Vorstellung des Gleichstellungsberichts

19. Juli 2021

Professorin Nicole Radde stellt den Bericht der Gleichstellungsbeauftragten vor.

Porträt der Gleichstellungsbeauftragten Dr. Nicole Radde
Gleichstellungsbeauftragte Dr. Nicole Radde

Am vergangenen Mittwoch stellte Professorin Nicole Radde in der gemeinsamen, öffentlichen Sitzung von Senat und Universitätsrat ihren Jahresbericht als Gleichstellungsbeauftragte vor. Dieser sei eigentlich ein „Triplebericht“, denn aus unterschiedlichen Gründen seien seit dem letzten öffentlichen Bericht für den Zeitraum Januar 2017 bis März 2018 im Frühjahr 2019 die eigentlich vorgesehenen Termine erst mehrfach verschoben und zuletzt coronabedingt abgesagt worden.

Mehr Professorinnen, Stagnation im Mittelbau und Corona als Handicap für Studentinnen und Wissenschaftlerinnen mit Familie

Zu Beginn ihres Gleichstellungsberichts verwies Radde auf die Belastungen von – vor allem – weiblichen Universitätsangehörigen mit Care-Aufgaben durch die Corona-Pandemie. Anhand von Beispielen einer Studentin, einer Akademischen Mitarbeiterin und einer Führungskraft schilderte sie eindrücklich die Auswirkungen der Pandemie angesichts der Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen. Diese Mehrbelastung von Personen mit Care-Aufgaben müsse auch in der Leistungsbewertung berücksichtigt und sichtbar gemacht werden. In den kommenden Jahren gehe es insbesondere darum, dafür zu sorgen, dass sich die aus der Pandemie resultierenden Nachteile für die betroffenen Personen (schlechtere Noten aufgrund weniger Zeit und Ruhe zum Lernen, längere Qualifikationsdauer, Verzögerung im Projektablauf aufgrund geschlossener Labore und fehlender Materialien, weniger Publikationen oder Drittmitteleinwerbungen,…) nicht negativ auf die Chancengleichheit in Stellenbesetzungs- und Berufungsverfahren auswirkten. Hier appellierte sie dringend an die Universitätsleitung, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die dazu beitrügen, vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen nicht aus dem akademischen System zu verlieren.

Die Entwicklung der Frauenanteile an der Universität Stuttgart

Nach einem Überblick über die seit der Schaffung des Prorektorats für wissenschaftlichen Nachwuchs und Diversity vorgenommenen strukturellen Änderungen mit Auswirkungen für die Gleichstellungsarbeit an der Universität Stuttgart warf Professorin Radde einen kritischen Blick auf die Entwicklung der Frauenanteile auf den verschiedenen Qualifikationsstufen der akademischen Karriere in den letzten beiden Dekaden.

Hinsichtlich der Steigerung der Studentinnenanteile sei der Einfluss der Universität zwar begrenzt, doch zeigten Studienorientierungsprojekte wie das Projekt TryScience des Gleichstellungsreferats großes Interesse gerade auch bei Schülerinnen. Hier sei es wichtig, vor allem die kopfstärksten Studiengänge in den Schwerpunktfächern der Universität attraktiver für junge Frauen zu machen, um von der langsamen, aber stetigen Steigerung des letzten Jahrzehnts auf nunmehr 34,2% zu einer signifikanten Steigerung der Studentinnenanteile zu kommen.

Im Akademischen Mittelbau (Frauenanteil 26,2%) hingegen komme man seit Jahren nicht so recht voran, was vor allem daran liege, dass die Stellen dort dezentral und häufig noch ohne strukturierte Stellenbesetzungsverfahren besetzt würden. Da auch die DFG in ihren „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ inzwischen „klare und schriftlich festgelegte Verfahren und Grundsätze für die Personalauswahl und die Personalentwicklung sowie für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit“ zur Grundvoraussetzung für eine Förderung mache, sei es an der Zeit, hieran etwas zu ändern. Wenn dabei auch das Prinzip der aktiven Rekrutierung von Bewerberinnen, das bei Berufungsverfahren seit der LHG-Novelle verpflichtend vorgeschrieben sei, auch auf den Mittelbau übertragen werde, stünden die Chancen für eine Veränderung nicht schlecht, wie der Vergleich mit anderen TU9-Universitäten zeige.

Grafik der Leaky Pipeline an der Universität Stuttgart.
Der Begriff „Leaky Pipeline“ bezeichnet den absinkenden Frauenanteil auf den verschiedenen Qualifizierungsebenenen und Karrierestufen in der Wissenschaft.

Darüber hinaus müssten die Erfolgsstrategien bei der Gewinnung von Professorinnen auch im Nachwuchsbereich angewandt werden, um hinsichtlich der Frauenanteile im akademischen Mittelbau Fortschritte zu erzielen. Positiv wirkten sich dabei insbesondere strukturierte Verfahren aus, die für Transparenz hinsichtlich der Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern sorgten und die Einflüsse von unconscious bias minimierten. Dies habe bei den Berufungsverfahren der letzten Jahre immer besser funktioniert und zu deutlich mehr Rufen an Wissenschaftlerinnen geführt. Auffällig sei allerdings auch, dass diese deutlich häufiger als Männer ihre Rufe an die Universität Stuttgart ablehnten; die Gründe hierfür seien sicherlich vielfältig, allerdings gebe es hier ihrer Erfahrung nach auch noch „Luft nach oben“, was gendersensible Verhandlungsführung betreffe. Dennoch habe der Professorinnenanteil in den letzten drei Jahren einen beachtlichen Sprung um mehr als vier Prozentpunkte auf nunmehr 18,6% gemacht.

Im letzten Teil ihres Berichts stellte Professorin Radde die umfangreichen Maßnahmen vor, mit denen das Gleichstellungsreferat auch im letzten Jahr dazu beigetragen hat, Schüler*innen für die Universität Stuttgart zu gewinnen, Studentinnen zu stärken und für eine wissenschaftliche Karriere zu begeistern, (Nachwuchs-) Wissenschaftlerinnen sichtbar zu machen, strukturelle Hindernisse für Universitätsangehörige mit Familie abzubauen und universitätsweit für die Themen Chancengleichheit und Diversity zu sensibilisieren.

Fazit nach zwei Amtszeiten

Zum Abschluss zog Radde ein Fazit ihrer beiden Amtszeiten als Gleichstellungsbeauftragte: Das Amt sei ein sehr politisches mit vielen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten und gewähre umfassende Einblicke in Gremien und Entscheidungswege. Diese seien für sie ein großer Gewinn für ihre weitere Tätigkeit als Professorin, ebenso der Zuwachs an Erfahrung in Führung und Mitwirkung an der Hochschulentwicklung. Allerdings brauche man unbedingt eine Vision sowie Ideen, Tatendrang und Durchhaltevermögen, um in diesem Amt erfolgreich zu sein, denn noch immer sei Chancengleichheit von Frauen und Männern kein Selbstläufer. Es gebe jedoch gute Unterstützungsstrukturen an der Universität Stuttgart, und mit Vernetzung und Austausch auf der Basis des „Stuttgarter Wegs“ könne frau viel bewegen.

Mit Dank an ihre vielen Unterstützer*innen verabschiedete sich Nicole Radde als Gleichstellungsbeauftragte aus der Universitätsöffentlichkeit und wünschte ihrer Nachfolgerin, die in der letzten Senatssitzung des Sommersemesters gewählt werden soll, viel Erfolg. Rektor Professor Wolfram Ressel und Professor Bernhard Keimer, Vorsitzender des Universitätsrats, dankten ihrerseits Professorin Radde für ihr großes Engagement – ein Dank, dem sich auch viele Teilnehmer*innen der öffentlichen Sitzung von Senat und Universitätsrat via Chat anschlossen.

Der Gleichstellungsbericht als PDF

Den schriftlichen Bericht der Gleichstellungsbeauftragten können Sie ab sofort herunterladen. Der Bericht ist nicht-barrierefrei. Wenn Sie die Informationen nicht lesen können, kontaktieren Sie bitte das Gleichstellungsreferat.

Zum Seitenanfang