Eine agile Arbeitsweise gilt als Hoffnungsträger etwa bei industriellen Entwicklungsprozessen: Kleine Teams erarbeiten – unabhängig voneinander – Teil-Projekte. Dabei kann es zu unvorhergesehenen Konflikten und Komplikationen kommen, die das Gesamt-Projekt stören oder zeitlich verzögern. Eine gemeinsame Studie der Universität Stuttgart und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) zeigt, dass man Arbeitsprozesse nicht nur von der Führungsebene heraus planen kann – sondern Mitarbeitenden stattdessen Freiräume beim aktiven Gestalten lassen sollte.
Kleine Teams, die in einem Unternehmen parallel und unabhängig voneinander Teil-Projekte eines gemeinsamen Großprojektes erarbeiten, werden agile Teams genannt. Die von ihnen auf diese Weise praktizierte agile Arbeitsweise gilt als Hoffnungsträger in Unternehmen: „Anstatt starr einem Plan zu folgen, werden Projekte in kleine, überschaubare Schritte unterteilt, die regelmäßig überprüft und angepasst werden. Das ermöglicht es Teams, besser und schneller auf neue Kundenbedürfnisse sowie Marktveränderungen zu reagieren“, sagt Dr. Christian Mahringer, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart.
Doch obwohl viele Organisationen große Anstrengungen unternehmen, entsprechende Methoden zu implementieren und zu skalieren, stoßen sie in der Praxis häufig an ihre Grenzen. Etwa weil es bei Abstimmungsprozessen der Teams untereinander zu Komplikationen kommt. Eine neue Studie von Dr. Christian A. Mahringer und apl. Prof. Dr. Anja Danner-Schröder, die in der Fachzeitschrift Academy of Management Journal erscheint – eine der renommiertesten Zeitschriften der Betriebswirtschaftslehre – geht dieser Problematik auf den Grund und liefert überraschende Erkenntnisse.
Ein Jahr beobachteten Mahringer und Danner-Schröder verschiedene Softwareentwicklungsteams. Sie analysierten, wie sich die Teams untereinander koordinierten, interviewten Mitarbeitende und Führungskräfte. Dabei stellten sie fest: Wenn Unternehmen versuchen, agile Teams in ein festes Design zu pressen, dann kann es zu unvorhergesehenen Komplikationen und Konflikten kommen. Ein beobachtetes Fallbeispiel verdeutlicht dies: Zwei Teams planten, ein Schlüsselmitglied gemeinsam zu nutzen, um Wissen besser transferieren zu können. Was zunächst effizient schien, führte unerwartet zu hohem Abstimmungsaufwand. Denn das Team-Mitglied konnte etwa aufgrund von Termin-Kollisionen nicht seiner Rolle in beiden Teams gerecht werden. Neue Abhängigkeiten und Verzögerungen entstanden, die vorher nicht planbar waren.
Agilität als aktiver und dynamischer Designprozess
Die Forschenden Mahringer und Danner-Schröder schlussfolgerten: Das Design eines Entwicklungsprozesses kann nicht von oben vorgegeben werden. Agile Methoden leben vielmehr vom aktiven Gestalten. „Führungskräfte sollten demnach keine kontrollierten Abläufe erzwingen, sondern Umgebungen schaffen, in denen die Mitglieder eines Teams flexibel reagieren, fundierte Entscheidungen treffen und sich selbst organisieren können“, so Mahringer. Den Teams sollte somit eine hohe Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zugestanden werden. Auch Mitarbeitende, die in einer Hierarchie-Ebene möglicherweise weiter unten stehen, sollten beim Design von laufenden Prozessen mitgestalten dürfen. „Es reicht nicht, ein Framework zu implementieren und davon auszugehen, dass es automatisch funktioniert“, betont Danner-Schröder, die am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der RPTU Management Studies lehrt. Sie führt weiterhin aus: „Die eigentliche Herausforderung eines laufenden Entwicklungsprozesses ist vielmehr, sich in einem sich ständig verändernden Netz aus Abhängigkeiten zurechtzufinden.“
Mahringer und Danner-Schröder identifizierten vier Kompetenzen, die den Erfolg agiler Strukturen in Organisationen bestimmen: So sollten die Teams zunächst Abhängigkeiten analysieren, die sichtbar machen, wie Tätigkeiten und Ressourcen zusammenhängen. Als weitere Kompetenz sollten Ressourcen rekonfiguriert werden: Wird etwas gemeinsam genutzt, so muss dies für beide Teams funktionieren. Störungen sollten abgefedert werden: etwa durch Prioritätenverschiebungen oder gegenseitige Hilfe. Zudem heißt es, Zeitpläne zu synchronisieren: „Sprints, Releases und Meetings sollten aufeinander abgestimmt sein“, sagt Danner-Schröder. Zwar gebe es bereits Strukturen – in der Softwareentwicklung beispielsweise Organisationsdesigns, die verschiedene Teams zusammenführen können – doch diese stoßen, aufgrund von unvorhergesehenen Konstellationen, die erst im laufenden Prozess entstehen, an ihre Grenzen: „Unternehmen investieren viel in die Einführung agiler Frameworks wie SAFe oder Scrum@Scale, in der Hoffnung, dass sich damit auch komplexe Entwicklungsprozesse steuern lassen“, sagt Mahringer. „Doch unsere Forschung zeigt: Diese Ansätze liefern oft nicht die versprochene Agilität – weil sie von falschen Grundannahmen ausgehen.“ Danner-Schröder ergänzt: „Der Erfolg von Agilität im großen Maßstab hängt nicht davon ab, wie gut Teams einem Plan folgen. Sondern davon, wie gut sie mit Dingen umgehen, die sich nicht planen lassen.“
Die Studie liefert damit wertvolle Impulse für Unternehmen, die agile Arbeitsweisen nicht nur auf Teamebene, sondern organisationsweit erfolgreich verankern wollen.
Publikation
Christian A. Mahringer and Anja Danner-Schröder, 0: Autonomous, Yet Interdependent: Designing Interfaces across Routine Clusters. AMJ, 0, https://doi.org/10.5465/amj.2022.0853
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Kontakt | Dr. Christian A. Mahringer, Betriebswirtschaftliches Institut, Lehrstuhl für Organisation, Universität Stuttgart, E-Mail apl. Prof. Dr. habil. Anja Danner-Schröder, Lehrstuhl für Management Studies, RPTU Kaiserslautern, E-Mail |
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Lena Jauernig
Redakteurin Wissenschaftskommunikation / Wissenschaftlicher Nachwuchs