Während des Autofahrens, beim Kochen oder aufgrund einer körperlichen Einschränkung: Die Bedienung digitaler Geräte und des Internets ist nicht immer problemlos möglich. Das Start-up „Semanux“ möchte, dass alle Menschen angenehmer und flexibler mit dem Internet und Computer interagieren können. Daran forschen Dr. Raphael Menges, Ramin Hedeshy und Lukas Schmelzeisen von der Abteilung „Analytic Computing” am Institut für Parallele und Verteilte Systeme (IPVS) der Universität Stuttgart seit mehr als acht Jahren.
Zusammen mit dem Betriebswirt Florian Lerch von der TU München haben sie im Januar 2021 den Antrag auf eine Förderung durch einen EXIST-Forschungstransfer eingereicht. Das mit mehr als 645.000 Euro dotierte Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben sie ein dreiviertel Jahr später erfolgreich eingeworben. Nun wagen sie den nächsten Schritt: Mitte Januar haben sie einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Damit ist das Spin-off eine eigene GmbH. „Mit der Unterzeichnung des Vertrags geht es für uns einen großen Schritt weiter, unsere Vision für eine bessere Zugänglichkeit zur digitalen Welt mit unseren Produkten zu verwirklichen”, sagt Menges.
Mühelose Bedienung ermöglichen
Insgesamt gebe es bereits sehr viele Anstrengungen, Menschen mit Einschränkungen zu inkludieren. Doch der digitale Raum werde noch zu oft vernachlässigt. Es gibt zwar Systeme, bei denen man mit Blick-, Sprach- oder Mundsteuerung die Computermaus bedient, aber dabei wird immer mit alternativen Eingaben Maus und Tastatur simuliert. „Wir streben eine tiefere Anpassung dadurch an, dass wir die Inhalte im Web verstehen. Wir wollen die alternativen Eingabegeräte direkt damit kombinierbar machen, wie man auf einer Webseite interagieren kann: zum Beispiel einen Text eingeben oder etwas auswählen“, erklärt Menges. Mit der Semanux-Software und einer Webcam kann der Computer zum Beispiel nur mit dem Kopf gesteuert werden. Gleiches ist auch in Kombination mit einem Fußschalter, einem Gamepad, Gesichtsausdrücken oder Summen möglich.
Semanux ist die Abkürzung für „Semantic User Experience“, also semantisches Nutzer*innenverständnis, und bezieht sich auf die Bedeutung der Webseiteninhalte: Wo steht was und was kann man damit machen? Daraus schaffen die Forschenden das Nutzererlebnis mit den verschiedenen Eingabegeräten. Dass die Idee von Semanux auf großes gesellschaftliches Interesse stößt, zeigt ihr Wettbewerbserfolg im November 2022. Das Start-up hat den ersten Platz bei der Kommunikation-Challenge des im:pulse Accelerator der Gesetzlichen Krankenversicherungen belegt. Und mit ihrem Ansatz einer KI-basierten Interaktion haben sie sich im Januar 2023 unter den Top 3 Start-ups des KI-Garage Accelerators der Baden-Württemberg Stiftung platzieren können.
Umfassende Unterstützung an der Universität Stuttgart
Mentor Prof. Steffen Staab ist Inhaber des Lehrstuhls für Analytic Computing und Co-Sprecher des Exzellenzclusters SimTech der Universität Stuttgart. Er unterstützt Semanux in Fragen der Mensch-Computer-Interaktion, der künstlichen Intelligenz, innovativer Geschäftsmodelle und des Unternehmertums. „Wir alle sind gelegentlich körperlich eingeschränkter, wenn wir ein Kind halten, Auto fahren oder unser Abendessen kochen. Mit den Produkten von Semanux wollen wir alle einbeziehen, egal ob sie dauerhaft oder vorübergehend eingeschränkt sind“, erklärt Staab. Neben ihm unterstützt Ruben Maier als zukünftiger Beirat das Team. Er ist Dozent an der Hochschule Pforzheim und freiberuflicher Berater für Produktentwicklung und Unternehmensaufbau.
Entrepreneurship: Beratung und Unterstützung an der Universität Stuttgart
Durch diese Beteiligung profitiert das Unternehmen sowohl von der wissenschaftlichen Expertise als auch der unternehmerischen Erfahrung. Ermöglicht wurde die Ausgründung insbesondere durch die vielfältigen Unterstützungsangebote für Entrepreneurship an der Universität Stuttgart wie die Technologie-Transfer-Initiative (TTI GmbH), dem Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung und dem Dezernat 1 – Forschung und Transfer.