Mit dem Gips-Schüle-Nachwuchspreis honoriert die Gips-Schüle-Stiftung (Stuttgart) jährlich herausragende Doktorarbeiten in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) aus Baden-Württemberg. Am 8. Juli 2019 verlieh die Stuttgarter Stiftung die mit 17.500 Euro dotierten drei Preise. Den ersten Preis über 10.000 Euro erhielt Dr. Tobias Steinle für seine Promotion an der Universität Stuttgart über einen neuartigen Laser für deutlich präzisere und weniger störanfällige Messungen im Infrarotbereich. Platz zwei, mit 5.000 dotiert, ging an Dr. Claudia Koch, die ihre Dissertation über Zuckerbestimmung in Echtzeit mit Hilfe von Pflanzenviren ebenfalls an der Universität Stuttgart verfasste. Der dritte Preis über 2500 Euro ging an Dr. Ann-Christin Baranski, die an der Universität Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg promovierte.
Den Gips-Schüle-Nachwuchspreis verleiht die Stiftung nun zum vierten Mal. 31 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten ihre Dissertationen eingereicht. Kriterien für die Preisvergabe sind Innovationspotenzial und Anwendungsbezug im Bereich Technik für den Menschen.
Robuster gegen Störungen: Ultrastabiler Infrarotlaser (1. Platz)
Im Rahmen seiner Dissertation am 4. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart befasste sich Dr. Tobias Steinle mit der Erforschung und Anwendung von Infrarotlasern, die ihre Farbe (Wellenlänge) ändern können. Derartige Laser verfügen über einen großen Vorteil: Je größer der Wellenlängenbereich ist, der durch den Laser abgedeckt werden kann, desto mehr unterschiedliche Stoffe können – etwa bei der Zellprofilbestimmung in der biomedizinischen Forschung oder bei der Strukturanalyse in der Materialforschung – analysiert werden. Bislang waren diese Laser sehr störanfällig und wurden bei Temperaturschwankungen oder Vibrationen in der Umgebung unpräzise. Steinle entwickelte einen durchstimmbaren Laser, der bis zu 100-fach robuster gegen Störungen ist als bisherige. Bei diesem Laser kann die Wellenlänge/Farbe im Infrarotbereich nahezu beliebig verändert werden. Bereits während der Promotionszeit konnte er zeigen, dass der Laser aufgrund seiner Stabilität Präzisionsmessungen im Infrarotbereich ausführen kann, die sonst in teuren Großforschungsanlagen durchgeführt werden müssen. Aufgrund des internationalen Interesses folgte 2017 die Gründung der Stuttgart Instruments GmbH, welche das Lasersystem kommerziell anbietet.
Zuckerbestimmung in Echtzeit mit Hilfe von Pflanzenviren (2. Platz)
Dr. Claudia Koch promovierte am Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme, Abteilung Molekularbiologie und Virologie der Pflanzen an der Universität Stuttgart. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit neuen Bio-Hybridmaterialien für die Biosensorik. Biosensoren sind Messfühler, die mit biologischen Komponenten ausgestattet sind und in der biotechnologischen Messtechnik angewendet werden. Sie ermöglichen es, Stoffe nachzuweisen – wie etwa Antibiotika-Rückstände in Abwässern oder in der Milch aber auch Glucose-Werte im Blut eines Diabetes-Patienten. Koch kombinierte biologische Bausteine und technische Komponenten, um besonders leistungsfähige, neuartige Bio-Hybridmaterialien für die Biosensorik zu erzeugen. Dafür wurden Pflanzenviren in Enzym-basierte Analysesysteme integriert. Mithilfe viraler Trägerstäbchen konnten Sensorenzyme in hoher Dichte auf unterschiedlichen Sensoroberflächen installiert werden. Die von Claudia Koch entwickelten Biosensoren mit Pflanzenviren zeigen eine deutlich schnellere Reaktionszeit, einen erweiterten Bestimmungsbereich und ein stabileres Messverhalten als solche ohne Pflanzenviren. Sie wurden bereits für medizinische oder lebensmitteltechnische Stoffnachweise genutzt. In Kooperation mit der FH Aachen (AG Schöning) wurde auf Basis von Kochs Ergebnissen ein elektrochemischer Glukosesensor entwickelt, der eine Zuckerbestimmung in Echtzeit erlaubt.