Auf der Suche nach klimaneutralen Treibstoffen sind wasserstoffbasierte synthetische Brennstoffe (PtX) ein großer Hoffnungsträger. Wirklich „grün“ sind diese jedoch nur, wenn die Produktion auf der Basis erneuerbarer Energien erfolgt. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Leitprojektes „H2Mare“ soll künftig ein völlig neuer Anlagentyp auf dem Meer seinen Platz finden - eine Lösung, die einen Elektrolyseur zur direkten Wandlung des elektrischen Stromes optimal in eine Offshore-Windenergieanlage integriert. Darüber hinaus werden direkt zu integrierende weiterführende Offshore-Power-to-X-Verfahren untersucht. Die Institute für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) sowie für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme (IAS) der Universität Stuttgart sind an zwei Teilprojekten beteiligt und werden mit insgesamt zwei Millionen Euro gefördert.
Prof. Kai Hufendiek, der Leiter des IER der Universität Stuttgart, sagt: „Flüssige Kraftstoffe, die direkt Offshore aus erneuerbarer Energie produziert werden, könnten einen wichtigen Baustein für ein nachhaltiges, klimaneutrales Energiesystem darstellen und eröffnen die Möglichkeit, diese Technologie unabhängig von Netzen zu installieren und zu exportieren. Dazu müssen solche Systeme als energetische Inseln aber stabil, zuverlässig und effizient betrieben werden können. Das benötigt intelligente Algorithmen und Systeme, und genau diese wollen wir entwickeln.“ Prof. Michael Weyrich, der Leiter des IAS, ergänzt: „Das Projekt erlaubt es uns, eine neue Generation von Prozessleitsystemen zu erforschen, die modular aufgebaut sind und untereinander kommunizieren. Solche dezentralen Leitsysteme ermöglichen einen Digitalen Zwilling für unterschiedliche Anlagenkonfigurationen, der sich flexibel anpasst, leicht erweiterbar ist und resilient funktioniert.“
Moleküle statt Elektronen
Die Offshore-Windenergieanlagen der Zukunft produzieren keine Elektronen, sondern Moleküle: Autarke Einheiten aus Windenergieanlage und integriertem Elektrolyseur stellen grünen Wasserstoff im Industriemaßstab her und sparen die Kosten für einen elektrischen Netzanschluss. Damit können sie einen maßgeblichen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen leisten. In einem zweiten Schritt kann der Grüne Wasserstoff in weitere synthetische Kraftstoffe und Energieträger umgewandelt werden, die Vorteile bezüglich Transport und in Anwendung aufweisen. Darüber hinaus werden im Rahmen von H2Mare weiterführende Verfahren zur Speicherung bzw. Nutzung von Offshore-Stromüberschüssen (Offshore-Power-to-X-Verfahren, kurz PtX) untersucht.
Dazu wird die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet: von der Windenergie-Gewinnung und Wasserstoff-Erzeugung über die Wandlung von Wasserstoff in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe, Methanol oder Ammoniak über die Transportinfrastruktur bis zum Verbrauch durch die Industrie oder Energiewirtschaft. Somit sind verschiedene industrielle Anschlussverwertungen und Speicheroptionen möglich. Ein signifikanter Kostenvorteil bei der Herstellung großvolumiger Wasserstoffmengen ist das Ziel.
H2Mare umfasst die vier Teilprojekte OffgridWind, H2Wind, PtX-Wind und TransferWind, wobei sich die Beteiligung des IER und das IAS der Universität Stuttgart auf die beiden letztgenannten bezieht:
PtX-Wind: Im Unterschied zur reinen Offshore-Wasserstoffproduktion steht die Wandlung in leichter transportierbare, synthetische Energieträger und Kraftstoffe wie Methanol und Ammoniak im Fokus. Über die Hochtemperatur-Elektrolyse und die CO2-Gewinnung aus der Luft oder aus dem Meer werden Power-to-X-Produkte erzeugt. Auch eine direkte Salzwasserelektrolyse wird erprobt.
TransferWind: Wissenstransfer in die Öffentlichkeit als auch der inhaltliche Projekt-übergreifende Fachaustausch werden in TransferWind adressiert. Dabei werden auch Sicherheits- und Umweltfragen sowie Infrastrukturanforderungen betrachtet.
Das IER und das IAS sind in diesen Teilprojekten verantwortlich für die Entwicklung innovativer Algorithmen zur intelligenten Betriebsführung des Offshore-PtX-Systems und die zugehörige Prozessleittechnik. Die besondere Herausforderung ist dabei, die hoch dynamische Windenergieproduktion eines Offshorewindparks ohne Netzanbindung für die Produktion von grünem Wasserstoff bzw. anderer synthetischer, flüssiger oder gasförmiger Energieträger in komplexen verfahrenstechnischen Prozessen stabil und effizient zu verknüpfen und per Teleoperation betreiben zu können. Dabei werden geeignete intelligente Algorithmen entwickelt, die eine zuverlässige prädiktive Betriebsführung des Gesamtsystems erlauben. Dies soll zunächst auf Basis digitaler Zwillinge und anhand kleiner Demonstrationsanlagen validiert werden.
Über die Wasserstoff-Leitprojekte des BMBF
Mit seiner bislang größten Forschungsinitiative zum Thema Energiewende unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Deutschlands Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Die drei Wasserstoff-Leitprojekte sind das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs und bilden einen zentralen Beitrag des BMBF zur Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Über vier Jahre sollen sie vorhandene Hürden, die den Einstieg Deutschlands in eine Wasserstoffwirtschaft erschweren, aus dem Weg räumen. Dabei geht es um die serienmäßige Herstellung großskaliger Wasser-Elektrolyseure (H2Giga), die Erzeugung von Wasserstoff und Folgeprodukten auf hoher See (H2Mare) sowie Technologien für den Transport von Wasserstoff (TransHyDE).
In den Wasserstoff-Leitprojekten arbeiten über 240 Partner aus Wissenschaft und Industrie zusammen. Insgesamt wird die Förderung über 740 Millionen Euro betragen.
H2Mare umfasst insgesamt 35 Partner sowie zwei assoziierte Partner und ist mit einem Gesamt-Fördervolumen von 100 Millionen Euro auf vier Jahre angelegt. Die übergreifende Koordination verantwortet Siemens Energy mit Unterstützung von Instituten der Fraunhofer Gesellschaft.
Fachlicher Kontakt:
Prof. Dr. Kai Hufendiek, Universität Stuttgart, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER),
Tel. +49 711 685 – 87801, E-Mail
Prof. Dr. Michael Weyrich, Universität Stuttgart, Institut für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme (IAS),
Tel. +49 711 685-67301, E-Mail