„Menschen im Hörsaal – das fühlt sich gut an“, freute sich Prof. Dr. Kai Hufendiek, der Leiter des IER, bei der Begrüßung der Gäste. Dies umso mehr, weil es neben 31 Jahren IER auch den lange verschobenen Abschied von Prof. Dr. Rainer Friedrich zu feiern gab, der bis zu seinem Ruhestand die Abteilung Technikfolgenabschätzung und Umwelt am IER geleitet hatte.
Nationales wie internationales Renommee
Neben der Wiedervereinigung und der von Deutschland gewonnenen Fußballweltmeisterschaft sei die Gründung des IER im Jahr 1990 ein ganz besonderes Ereignis gewesen, betonte der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Dr. Frank Nopper und sprach von einem „Quantensprung“. Das Forschungsprofil rund um alternative Energien und Antriebe, Emission, Immission, wie auch dem rationellen Energieeinsatz, warte mit echten Innovationen auf und bringe dem IER nationales wie internationales Renommee. Nopper dankte für die exzellente Forschung und die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart.
Aktuell wie eh und je: Technikbewertung
Die Prorektorin der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Silke Wieprecht, überbrachte die Grüße des Rektorats: „Das IER hat die Forschung der Universität im Fachbereich Energietechnik und darüber hinaus wesentlich bereichert und immer wieder gut sichtbare Impulse auch in die Energie- und Klimapolitik gegeben. Gleichzeitig dankte sie Rainer Friedrich dafür, Lehre und Forschung am Institut nachhaltig geprägt zu haben. Mit überaus relevanten Themen, wie der Technikbewertung und Luftreinhaltung, und als Koordinator zahlreicher EU Forschungsvorhaben, habe Friedrich dem IER zu einem Ruf weit über Stuttgart hinaus verholfen, sagte Wieprecht.
Hilfe zur optimalen Entscheidung
Friedrich selbst befasste sich in seinem Abschiedsvortrag mit der Forschung zur Luftreinhaltung und Technikbewertung am IER in den letzten 30 Jahren. „Die Technikbewertung hat zum Ziel, Entscheidungsträgern dabei zu helfen, eine optimale Entscheidung zu treffen“, führte er aus und erinnerte an seine Zeit als Doktorand, als sich die Fragen beim Einsatz neuer Techniken deren Kosten und besserer Funktionsweise widmete. Fragen etwa nach der der Luftverschmutzung, der Beeinflussung des Klimawandels, der Versorgungssicherheit, den Ressourcen oder etwa auch Unfallrisiken kamen erst später auf. Das Problem der Technikbewertung, so Friedrich, sei es, dass viele Kriterien in die Entscheidung mit einfließen müssten.
Mit der von Rainer Friedrich entwickelten Wirkungspfadanalyse, die inzwischen vielfach angewendet wird, lassen sich Techniksysteme bewerten wie auch politische Maßnahmen. Hinsichtlich der Gesundheitsschäden durch Luftschadstoffe, die besonders in seinen Forschungsfokus fielen, führte Friedrich exemplarisch aus, man dürfe die Luftschadstoffe in Innenräumen nicht vergessen, die sich beispielsweise besonders in Räumen mit Wärmeschutzfenstern ansammeln. Als wichtiges Thema der Zukunft sieht Friedrich den Abrieb von Schienen, Rädern, Straßenbelägen usw.
Wasserstoff – ein ganz besonderer Stoff
Ganz im Zeichen des Wasserstoffs standen die weiteren beiden Festvorträge. Von der Industrie, dem Transportsektor wie auch etwa lokalen Strom- und Wärmeerzeugern werde Wasserstoff immer mehr nachgefragt, führte Kurt Wagemann aus, der Geschäftsführer der DECHEMA. Dessen Herstellung basiere heutzutage allerdings zum Großteil auf fossilen Rohstoffen. Unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität sei die Wasserstoffproduktion nur dann klimaneutral, betonte Wagemann, wenn der Kohlenstoff eingelagert oder weiterverwertet werde. In diesem Sinne zeigte Wagemann mögliche Pfade auf, wie die heutige Chemieproduktion in Deutschland CO2-neutral erfolgen könnte.
Der Institutsleiter des IER, Prof. Kai Hufendiek, ging auf die Rolle ein, die Wasserstoff in einem klimaneutralen Energiesystem einnehmen und wie ein solches System in Deutschland 2045 aussehen könnte. Anhand aktueller Ergebnisse aus Energiesystemanalysen führte Hufendiek aus, dass neben Elektrolyseverfahren zur Herstellung von grünem Wasserstoff auch der Wasserstoffproduktion auf der Basis von Biomasse eine wichtige Rolle zukomme sowie Importen. „Es besteht akuter Handlungsbedarf“, betonte Kai Hufendiek, Forschung und Entwicklung insbesondere auch im Hinblick auf die Systemeinbindung müssten vorangetrieben und der Markthochlauf vorbereitet werden, da derzeit noch zu viele Unsicherheiten bezüglich der technischen Möglichkeiten und Potenziale bestehen, um wichtige Entscheidungen beispielsweise im Hinblick auf die Transport- und Verteilinfrastruktur treffen zu können.