Quanten-Moskito auf der Autobahn

28. Mai 2020

Physiker der Universität Stuttgart detektieren individuelle Kernspins mit einzelnen Seltenen-Erd-Ionen in Kristallen

Kristalle, die mit seltenen Erden dotiert sind, werden bereits in Batterien, LEDs, Magnete, Lasern und vielen anderen Produkten eingesetzt. Bisher konnte man einzelne Kernspins in der unmittelbaren Umgebung von Seltenen-Erd-Elektronenspins jedoch noch nicht nachweisen. Forschende am 3. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart konnten nun zusammen mit Kollegen des Beijing Computational Science Research Center mit Hilfe der seltenen Erde Cerium einzelne Silizium-Kernspins messen, die sich im untersuchten Kristallgitter in der Nähe von Cerium befinden.

Die Verwendung seltener Erden ist auf deren einzigartigen Eigenschaften zurückzuführen, weshalb ihre Elektronenspins eines Tages als wichtige Schnittstelle zwischen robusten Spin-Quantenbits und weitreichenden Telekom-Photonen dienen könnten. Besonders die langlebigen Kernspins könnten eines Tages essentielle Speicher-Aufgaben als Spin-Quantenbit erfüllen, und es schließlich ermöglichen, leistungsfähige Quantencomputer zu realisieren.

 „Wenn man einzelne, adressierbare Kernspins als nützliche Ressource für Quantentechnologien betrachtet, zum Beispiel für die Quantenfehlerkorrektur, dann bedeutet deren Detektion mittels seltener Erden, dass nun eine ganze Reihe neuer Materialien für Quantenanwendungen in Frage kommen“, erklärt Thomas Kornher, wissenschaftlicher Mitarbeiter am 3. Physikalischen Institut. „Diese breite Auswahl an neuen Materialien begründet sich durch die flexbile Dotierung von Seltenen Erden in allerlei Feststoffen, einem gut erforschten Feld, das sich auf Untersuchungen der Laserphysik stützt.“

In der Studie wurde zirkular polarisiertes Licht auf eine mikrometergroße Stelle fokusiert wird, womit die Forschenden überschüssige Elektronen von Cerium-Ionen in einen spezifischen Energie- und Spinzustand anregen konnten. Mittels eines Mikrowellenfeldes konnten sie die Elektronenspins in einen Superpositionszustand versetzen. Mit darauffolgenden Laserpulsen wurde dann das Fluoreszenssignal von Cerium-Ionen ausgelöst, welches schließlich Auskunft über die Kohärenz der Spin-Superposition gab. Benachbarte Silizium Kernspins störten diesen Superpositionszustand nachweisbar zu einem charakteristischen Zeitintervall, welches Rückschlüsse auf den Silizium Kernspin zuließ.

Zukünftig wollen die Forschenden die detektierten Kernspins auch manipulieren, um Quanten-Logikgatter zu implementieren. „Bildhaft gesprochen sind wir nun in der Lage, das auf einer stark befahrenen Straße äußerst leise Summen eines Quanten-Moskitos zu hören“, erklärt Roman Kolesov, der das Projekt initiiert hat. „Der nächste Schritt wird es nun sein, seine Flugroute zu bestimmen. Und das ultimative Ziel wäre es dann, mehrere Moskitos gleichzeitig zu kontrollieren und sie durch ihr leicht unterschiedliches Summen trotzdem noch zu unterscheiden.“

Fachlicher Ansprechpartner: Thomas Kornher, Universität Stuttgart, 3. Physikalisches Institut, Tel. +49 711 685-65230, E-Mail

Originalpublikation: Sensing individual nuclear spins with a single rare-earth electron spin, by Thomas Kornher, Da-Wu Xiao, Kangwei Xia, et al., Physical Review Letters, 29 April 2020. https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.124.170402

 

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