Entschlüsslerin

Maria Fyta liest Erbgut mithilfe von Gold und Diamanten aus.
[Foto: Universität Stuttgart/Uli Regenscheit]

Sie ist eine von rund 10.500 Professorinnen in Deutschland: Dr. Maria Fyta, seit März 2012 Junior-Professorin am Institut für Computerphysik der Universität Stuttgart. Damit gehört sie zu den etwa 23 Prozent Frauen in Professorenschaft, die das Statistische Bundesamt jüngst vermeldet hat. Für Fyta waren derlei Statistik- und Genderfragen nie von Belang: Sie hat sich von Anfang an von ihren Interessen leiten lassen. Bei ihren Forschungen zur DNA-Dechiffrierung ist ihr und ihrem Team jetzt durch den Einsatz von Gold und Diamanten ein beachtenswerter Durchbruch gelungen.

Die DNA eines menschlichen Körpers ist ziemlich lang, genauer gesagt: Die Länge der DNA nur einer einzigen menschlichen Zelle beträgt ungefähr drei Meter. In der DNA enthalten sind Millionen von sogenannten Nukleobasen: Adenin (A), Guanin (G),Cytosin (C) und Thymin (T). Ihre Abfolge in den DNA-Bausteinen legt fest, „ob es sich, einfach gesagt,um das Erbgut eines Menschen, einer Banane oder eines Gänseblümchens handelt“, erklärt Maria Fyta. Die Bestimmung ihrer Reihenfolge und damit die Entschlüsselung der DNA werden schon länger praktiziert – das menschliche Erbgut lässt sich seit 2003 entschlüsseln. Allerdings ist das immer noch sehr aufwendig und teuer. Auch ein Grund für Fyta, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Sie teilt das große Ziel aller weltweit an der Erforschung der DNA-Entschlüsselung arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: das gesamte menschliche Genom in nur wenigen Stunden zu lesen, um beispielsweise personalisierte Medizin herstellen zu können, die exakt auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten ist.

Die Nanoporen-Sequenzierung, an der Fyta mit ihren Forscherkollegen Prof. Ralph Scheicher (Schweden), Prof. Rodrigo Amorim (Brasilien) und Doktorand Ganesh Sivaraman an der Universität Stuttgart arbeitet, gilt als vielversprechende Methode, die Entschlüsselung der DNA zu beschleunigen.

Jun.-Prof. Maria Fyta
Jun.-Prof. Maria Fyta

„Unermüdliche Neugier, Dinge auszuprobieren und zu sehen, wie bestimmte Sachen funktionieren, das sind Eigenschaften, die fest in der DNA einer Wissenschaftlerin verankert sein müssen.“

Maria Fyta

Mit der DNA durchs Nadelöhr

Bei diesem Verfahren wird ein DNA-Strang durch ein klitzekleines Loch in einer künstlichen Membran gezogen – quasi wie ein Faden durch ein Nadelöhr. Die Membranen bestehen aus biologischen oder synthetischen Materialien und weisen einen hohen elektrischen Widerstand auf. Fyta arbeitet mit Membranen aus Siliciumnitrid oder Graphen, die in einer unter Spannung stehenden Salzlösung stecken. Die Nanoporen sind im Gegensatz zu gewöhnlichen Ionenkanälen permanent geöffnet und erlauben einen konstanten Molekülfluss durch die Membrane. Die Ionen bewegen sich von einer Seite der Membrane auf die andere und erzeugen so elektrischen Strom. Mit jeder der vier verschiedenen DNA-Basen A, G, C und T, die sich durch die Nanoporen bewegen, verändert sich die Stromstärke um einen eindeutigen Wert. Dieser wiederum lässt durch die Goldelektroden, die in die Nanopore gesteckt werden, sehr schnell auslesen.

Eine Schwierigkeit gab es allerdings: „Wir haben nach einem Weg gesucht, um die Überlappung der Signale, beispielsweise der Nukleobasen oder auch der Salzlösung, in der die Nanopore schwimmt, zu verhindern. Denn diese führt zu verfälschten Ergebnissen“,erklärt Fyta. Diese Überlappung ist vergleichbar mit einzelnen Buchstaben, die so ineinander verschwimmen, dass sich schließlich das Wort nicht mehr entziffern lässt. Die Lösung: Diamanten. „Um ein Mischen der Signale zu verhindern, haben wir die Goldelektroden mit einer zusätzlichen Diamantschicht modifiziert“, so die Junior-Professorin. „Das war ein entscheidender Durchbruch, denn dadurch ändert sich die Wechselwirkung zwischen DNA und Nanopore. Je nachdem, welche Nukleobase gerade durch die Nanopore gezogen wird, fällt das Signal sehr unterschiedlich aus.“ Rund drei Jahre hat die Physikerin mit ihrem Team geforscht, ehe sie im Juni 2016 erste Erfolge vermelden konnten. „Damit sind wir aber längst nicht am Ende unserer Forschungen angelangt“, sagt Fyta. „Unsere Entdeckung ist bisher rein theoretischer Natur. Jetzt müssen wir unsere Beobachtungen am Computer verfeinern, ehe wir unsere Überlegungen auch in der Praxis durchführen – in der Wissenschaft geht eben alles Schritt für Schritt.“

Nanoporen mit goldenen Elektroden und diamantenen Spitzen können möglicherweise den genetischen Code entschlüsseln.
Nanoporen mit goldenen Elektroden und diamantenen Spitzen können möglicherweise den genetischen Code entschlüsseln.

Schritt für Schritt – das beschreibt auch den persönlichen Werdegang der in Deutschland geborenen und in Griechenland aufgewachsenen Wissenschaftlerin recht gut. Da sie schon immer gerne Mathe und Physik lernte, habe sie sich nach dem Schulabschluss für ein Physikstudium entschieden. Ihre unermüdliche Neugier, Dinge auszuprobieren und zu sehen, wie bestimmte Sachen funktionieren, treibt sie immer wieder an. „Das sind Eigenschaften, die – um im Bildzu bleiben – fest in der DNA einer Wissenschaftlerin verankert sein müssen“, sagt die 39-Jährige, die inzwischen Mutter dreier Kinder ist, mit einem Augenzwinkern. Nach dem Master folgte die Promotion an der Universität Kreta, danach führte sie ihr Weg bis nach Boston in den USA, wo sie 2005 begonnen hat, mit Nanoporen zu forschen. Nicht, dass Maria Fyta nach diesem Erfolg die Themen ausgehen würden. Festkörperphysik und Materialphysik gehören ebenso zu ihren bevorzugten Wissenschaftsgebieten. Hier geht sie derzeit beispielsweise der Frage nach,wie man die Eigenschaften von Materialien bestimmen kann und was passiert, wenn man etwa ihre Struktur oder Chemie verändert.

Das Erforschen und Entdecken neuer Themengebiete sind für Fyta elementare Bestandteile ihrer Karriere: „Dadurch ergeben sich immer wieder Inspirationen auch für andere Projekte.“ So hatte auch ihr Forscherinteresse an kleinen Diamanten schließlich dazu geführt, ihre Eigenschaften für die Nanoporen-Sequenzierung auszuprobieren. Darum lässt sich auch nicht mit Bestimmtheitsagen, welche neuen Wissenschaftsfelder die Junior-Professorin in Zukunft für sich entdecken wird. Sie selbst sagt dazu: „In der Forschung darf man sich nie zufriedengeben. In all meinen Projekten folge ich einem roten Faden, aber was kommt, wird sich zeigen. Und ich muss flexibel darauf reagieren. “Ob das nicht manchmal ein bisschen mühsam ist und Frustrationen mit sich bringt? „Nein“, sagt Fyta entschieden, „es macht ja auch keinen Spaß, immer das Gleiche zu tun oder im Voraus zu wissen, was passiert.“ Michaela Gnann

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