Der Forschungsverbund möchte Interessenskonflikte bei der künftigen Wasserverteilung in Deutschland aufspüren und mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Modellierungen und Planspiele sollen für eine breite Nutzbarkeit der Ergebnisse heute und in Zukunft sorgen. „Wir wollen zu einem tiefgreifenden Verständnis möglicher künftiger Wasserkonflikte in Deutschland beitragen“, sagt Dr. Wolfgang Weimer-Jehle vom fakultätsübergreifenden Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart. „Gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und dem Forschungszentrum Jülich setzen wir auf die interdisziplinäre System- und Szenarioanalyse.“ Weimer-Jehle ist wissenschaftlicher Koordinator und Sprecher des neuen Ladenburger Kollegs.
Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung
Von den Vereinten Nationen wurde 2010 das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung anerkannt. Wasser zählt zu den wichtigsten Rohstoffen der Erde und soll allen Menschen flächendeckend in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Was aber, wenn es angesichts des Klimawandels und künftiger Wetterextreme – Hitze, Starkregen, Überschwemmungen oder anhaltende Trockenheit – immer knapper wird? Lokaler Wasserstress könnte künftig auch im eigentlich wasserreichen Deutschland zu verstärkten Verteilungskonflikten führen, etwa zwischen Landwirtschaft, Industrie, Energie- und Wasserwirtschaft sowie dem Schutz von Grundwasser und Ökosystemen. Solche in Deutschland möglichen Wasserkonflikte sind das erste große Themenfeld, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des neu ausgerichteten Förderformats der Daimler und Benz Stiftung erforschen. Sie wollen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sektoren und Interessengruppen transparent machen und eventuelle Zielkonflikte bei der Wassernutzung aufdecken. Dabei analysieren sie die jeweiligen Handlungsoptionen verschiedener Akteurinnen und Akteure und berücksichtigen den Einfluss möglicher – durch den Klimawandel bedingten – Wetterextreme. Beteiligte aus der Praxis, unter anderem aus der Wasserwirtschaft, werden beim Design und bei der Erstellung und Auswertung der Modellierungen eingebunden. Mit der Werkstattversion einer Webanwendung wollen die Forschenden schließlich das Konfliktfeld Wasser für alle Protagonisten erlebbar machen.
Drei Konfliktfelder im Fokus
Drei Konfliktfelder mit besonderer Relevanz für Deutschland werden exemplarisch untersucht:
- Zielkonflikte in einem Flusseinzugsgebiet,
- Konflikte der Bewässerung,
- Wasserkonflikte bei Großprojekten.
Für diese Konfliktfälle sollen Modelle entwickelt werden, durch die die Beteiligten in Planspielen die Folgen eigener und fremder Entscheidungen erfahren können. Sie sollen befähigt werden, zielkonforme und zugleich konfliktmindernde Strategien zu finden – und nicht zuletzt wertvolle Materialien für den Bildungssektor zu erstellen.
Das Förderformat legt einen besonderen Schwerpunkt auf den Aspekt der Planspiele. Sie sollen auch nach Abschluss des Projekts für eine breite und vor allem praktische Nutzung der erarbeiteten Ergebnisse sorgen. Dazu sagt Professor Lutz H. Gade von der Daimler und Benz Stiftung: „Gerade mit Blick auf die Herausforderungen, die der Klimawandel und sich verändernde demografische Verhältnisse mit sich bringen, bedarf es eines verantwortungsbewussten Umgangs mit dem kostbaren Gut Wasser. Mit unserem Ladenburger Kolleg wollen wir einen gesellschaftlichen Beitrag dazu leisten.“
Die Ladenburger Kollegs
Die Ladenburger Kollegs stellen eine Schwerpunktförderung der Daimler und Benz Stiftung dar. Das Format bietet Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, innerhalb eines interdisziplinären Forschungsverbunds Themenstellungen über einen längeren Zeitraum zu bearbeiten. Hierzu veröffentlicht die Stiftung in unregelmäßigen Abständen Ausschreibungen.
Daimler und Benz Stiftung
Die Daimler und Benz Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung. Dazu richtet sie innovative und interdisziplinäre Forschungsformate ein. Ein besonderes Augenmerk legt die Stiftung durch ein Stipendienprogramm für Postdoktoranden sowie die Vergabe des Bertha-Benz-Preises auf die Förderung junger Wissenschaftler*innen. Mehrere Vortragsreihen sollen die öffentliche Sichtbarkeit der Wissenschaft stärken und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft betonen.