Leicht und leise gleitet das Solarflugzeug icaré über Mengen im Landkreis Sigmaringen hinweg. Während des Flugs sammeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Stuttgart Daten zur Navigation und Flugsteuerung. Dabei arbeiten das Institut für Flugzeugbau (IFB), das Institut für Flugmechanik und Flugregelung (IFR) und das Institut für Navigation (INS) zusammen.
An drei Flugtagen im August ist das Solarflugzeug bis zu zwei Stunden am Stück in der Luft und legt dabei etwa 80 Kilometer zurück. Neben Solarzellen und Propellern an den Flügelspitzen ist eine GPS-Antenne hinter dem Cockpit besonders auffällig. Sie misst die Position des Flugzeugs bis zu einer Genauigkeit von einem Zentimeter. Im Vergleich dazu sind GPS-Systeme in Handys oder Autos wesentlich ungenauer. Sie haben nur eine Genauigkeit von drei bis fünf Metern. Mit Hilfe der Antenne konnten zentimetergenaue Referenztrajektorien, das heißt Flugbahnen, aller Flüge bestimmt werden.
Um die Fluglage und Position zu vermessen, setzen die Forschenden bei den Flügen unter anderem faseroptische Kreiselsysteme, sogenannte IMUs, ein. Diese werden im Innenraum des Flugzeugs installiert. „Vereinfacht gesagt ist ein Kreisel eine dreidimensionale Wasserwaage, die in alle Richtungen funktioniert“, erklärt Johannes Schneider, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Flugzeugbau. „Die Kreiselsysteme messen, ob der Pilot das Flugzeug rollt, neigt oder giert und mit welcher Intensität die Bewegung erfolgt. Außerdem kann durch Integration aller gemessenen Bewegungen der IMUs auf die Position des Flugzeugs im Raum geschlossen werden.“
Forschende entwickeln Software für Flugtaxis
Die Geräte, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, unterscheiden sich hauptsächlich in der Genauigkeit. Durch die Messungen können die Forschenden verschiedene Systeme miteinander vergleichen und feststellen, wie gut die einzelnen Geräte arbeiten. Mit Hilfe der Daten wollen sie Algorithmen finden, die die Ungenauigkeit eines Geräts ausgleichen – vor allem im Hinblick auf die Lang- und Kurzzeitstabilität der IMUs. Die Wissenschaftler*innen am Institut für Navigation entwickeln dafür eine Software.
Die Ergebnisse dienen auch dazu, autonomes Fliegen in Zukunft sicherer und zuverlässiger zu machen. „Die sogenannte Urban Air Mobility (UAM), mit Hilfe von kleinen Flugtaxis (Personal Air Vehicles) ist gerade viel im Gespräch“, sagt Schneider. „Es werden kleine Fluggeräte für zwei bis vier Passagiere entwickelt, die in Zukunft auch autonom fliegen sollen. Dafür muss das Fluggerät zu jedem Zeitpunkt genau wissen welche Position es hat.
Weitere Tests der Flächenendpropeller am icaré
Prof. Andreas Strohmayer vom IFB und Prof. Walter Fichter vom IFR, sowie ihre Teams haben außerdem die Flugtests mit Flächenendpropellern zur Giersteuerung fortgesetzt. Diese wurden 2019 gemeinsam von den Instituten entwickelt und erstmals getestet. Die Piloten haben dabei neue Regelungsalgorithmen des IFR geprüft, die das koordinierte Fliegen von Kurven erleichtern und den Schiebewinkel automatisch reduzieren.
Das Projekt icaré
Das Solarflugzeug icaré wird seit fast 25 Jahren als Versuchsträger der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart betrieben. Die icarianer, wie sich die Mitarbeiter*innen des icaré-Projekts nennen, führten die dreitägigen Testflüge am neu geschaffenen Testfeld eFliegenBW am Verkehrslandeplatz Mengen durch. Unterstützt wird das Projekt der Flächenendantriebe durch den technischen Support der SFL GmbH, die eine Ausgründung der Universität Stuttgart ist. Werner „micro“ Scholz, ehemaliger Mitarbeiter am Institut für Flugzeugbau, war schon beim Bau des icaré beteiligt und führte als Pilot die Flugtests durch.