit je 10.000 US-Dollar dotierten Amelia Earhart Fellowship Award. Der Preis wird von Zonta International vergeben. Zonta zeichnet junge Wissenschaftlerinnen aus, die wie Amelia Earhart Pionierleistungen der Luft- und Raumfahrttechnik erbracht haben.

Martina Baggio erhält den Amelia Earhart Fellowship Award von Zonta International.

Frau Baggio, was erforschen Sie in Ihrer Doktorarbeit? 

Martina Baggio (MB): Das Thema meiner Forschung ist die Direkte Numerische Simulation (DNS) von Tropfenaufprall auf superhydrophobe, strukturierte Oberflächen. Am Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR) haben wir unseren in-house Code für die DNS von Mehrphasenströmungen: Free Surface 3D (FS3D). Eine meiner Aufgaben war die Erweiterung von FS3D, um die Interaktion von einem Mehrphasensystem mit einer komplexen, strukturierten Oberfläche berechnen zu können. FS3D basiert auf einem cartesischen, rechtwinkligen Gitter und die Anpassung solcher Gitter auf komplexen Geometrien ist alles andere als trivial. Ich habe eine Methode dafür entwickelt und Simulationen für Tropfenaufprall auf superhydrobhoben Oberflächen verschiedener Form durchgeführt. Der Vergleich mit verschiedenen Fällen aus der Literatur hat gezeigt, dass das Verfahren das Phänomen sehr gut abbilden kann.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie Ihre Forschung angewandt wird und in Zukunft eingesetzt werden soll?

MB: Der Tropfenaufprall ist ein häufiges Phänomen in der Luftfahrttechnik. Im Flug prallen zum Beispiel unterkühlte Wassertropfen auf die Flügel des Flugzeugs. Es ist sehr wichtig, dass diese Tropfen nicht anfrieren, sonst würde das damit entstehende Eis die Aerodynamik des Tragflügels beeinträchtigen. Eine mögliche Lösung ist es, superhydrophobe Beschichtungen zu benutzen. Es ist bekannt, dass sich die Kontaktdauer zwischen einem Tropfen und einer glatten superhydrophobe Oberfläche nicht unter eine bestimmte Schwelle reduzieren lässt. Es wurde nun gezeigt, dass die Anwendung von kleinen Strukturen, wie Rippen oder Drähten, zu einer weiteren Minimierung der Kontaktdauer  führen kann, da die Hydrodynamik des Aufpralls geändert wird. Numerische Simulationen helfen dabei, diese Phänomene zu verstehen, weil sie Daten liefern, die experimentell sehr schwer zu messen sind.

Wozu nutzen Sie das Preisgeld des Stipendiums?

MB: Die Auszeichnung der Amelia Earhart Fellowship war für mich eine Ehre und ein unerwartetes Ereignis. Ich möchte daher das Preisgeld entsprechend ausgeben. Mein Plan ist es, in meine Weiterbildung zu investieren, zum Beispiel würde ich mir bessere Kenntnisse in IT und Programmierung wünschen.

Sie bekommen einen Preis, der zu Ehren von Amelia Earhart gegründet wurde. Kannten Sie die berühmte Pilotin vor Ihrer Bewerbung? 

MB: Vor meiner Bewerbung wusste ich, dass Amelia Earhart eine berühmte Pilotin war, über ihr Leben wusste ich ansonsten nicht viel. Als ich von dem Stipendium hörte, habe ich mich für die Biographie von Amelia interessiert. Ich schätze ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft an ihr. Sie war eine Frau der Tat. Ihre Abenteuer beim Fliegen waren sicherlich beeindruckend, aber vor allem finde ich ihr Vorbild sehr wichtig, weil sie sich gegen geschlechtsspezifische Stereotypen eingesetzt hat.  Sie hat gezeigt, dass das Geschlecht keine Beschränkung der eigenen Wünsche sein muss. Ich denke, dass wir es Frauen wie Amelia zu verdanken haben, dass sich heute die Situation für Frauen in Bereichen wie Technik oder Ingenieur- und Naturwissensschaften so deutlich verbessert hat.

Was ist Ihr berufliches Ziel für die Zukunft?

MB: Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht genau, wie mein zukünftiger Beruf aussehen wird. Es wird davon abhängen, was für Gelegenheiten sich bieten. Idealerweise würde ich mir einen Beruf wünschen, wo ich kreativ sein darf und neue Kenntnisse erwerbe. Ich denke, dass viele Berufe diesen Kriterien entsprechen, wenn man die richtige Einstellung hat. Gerne würde ich mich weiter mit Softwareentwicklung beschäftigen. Es klingt vielleicht etwas übertrieben, aber ich bin der Meinung, dass Programmieren eine Art von Kunst ist.

Artikel zur Preisverleihung

Zum Seitenanfang