Wie Alumni Müll chemisch recyceln

20. Mai 2025

Es war eine Entscheidung über Nacht, aber die beste, die er treffen konnte. Jan Stein will mit seinem Start-up eine echte, nachhaltige Lösung in der Chemieindustrie etablieren. Was ihn und seine drei Mitbegründer motivierte, Cyclize zu gründen, verrät er im Interview.
[Bild: Cyclize]

Sie haben noch während Ihres Bachelor-Studiums ein Start-up gegründet. Was hat Sie motiviert, diesen Schritt zu gehen?

Jan Stein: Ich habe Elektrotechnik und Informationstechnik im Bachelor an der Universität Stuttgart studiert. Während meiner Abschlussarbeit am Institut für Photovoltaik habe ich meine Mitbegründer Maike Lambarth und Stephan Renninger kennengelernt. Wir haben uns damit beschäftigt, wie man mithilfe einer leistungselektronischen Plasmatechnologie CO2 spalten kann. Maike und Stephan fragten mich, ob ich Lust hätte, diese Technologie mit ihnen und Dominik Novakovic in die Anwendung zu bringen. Ich sagte, ich denke mal noch einen Abend darüber nach. Am nächsten Tag habe ich gesagt: Ich mach’s! Danach haben wir direkt den Antrag für einen Exist-Forschungstransfer geschrieben und unser Start-up Cyclize gegründet.

Jan Stein wagte den Schritt ein Start-up zu gründen noch während seines Studiums. Sein Engagement zeichnet sich aus - er gehört zu den "30 Under 30" (Kategorie Manufacturing & Industry) des US-Wirtschaftsmagazins Forbes.

Es war mehr die Lust, etwas wirklich Cooles umzusetzen, als die Lust, ein Start-up zu gründen. Das war dann sozusagen die Notwendigkeit. Das war eine intensive Zeit, aber was mir geholfen hat, war abzuwägen, was gerade getan werden muss, damit es vorangeht – weil alles wichtig ist. Ich habe Spaß daran, mich in neue Themen einzuarbeiten und kümmere mich jetzt viel um das Personalwesen und sicherheitsrelevante Fragen. Wir haben mittlerweile einen Standort in Stuttgart-Degerloch, 20 Mitarbeitende und uns vor kurzem räumlich vergrößert. Das zeigt mir, dass meine Entscheidung genau die richtige war.

Welches Problem kann Ihr Produkt lösen?

JS: Wir haben die Vision, Kohlenstoff zirkulär zu machen und so CO2-Emissionen einzusparen. Das heißt, wir bieten ein chemisches Recyclingverfahren an. Wir recyceln Abfälle, die anderweitig nicht recycelt werden können, mithilfe einer Plasmatechnologie und stellen sie der Chemieindustrie wieder als neuen Einsatzstoff zur Verfügung. Dadurch bekommen wir es hin, aus sehr dreckigen, schwierig recycelbaren Stoffen wieder neues, reines Gas zu gewinnen – quasi einen Ersatz für Erdgas.

Das Erfolgsrezept von Cyclize: Mit einer Plasmatechnologie Industrieabfälle chemisch recyceln und als neues, reines Gas wieder verwenden.

Was hat Ihnen bei der Gründung besonders geholfen?

JS: Unsere Professoren Elias Klemm und Kai Peter Birke haben das Potenzial in unserer Arbeit gesehen und uns darin bestärkt, unsere Idee in die Anwendung zu bringen. Auf dem Uni-Campus dürfen wir unsere Pilotanlage betreiben, in der wir unser Verfahren momentan noch testen – das ist ein riesiger Vorteil.

Wenn man noch keine Ahnung hat, dann ist die Technologie-Transfer-Initiative, die TTI GmbH, die ideale erste Anlaufstelle. Sie hat uns geholfen, einen Finanzierungsantrag für einen Exist-Forschungstransfer zu schreiben, den wir dann auch bekommen haben. Auch die Angebote des Instituts für Entrepreneurship (ENI) waren für uns sehr hilfreich, insbesondere Professor Alexander Brem, der uns Zugang zu einem starken Netzwerk verschafft hat. Aktuell sind wir hauptsächlich mit dem Transfercenter TRACES der Uni in Kontakt, das uns bei der Gründung einer GmbH beratend begleitet hat.

Welche Ziele wollen Sie mit Cyclize in den nächsten Monaten umsetzen?

JS: Die Chemieindustrie will sich de-fossilisieren und elektrifizieren. Die Herausforderung ist aber, dass niemand die erste Anlage dafür bauen möchte, weil dieses Unterfangen hohe Risiken birgt und technische Ausfälle die Nachfolgeprozesse stark beeinflussen können. Wir wollen die Ersten sein, die zeigen, dass unsere Technologie stabil und sicher in einem größeren industriellen Maßstab funktioniert. Dazu wollen wir in einem Chemiepark eine Anlage bauen. Unser Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff ist extrem giftig und deshalb zu gefährlich für den Transport. Wir müssen also in der Lage sein, es direkt vor Ort in die nächste Anlage einzuspeisen, wo es gebraucht wird.

Cyclize recycelt nicht nur Industriemüll, sondern auch Sperr- und Hausmüll. Jan Stein (links) und sein Kollege Hendrik Burghaus (rechts) bereiten hier einen Ersatzbrennstoff wieder zu reinem Gas auf.

Sie wurden kürzlich in die „30 Under 30“ des US-Wirtschaftsmagazins Forbes aufgenommen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

JS: Ein Teil der „30 Under 30“ zu sein zeigt mir, dass es richtig war, es zu wagen, so jung zu gründen und viel dafür zu opfern. Zum anderen zeigt es uns aber auch, dass Cyclize ein führendes Deep-Tech Start-up in Europa ist. Das ist schon eine Wertschätzung, auf so einer Liste zu stehen.

Was motiviert Sie weiterzumachen, wenn es mal nicht so gut läuft?

JS: Das ist wirklich ein idealistischer Antrieb. Wenn viele unserer Anlagen in Europa gebaut werden, dann haben wir wirklich das Potenzial, Tonnen von CO2 einzusparen und Tonnen von Müll zu recyceln. Das ist heute im kleinen Maßstab schon Realität. Diese Technologie in die groß-industrielle Anwendung zu bringen, ist ein unfassbarer Antrieb.

Wir haben bei Cyclize auch ein wirklich klasse Team mit hoher Expertise und großer Motivation. Alle packen mit an und haben gute Ideen. Das ist auch ein entscheidender Faktor, vor allem wenn man selbst mal durchhängt, ziehen die anderen dich wieder mit.

Wissens- und Technologietransfer an der Universität Stuttgart
Das Transfercenter TRACES ist die zentrale Anlaufstelle der Universität Stuttgart für Forschungs- und Wissenstransfer. In Kooperation mit dem Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung (ENI), der Technologie-Transfer-Initiative TTI GmbH und dem Dezernat 1 -Forschung und Transfer bildet das TRACES ein innovatives Transfer- und Gründungsökosystem für Gründerinnen und Gründer. Es begleitet und berät von der Idee bis zur Ausgründung. Mit einem vielfältigen Angebot von LehrveranstaltungenGründungscoachings sowie Beratungen zu Anträgen, Förderprogrammen oder Patenten und Schutzrechten unterstützt die Universität Stuttgart Gründungsvorhaben von Studierenden und Mitarbeitenden. Der „Entrepreneurship“-Newsletter des ENI informiert zweimal im Monat über aktuelle Neuigkeiten, Veranstaltungen und Wettbewerbe im Startup-Ökosystem.

Dieses Bild zeigt Jacqueline Gehrke

Jacqueline Gehrke

 

Onlineredakteurin

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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