Schweres Sauerstoff-Isotop erstmals in der Hochatmosphäre der Erde nachgewiesen

7. Februar 2023

SOFIA-Beobachtungen weisen das schwere Sauerstoffisotop 18O in den höheren Schichten der Erdatmosphäre nach.

SOFIA-Beobachtungen weisen zum ersten Mal ein erhöhtes Vorkommen des schweren Sauerstoff-18-Isotops (18O) gegenüber dem am häufigsten vorkommenden leichteren Isotop 16O in der oberen Erdatmosphäre nach. Die Atomkerne von 16O haben acht Neutronen, die von 18O zehn Neutronen und sind damit schwerer. Ein Team um Helmut Wiesemeyer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat die obere Mesosphäre und untere Thermosphäre mit dem GREAT-Empfänger an Bord der flugzeuggestützten Sternwarte SOFIA auf die Isotopenverteilung von Sauerstoff untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Physical Review Research“ veröffentlicht. Die Aktivitäten von SOFIA werden auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut der Universität Stuttgart koordiniert.

Für die untere Erdatmosphäre haben frühere Untersuchungen bereits gezeigt, dass dort, anders als im Meerwasser, ein höherer Anteil an 18O im Vergleich zu 16O vorhanden ist. Diese Ungleichheit ist als Dole-Effekt bekannt und lässt sich folgendermaßen erklären: Sauerstoff entsteht als Abfallprodukt der Photosynthese und übernimmt seine Isotopenzusammensetzung von dem beteiligten Wasser. Die Veratmung von Sauerstoff durch Lebewesen tendiert jedoch dazu, den Anteil der leichteren Version 16O abzubauen, so dass sich das Isotopenverhältnis in der erdnahen Atmosphäre – dort wo sich Lebewesen befinden - zugunsten der schwereren Variante 18O verschiebt. Dieser terrestrische Fingerabdruck des Sauerstoffs ist einzigartig im Sonnensystem und eine Signatur der biologischen Aktivität auf der Erde.

Durch eine effiziente vertikale Durchmischung wird diese Biosignatur bis in die Stratosphäre und darüber hinaus verteilt. Bislang war jedoch nicht bekannt, ob das atmosphärische Verhältnis zwischen 18O und 16 auch in der oberen Atmosphäre erhalten bleibt - trotz der stärkeren UV-Strahlung und des größeren Einflusses durch den Sonnenwind. Die Untersuchung von Helmut Wiesemeyer und seinen Kollegen & Kolleginnen scheinen dies zu bestätigen.

SOFIA-Beobachtungen weisen das schwere Sauerstoffisotop 18O in den höheren Schichten der Erdatmosphäre nach. Das Spektrum zeigt die Säulendichten der Sauerstofflinien von 16O (türkis) und dem schwereren Isotop 18O (rot), die in der oberen Mesosphäre und der unteren Thermosphäre in Absorption gegen den Mond nachgewiesen werden konnten. Oberhalb der Kármán-Linie (gepunktete Linie) findet kein dynamischer Auftrieb mehr statt.

Aber wo endet die aus der Ferne erkennbare Wechselwirkung zwischen der Erdatmosphäre und dem sie umgebenden (Welt-)Raum? Wo verläuft die Grenze zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltall? Eine scheinbar einfache Frage, auf die es jedoch keine eindeutige Antwort gibt. In der Luft- und Raumfahrt etwa bezeichnet die sogenannte Kármán-Linie die Höhe von 100 km über dem Meeresspiegel, ab der die Atmosphäre für Flugobjekte keinen nennenswerten dynamischen Auftrieb mehr erzeugt. Andererseits wurde erst kürzlich ein magnetosphärischer Wind entdeckt, der von der Ionosphäre der Erde bis zum Mond vordringt und dort die Isotopenzusammensetzung des Mondbodens mit seinem Fingerabdruck kontaminiert.

Ein besseres Verständnis, inwieweit biologische Effekte die Erdatmosphäre durchdringen und aus der Ferne detektierbar sein könnten, wird den Forschenden vielleicht eines Tages einen Weg aufzeigen, die Methoden zur Suche nach möglichen Anzeichen von Leben auf anderen Planeten zu verbessern.

„Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir aber noch nicht so weit“, so Helmut Wiesemeyer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), der Erstautor der Veröffentlichung. „Um zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen, sind noch weitere Experimente am Infrarothimmel erforderlich, die auf den erfolgreichen Beobachtungsprogrammen von SOFIA aufbauen. Ein lohnendes Unterfangen - auch deshalb, weil der Ursprung anderer Isotopenverhältnisse wie zum Beispiel das von Ozon noch nicht vollständig geklärt ist.“

„Nach der Einstellung des SOFIA-Betriebes Ende September 2022 könnte die Zukunft dieser Forschungsrichtung in einem neuen robotischen ballon- bzw. luftschiffgestützten Fern-Infrarot-Observatorium liegen“, so Bernhard Schulz, SOFIA Science Mission Operations Deputy Director am DSI.

Das Flugzeugobservatorium SOFIA während seines letzten Einsatzes auf der Südhalbkugel der Erde von Christchurch/Neuseeland aus im Sommer 2022. Die in der Pressemitteilung beschriebenen 18O-Beobachtungen wurden mit dem vom MPIfR und der Universität Köln gebauten GREAT-Empfänger an Bord von SOFIA durchgeführt.

Originalveröffentlichung:

First detection of the atomic 18O isotope in the mesosphere and lower thermosphere of Earth”, Helmut Wiesemeyer et al., in: Physical Review Research 5, 013072, 1.  Februar 2023

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SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301, 50OK1701 und FKZ 50 OK 2002) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Die SOFIA-Aktivitäten werden auf deutscher Seite von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR koordiniert und vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart durchgeführt, auf amerikanischer Seite von der NASA und der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

GREAT: Der „German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies“ (Deutscher Empfänger für Astronomie bei Terahertz-Frequenzen) war ein hochauflösendes Spektrometer für astronomische Beobachtungen im fernen Infrarotbereich von 0,06 bis 0,60 mm Wellenlänge. Dieser Bereich des elektromagnetischen Spektrums ist aufgrund der Absorption in der Erdatmosphäre für bodengebundene Observatorien im Allgemeinen nicht zugänglich. Der modulare Aufbau des Instruments ermöglichte es, neue technologische Entwicklungen auch kurzfristig zu integrieren. GREAT wurde von 2011 bis 2022 an Bord von SOFIA betrieben. GREAT war eine Entwicklung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und des I. Physikalischen Instituts der Universität zu Köln, in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin. Die Entwicklung von GREAT wurde von den beteiligten Instituten, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 956 finanziert.

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