Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) in Berlin wurden gleich zwei Wissenschaftler für ihre Arbeiten am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart ausgezeichnet.
Der Science Award Young Researchers ging an Julian Würthner, den Science Award durfte Dr. Johannes Rittmann entgegennehmen. Würthner erhielt die Auszeichnung für seine am IKT angefertigte Masterarbeit, Rittmann, inzwischen KI-Entwicklungsingenieur bei der Precitec GmbH & Co. KG, für seine am selben Institut erstellte Promotion. Damit gehen erstmalig zwei DGZfP-Preise an zwei Mitarbeitende desselben Forschungsinstituts.
Das Institut für Kunststofftechnik agiert in Lehre, Forschung und industrieller Dienstleistung in allen Hauptbereichen der Kunststofftechnik: der Werkstofftechnik, der Verarbeitungstechnik wie auch in der Produktentwicklung. Die Zerstörungsfreie Prüfung ist ein starker Forschungsschwerpunkt des Instituts.
Die Preisträger
Julian Würthner erhielt den Preis für seine Arbeit über Luftultraschall-Polarscans von Faserkunststoffverbunden („Untersuchung zur Realisierung von luftgekoppelten Ultraschall-Polar-Scans“): Er erforschte, ob man über das Ausbreitungsverhalten von akustischen Wellen im Material Aufschluss über die richtungsabhängige (anisotrope) Steifigkeit eines Werkstücks erhalten kann. Johannes Rittmann dagegen gelang es, das Auflösungsvermögen der aktiven Thermographie massiv zu erhöhen („Optimierung des örtlichen Auflösungsvermögens in der aktiven Thermographie durch eine Lockin-Kompensationsmethode und die KI-gestützte Invertierung thermischer Wellen“).
Die Forschungsprojekte
Bei Polarscans werden Ultraschall-Emitter und -Messkopf von Robotern kreisförmig über einen Punkt der Materialprobe geführt – in definierten Winkeln und im Abstand von wenigen Millimetern. Würthner konnte zeigen, dass anhand der Amplitude des rückseitig empfangenen Ultraschallsignals, aufgetragen in einem Polarkoordinatensystem, tatsächlich Rückschlüsse auf die Anisotropie des Werkstoffs möglich sind. Grundsätzlich stimmen seine Resultate, bei denen der Wissenschaftler auf das Koppelmittel verzichten konnte, mit Literaturergebnissen überein, die „klassisch“ im Wasserbad gemessen wurden.
Bei der aktiven Thermographie nutzt man Infrarot-Strahlung, um Materialfehler in Kunststoffbauteilen aufzuspüren. Versteckte Fehlstellen verraten sich dann, indem sie einen Teil der eingestrahlten Wärme reflektieren. Leider liefert das schon länger bekannte Verfahren oft unscharfe Bilder, weil größere Wärmemengen im Werkstoff dissipiert werden. Rittmann setzte ihm praktisch eine „Brille“ auf, indem er über einen Infrarot-Beamer die aufgebrachte Wärme an heißen Stellen der Probe gezielt reduziert und an kälteren Stellen erhöht – so lange, bis auf der Bauteiloberfläche nur noch eine einheitliche Temperatur vorherrscht. Damit verfügt der Computer, der die Beleuchtung steuert, über ein sehr genaues Abbild des Schadens – weil er über die eingetragenen Energiemengen exakt Buch führt und die Fehlstellen im Werkstück kaum noch überschüssige Wärme an benachbarte Bereiche abgeben. Damit kann der Rechner ein wirklichkeitsnäheres Bild des Schadens erzeugen. Gleichzeitig kann er die Messung selbsttätig einregeln und das bereits gute Bild mit Hilfe von künstlicher Intelligenz nochmals nachschärfen. Damit konnte Johannes Rittmann die Auflösung der Thermographie im Vergleich zum klassischen Verfahren mehr als verdoppeln. Die Arbeit wurde auch in den Scientific Reports des renommierten Wissenschaftsmagazin Nature publiziert.
Die Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung
Die Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) versteht sich als Sprachrohr der Zerstörungsfreien Prüfung und als Plattform für ZfP-Interessierte. Mit ihren Awards würdigt die DGZfP besonders herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Zerstörungsfreien Prüfung; sie wurden erst jüngst internationaler ausgerichtet, um die weltweite Sichtbarkeit der ZfP zu erhöhen und den Prestigegewinn für die Preisträger*innen zu steigern. Der Science Award Young Researchers (bis 2024 der „Nachwuchspreis“) wird an Studierende und Wissenschaftler*innen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen verliehen, die ein Thema von Bedeutung für die Zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) fundiert bearbeitet haben. Der Science Award (bis 2024 der „DGZfP-Wissenschaftspreis“) wird an Forscher*innen verliehen, die die Zerstörungsfreie Prüfung mit einer herausragenden wissenschaftlichen Arbeit und innovativen Ansätzen maßgeblich vorangetrieben haben.