Herr Schäfer, dürfen wir einen Blick in Ihre Entwicklungslabore werfen: Wie sieht der Porsche der Zukunft aus?
Peter Schäfer (PS): Die wesentlichen Qualitätsmerkmale eines Porsche für den Kunden sind das unvergleichliche Design, das Fahrgefühl, die Ergonomie und seine Fahrleistungen. Diese Gene, wie wir dazu sagen, wollen wir in die Zukunft tragen und dabei den neuen ökologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht werden. Das heißt: konsequente Elektrifizierung, wie man es bei unserem ersten Elektrofahrzeug, dem Taycan, sieht. Hinzu kommt das Thema Konnektivität mit vielen neuen Funktionen auf der Basis von Big-Data-Technologien und Künstlicher Intelligenz.
Wie sieht dabei die Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Ihren Auftraggebern aus?
PS: Als klassischer Ingenieurdienstleister mit dem Schwerpunkt Entwicklung arbeiten wir im Auftrag unserer Mutter Porsche, aber auch anderer Unternehmen. Die Fahrzeughersteller vergeben bestimmte Teilumfänge oder gesamte Projekte an Dienstleister. Wir führen das bis zu einer Freigabeempfehlung aus, die Freigabe und Typprüfung laufen dann über den Hersteller. Neben der Gesamtfahrzeug- und Systementwicklung setzen wir bei Porsche Engineering einen besonderen Schwerpunkt auf neue softwarebasierte Funktionen. Zum Beispiel können mit Künstlicher Intelligenz und cloudbasierten Daten neue Funktionen realisiert werden: Durch eine Erfassung des Fahrbahnzustands im Fahrzeug können etwa die Regelsysteme darauf adaptiert werden. Kombiniert man dies mit den Daten anderer Fahrzeuge sowie zum Beispiel mit Wetterdaten in der Cloud, sind sogar vorausschauende Informationen für den Fahrer denkbar.
Ihr Unternehmen trägt Porsche im Namen: Bei Trends wie Fahrerassistenz, Vernetzung, E-Mobilität – wo ist da in Zukunft Platz für Sportwagen und deren Fahrer mit Benzin im Blut?
PS: Natürlich ist unser Leitbild bei der Entwicklung der Fahrzeuge der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin, die das Erlebnis in den Vordergrund stellt und Fahrspaß erleben möchte. Man kann dazu auf spezielle Strecken gehen. Viele Fans machen das. Aber vielleicht will man auch einmal auf einer kurvigen Bergstraße im Schwarzwald die Dynamik des Fahrzeugs auskosten. Diese Momente sind den Besitzerinnen und Besitzern sehr wertvoll. Wir wissen, dass es in Zukunft kleine Zeiteinheiten sein werden, in denen ein Kunde sein Fahrzeug so bewegen kann. Genau deswegen müssen diese Erlebnisse noch intensiver sein. Und genau deshalb entwickeln wir das Fahrzeug so, dass es diese Eigenschaften beherrscht – wohl wissend, dass auch unsere Kundinnen und Kunden im Alltag wie alle anderen des Öfteren im Stau stehen. Dort brauchen wir die Assistenz- und Unterstützungsfunktionen, die diese Verkehrsverhältnisse für die Fahrenden so angenehm wie möglich machen. Also das Beste aus zwei Welten: Ultimatives Fahrerlebnis – in den Zeiten und auf den Strecken, auf denen das geht – und möglichst hoher Komfort im Alltagsbetrieb.
Ein Fahrzeug soll demnach möglichst unterschiedliche Rollen erfüllen?
PS: Ja, wir nennen das die Spreizung zwischen Fahrdynamik und Komfort, zwischen Fahrerlebnis und Alltagstauglichkeit. Wir haben den Anspruch, dass die Spreizung bei unseren Autos maximal ist.
Apropos Spreizung: Die Gesellschaft verlangt leisere, kleinere, im Idealfall Null-Emissions-Fahrzeuge. Die Kunden wollen große Wagen mit reichlich Platz, hoher Beschleunigung, Geschwindigkeit und Reichweite. Bekommt man das zusammen?
PS: Wenn die Kunden sportliche SUV schätzen, wollen wir ein entsprechendes Angebot machen. Die Vereinbarkeit mit ökologischen Gesichtspunkten ergibt sich am besten mit Hybriden oder mit Elektrofahrzeugen, wo man über elektrische Antriebe und grünen Strom null Emissionen schaffen kann. Das ist der Grund, warum wir die Elektromobilität in unseren Produkten sehr stark umsetzen. Die Batterie hat eine geringere Energiedichte als ein fossiler Kraftstoff. Deshalb steht das Thema Effizienz bei Elektrofahrzeugen noch mehr im Vordergrund. Es ist ein Spagat, aber wir stellen uns dieser sehr spannenden Aufgabe.
Sind Sie in Ihrem Denken und Konstruieren dabei als externer Dienstleister freier oder sind die Vorgaben der Hersteller sehr eng?
PS: Es gibt beides. In der Regel vergeben die Hersteller Aufträge mit klarer Beschreibung der Inhalte, die zu liefern sind. Es gibt aber Entwicklungen, bei denen wir höhere Freiheitsgrade haben und viele Ideen und Vorschläge einbringen können. Das ist der Grund dafür, dass wir uns nicht nur in unseren Kundenprojekten, sondern auch in eigenen Technologieentwicklungen sehr intensiv mit der Frage befassen: Was sind die Themen der Zukunft, die für unsere Kunden interessant werden? Dort eignen wir uns frühzeitig die Kompetenzen an, beispielsweise in der Hochvolt- oder Ladetechnologie oder in Datenanalysen und Künstlicher Intelligenz.
Sie arbeiten also auch ohne Kundenauftrag neue Fahrzeugtechnologien aus?
PS: Ja, in begrenztem Umfang leisten wir uns das. Wir wählen sehr sorgfältig aus, welche Technologien das sind. Und ich möchte mal behaupten, dass wir da in der Vergangenheit die richtigen Schlüsse gezogen haben und schon früh auf die Themen Elektromobilität, Vernetzung und autonome Fahrfunktionen gesetzt haben.
Welche Erkenntnis aus Ihrer Studien- und Doktorandenzeit hilft Ihnen als Alumnus der Universität Stuttgart heute noch besonders weiter?
PS: Ich hatte das große Glück, bei meiner Promotion ein Thema bearbeiten zu dürfen, bei dem es vor vielen Jahren schon um den Einsatz von Mechatronik ging. In der klassischen Fahrzeugtechnologie mit Mechanik, Hydraulik, Elektrik hielten damals mechatronische Systeme Einzug mit Aktorik und Sensorik sowie elektronischen Steuergeräten, die vielfältige neue Funktionen ermöglichen. Mein Doktorvater, Herr Professor Werner Schiehlen, hat betont, dass wir die Kombination von Mechanik und Software erforschen müssen und dass wir Lösungen finden müssen dafür, wie man mechatronische Systeme integriert und testet. Das hat meine berufliche Laufbahn sehr geprägt.
Die Universität Stuttgart pflegt enge Kooperationen mit der Industrie. In welcher Rolle sehen Sie die Hochschule dabei?
PS: Die erste Aufgabe ist ganz sicher, die jungen Talente auszubilden, zu fördern und fit zu machen für den Berufseinstieg – auch im Hinblick auf zukunftsweisende Technologien, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Diese Themen bewegen uns sehr. Ich sehe einen engen Dialog mit der Industrie bei den Aufgaben der Zukunft – wir von der industriellen Seite in der Anwendung, die Universität in der Grundlagenforschung einen Schritt voraus. Dafür brauchen wir immer den gegenseitigen Abgleich: Wie können wir den richtigen Beitrag leisten für die Weiterentwicklung unserer Technologien und unseres Industriestandorts Deutschland, und wie können wir damit unserer gesellschaftlichen Verpflichtung im Hinblick auf Umwelt, Klima und Soziales gerecht werden.
Interview: Daniel Völpel