Wiesenblumen in einer städtischen Grünanlage

Stadtwiesen: Natur ja, aber kein Wildwuchs

10. Juni 2020, Nr. 28

Studie untersucht Akzeptanz von Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Europäischen Städten
[Bild: Valentin Klaus]

Grünflächen in unseren Städten werden zunehmend als Wiesen belassen, um die Artenvielfalt zu fördern. Doch immer wieder bemängeln die Anwohner, naturnahes Stadtgrün wirke „unordentlich“, begrenze Freizeitaktivitäten oder sie befürchten Zecken beziehungsweise Allergien. Ein Forschungsteam um Prof. Leonie Fischer von der Universität Stuttgart, Dr. Lena Neuenkamp von der Universität Bern und Dr. Valentin Klaus von der ETH Zürich untersuchte jetzt in einer europaweiten Studie, was die Akzeptanz biodiversitäts-freundlicher Pflegemaßnahmen erhöht.

Die weltweit zunehmende Urbanisierung einerseits und das Artensterben auf der anderen Seite erfordern es, die biologische Vielfalt verstärkt auch in Städten zu fördern. Daher werden Parks, Gärten, Spielplätze oder Friedhöfe heute oft so gestaltet, dass sie eine Alternative zu den schwindenden natürlichen Lebensräumen für Wildtiere und -pflanzen bieten. Lokale Ansätze, die die Natur in der Stadt unterstützen, müssen allerdings so geplant und gemanagt werden, dass die Menschen in der Stadt sie verstehen und akzeptieren.

 

Naturnahe Elemente im Stadtgrün finden die höchste Akzeptanz, wenn sie mit klassischen Elementen wie Mähstreifen kombiniert werden.

Um herauszufinden, wie die Bevölkerung über die naturnahe Pflege öffentlicher Grünflächen denkt und wie „Natur in der Stadt“ funktionieren kann, befragte die Forschungsgruppe mehr als 2.000 Studienteilnehmer*innen in 19 europäischen Städten. Dabei stellten die Wissenschaftler*innen häufig gemähte Rasenflächen, die meist nur sehr wenigen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten, hochwachsenden naturnahen Wiesenflächen gegenüber. Letztere beherbergen zwar eine deutlich höhere Artenvielfalt und ermöglichen daher spannende Naturbeobachtungen, scheiden aber für Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Ballspielen oder Sonnenbaden aus und wirken insbesondere bei zunehmender Trockenheit eher ungepflegt.

„Europaweit befürwortet der Großteil der städtischen Bevölkerung eine Förderung der städtischen Artenvielfalt, und zwar insbesondere dann, wenn dies im Rahmen eines allgemein ‚aufgeräumten‘ und ordentlichen Erscheinungsbildes des öffentlichen Grüns passiert“, fasst Prof. Leonie Fischer vom Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart die Ergebnisse der Studie zusammen. „Sobald Grünflächen ungepflegt und trocken aussehen, geht die Zustimmung zurück.“ Insbesondere jüngere Menschen und diejenigen, die Grünflächen für eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten nutzen, sprachen sich für eine biodiversitätsfreundliche Pflege der Flächen aus.

Naturnahe und klassische Elemente kombinieren

Die Studie ermutigt Städteplaner*innen in und außerhalb Europas, sich aktiv für die Förderung der städtischen Artenvielfalt einzusetzen. „Um ein gepflegtes Erscheinungsbild zu erreichen, sollten dabei sowohl naturnahe, als auch klassische Elemente des städtischen Grüns kombiniert werden, wie etwa rasenähnliche Mähstreifen an den Rändern von hochwachsenden Wiesen“, erläutert Fischer. Parallel dazu seien Maßnahmen der Umweltbildung und -information entscheidend, um kritische Menschen in der Stadt anzusprechen und über die positiven Auswirkungen naturnaher Grünflächenpflege auf die Biodiversität aufzuklären. „Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen scheinen die Türen für die Förderung der Biodiversität auf öffentlichen Grünflächen weit offen zu stehen.“ Profitieren können davon die Biodiversität, aber auch Bürgerinnen und Bürger.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Dr. Leonie Fischer, Universität Stuttgart, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Tel. +49 (0) 711 685 83380 E-Mail

Originalpublikation: 

Leonie K. Fischer, Lena Neuenkamp et al.: Public attitudes towards biodiversity-friendly greenspace management in Europe, in Conservation Letters, Mai 2020 https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/conl.12718

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