Die vielseitige Kälte-Wärme-Lösung

21. März 2024, Nr. 9

Humboldt-Preisträger Yulong Ding arbeitet an flexiblen thermischen Energiespeichern
[Bild: Uli Regenscheit]

Er entwickelt neue leistungsfähige Energiespeicher für Solar- und Windstrom: Prof. Yulong Ding von der University of Birmingham besucht als Träger des Alexander-von-Humboldt-Forschungspreises die Universität Stuttgart und das DLR-Institut für Technische Thermodynamik. Im Team von Prof. André Thess will er die technischen Grundlagen für die anstehende Transformation der Energieversorgung weiterentwickeln.

„Eines meiner Ziele hier in Stuttgart ist es, die Effizienz und Kosten-Effektivität von Carnot-Batterien zu verbessern“, sagt Ding. Carnot-Batterien wandeln überschüssige Elektrizität aus kohlenstoffarmen Quellen, etwa erneuerbaren, in thermische Energie um. Diese kann in großen Mengen gespeichert und bei Bedarf wieder in Strom zurückverwandelt werden. Die Technologie zielt auf die starken Schwankungen bei der Produktion von Wind- und Solarstrom ab. Ding gehört weltweit zu den führenden Forschungspersönlichkeiten auf dem Gebiet der Carnot-Batterien. In Stuttgart wird er sich speziell mit der Flüssigluft-Energiespeicherung (Liquid Air Energy Storage, LAES) beschäftigen - eine Technologie, die er selbst erfunden hat und bei der er die erste Phase der Technologieentwicklung leitete.

Portraitfoto von Prof. Yolung Ding
Zu Gast in Stuttgart: Alexander von Humboldt-Preisträger Yulong Ding arbeitet an flexiblen thermischen Energiespeichern.

Dreimal thermische Energie

LAES ist eine Sonderform der Carnot-Batterien, weil sie ohne Hochtemperatur-Wärmepumpen funktioniert. „Sie wandelt überschüssigen Strom in flüssige Luft um, die in einem Kältetank gespeichert wird“, erklärt Yulong Ding. Zur Effizienzsteigerung werden neben der flüssigen Luft (-190 Grad Celsius) auch noch hochwertige Kälte (-160 Grad Celsius) und Kompressionswärme (ungefähr 300 Grad Celsius) gespeichert. Es sind also drei Arten thermischer Energiespeicher gekoppelt. Yulong Ding befasst sich intensiv mit der Entwicklung neuer Methoden zur Verbesserung der Kompressionswärmenutzung. Zu diesem Zweck erforscht und optimiert er Kaskadenprozesse, um die LAES-Technologie so effizienter und kostengünstiger zu machen.

Industrie ohne fossile Energien

Zweitens untersucht Ding, wie LAES durch Sektorkopplung in industrielle Grundprozesse integriert werden kann. Sektorkopplung bedeutet, dass Carnot-Batterien nicht nur die Funktion haben, überschüssigen Sonnen- oder Windstrom zu speichern. Die gespeicherte Wärmeenergie kann auch direkt für industrielle Prozesse zur Verfügung gestellt werden. Diese Prozesse benötigen sehr viel Wärme, die bisher aus fossilen Quellen, etwa Kohle und Erdgas, stammt. „Wenn wir fossile Wärme durch erneuerbare Wärme ersetzen, können wir die Produktion von Stahl, Zement, Glas, Keramik oder Chemikalien dekarbonisieren“, erklärt Yulong Ding. In Stuttgart wird sich seine Arbeit speziell auf den Stahlsektor konzentrieren, der große Mengen an Treibhausgasen produziert. Ziel ist es, Carnot-Batterien in den Prozess der Eisenerzeugung zu integrieren - den energie- und kohlenstoffintensivsten Teil des Stahlsektors.

Abwärme von grünem Wasserstoff

Drittens möchte Yulong Ding erforschen, wie die Energieinfrastruktur der nächsten Generation aussehen könnte. Denkbar wäre für ihn ein Netzwerk hocheffizienter, kosteneffektiver, multisektoraler Energiedienstleistungen, das so viele thermische Energiequellen wie möglich nutzt. In Stuttgart untersucht der Forscher die Versorgungskette sowie Möglichkeiten zur effizienten und kostengünstigen Nutzung der Abwärme, die bei der Produktion, Verdichtung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff entsteht.

Gastgeber Prof. André Thess freut sich auf den Gast aus Birmingham: „Mit der Verleihung des Alexander-von-Humboldt-Preises an meinen hochgeschätzten Kollegen Herrn Professor Yulong Ding würdigt die Stiftung seine Exzellenz sowohl in der Grundlagenforschung also auch bei Industriekooperationen.“ Darüber hinaus sei die Auszeichnung ein wichtiges Zeichen für die große Bedeutung der preiswerten, sicheren und umweltfreundlichen Speicherung thermischer Energie für Gebäude, Industrieprozesse und CO2-arme Kraftwerke. Zusammen mit dem Gast möchte Prof. Thess nicht nur neue Konzepte zur Speicherung elektrischer Energie in Carnot-Batterien erforschen, sondern auch das Potenzial für Industriepartnerschaften ausloten.

Prof. Yolung Ding stehend vor eine Gebäude
Energieinfrastruktur der Zukunft: Yulong Ding möchte die technischen Grundlagen für die Transformation weiterentwickeln.

Gewaltiger Speicherbedarf

Ding betont, dass Energiespeicherung ein entscheidendes Element im künftigen Energiesystem ist, welches von erneuerbaren Energien dominiert sein wird. „Die Rolle der Carnot-Batterien besteht für mich vor allem darin, den riesigen Bedarf an groß angelegten Speicheranwendungen mit einer mittleren Laufzeit von wenigen Stunden bis zu einigen Hundert Stunden zu decken.“ Ein oder zwei einzelne Organisationen allein könnten diesen so wichtigen Technologiebereich nicht voranbringen, dafür brauche es die Bemühungen der ganzen Gemeinschaft. Er persönlich, sagt der Wissenschaftler, werde sein Bestes geben. In Stuttgart fühlt sich Ding gut aufgehoben: „Professor André Thess und sein Team haben internationales Renommee, besonders im Bereich der thermischen Energieumwandlung und -speicherung.“ Und die Region Stuttgart stehe für Spitzentechnologie und Innovation.

Über Prof. Yulong Ding:

Prof. Yulong Ding ist Founding Chamberlain Chair of Chemical Engineering an der University of Birmingham und Gründer des Birmingham Centre for Energy Storage. Im Laufe seiner Karriere hat er rund 450 Artikel in von Fachleuten begutachteten Zeitschriften veröffentlicht, meist zum Thema Energie. Darunter zur von ihm erfundenen Technologie der Energiespeicherung in flüssiger Luft, zu Verbundwerkstoffen mit Phasenwechsel für die Wärmespeicherung und zu passiv gekühlten Behältern für den Transport in der Kühlkette. Prof. Ding hat etwa 100 Patente angemeldet. Für seine Arbeit bekam er viele Preise, unter anderem die J&E Hall Gold Medal im Jahr 2023. 2020 wurde er zum Fellow der Royal Academy of Engineering gewählt.

Über den Humboldt-Forschungspreis

Die Alexander von Humboldt-Stiftung vergibt jährlich bis zu 100 Humboldt-Forschungspreise an international renommierte Wissenschaftler*innen aus dem Ausland und erkennt damit ihr wissenschaftliches Gesamtwerk an. Zudem werden die Preisträgerinnen und -träger eingeladen, ein selbst gewähltes Forschungsprojekt in Deutschland in enger Zusammenarbeit mit lokalen Forschenden durchzuführen. Die Projektdauer kann sechs bis zwölf Monate betragen.

Ausgezeichnete Forscher*innen der Universität Stuttgart

Fachlicher Kontakt:

Prof. Yulong Ding, DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart, E-Mail 

Prof. Dr. André Thess, Universität Stuttgart, Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE), Tel.: +49 711 685 62661, E-Mail (IGTE), DLR-Institut für Thermodynamik, Tel.:+49 711 6862 358, E-Mail (DLR)

Pressekontakt

Dieses Bild zeigt Jutta Witte

Jutta Witte

Dr.

Wissenschaftsreferentin

 

Hochschul­kommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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