Eine Studierende steht neben ihrem Versuchsaufbau. Im Hintergrund unterhalten sich eine junge Frau und ein junger Mann. Sie stehen vor einem Bildschirm.

Eigenes Experimentieren im Studium fördern

forschung leben – das Magazin der Universität Stuttgart (Ausgabe April 2023)

Die MEDtechBIO der „School for Talents“ ist ein Angebot der Universität Stuttgart für besonders begabte Studierende, das im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wird.
[Foto: Uli Regenscheit]

Besonders begabte Studierende können im Rahmen des Programms MEDtechBIO eigene Projektideen entwickeln und umsetzen: von der Medikamentenabgabe für Alzheimer-Betroffene bis zur Forschung an Pigmenten mit antibakteriellen Eigen­schaften.

Auf den ersten Blick sieht das Gerät aus wie eine Murmelbahn hinter Plexiglas. Wenn Feline Herrmann auf ein Touchpad tippt, beginnen zwei kleine Servomotoren zu arbeiten. Ein Smartie löst sich aus dem bunten Vorrat, gleitet auf einer Rutsche hinab und landet in einem kleinen Medikamentenbecher. Den Prototyp eines sogenannten Dispensers, der Alzheimerkranke an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern soll, hat die Studentin der Medizintechnik zusammen mit zwei Kommilitoninnen und einem Kommilitonen gebaut. „Das Projekt ist eine tolle Chance für uns, schon im dritten Semester Praxiserfahrung zu sammeln, wir lernen hier extrem viel“, sagt David Kreickmann. 

Eine Studierende steht neben ihrem Versuchsaufbau. Im Hintergrund unterhalten sich eine junge Frau und ein junger Mann. Sie stehen vor einem Bildschirm.
Die Studierenden arbeiten an einem neuen Modell für die Medikamentenabgabe an Alzheimerkranke.

Mit der Dispenser-Idee bewarb sich die Vierergruppe zum Wintersemester 2022/23 erfolgreich für die MEDtechBIO der „School for Talents“ – ein Angebot der Universität Stuttgart für besonders leistungsstarke Studierende, das im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Die School for Talents umfasst derzeit neun Fakultätsprojekte sowie das „Annual Program“, in dem Studierende fächerübergreifend an innovativen Projekten zusammenarbeiten. Neben der fachlichen Weiterbildung werden dabei auch Coachings zur Persönlichkeitsbildung angeboten.

Gemeinsam von der ersten Idee bis zum Ergebnis

An der MEDtechBIO haben seit 2020 fast 30 Bachelor- und Masterstudierende der Medizintechnik und der Technischen Biologie teilgenommen. Sie sammeln Projekterfahrung, werden auf Wettbewerbe vorbereitet und haben die Möglichkeit, erste Publikationen zu schreiben. Geleitet wird die MEDtechBIO von Prof. Peter P. Pott, Leiter des Instituts für Medizingerätetechnik (IMT), und Jun. Prof. Michael Heymann vom Institut für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme (IBBS). „Ziel ist, dass die Studierenden lernen, wie sie ihr theoretisches und praktisches Wissen nutzbar machen können“, sagt Heymann.

Auf dem Weg von der Idee bis zum Ergebnis brechen sie ihr Projekt in viele kleine Schritte herunter und suchen selbstständig nach Lösungen. Zugleich sammeln die Studierenden wichtige Erfahrungen mit Teamarbeit und erleben den Erfolg, gemeinsam etwas zu erreichen.

Jun.-Prof. Michael Heymann
Prototyp eines Dispensers
Prototyp eines Dispensers

Die vier Studierenden der Dispenser-Gruppe bauten zunächst einen Süßstoff-Spender auseinander und entwarfen nach diesem Vorbild ein an Smartie-Maßstäbe angepasstes Modell. Einige Bauteile schnitten sie mit dem Lasercutter zurecht, andere modellierten sie für den 3D-Drucker. Jetzt arbeitet die Gruppe an einer besonders raffinierten Eigenschaft ihres Prototyps: der Programmierung kleiner Merk- und Rechenaufgaben, die am Touchpad bearbeitet werden sollen, bevor – gewissermaßen zur Belohnung – das Medikament ausgegeben wird.

Diese Minitests sollen nicht nur Spaß machen und das Gehirn trainieren, sondern zugleich täglich Daten über den Fortschritt der Alzheimerkrankheit erheben. „Auf diese Weise wird eine sehr genaue individuelle Verlaufsdiagnostik möglich“, erläutert David Kreickmann.

Neues ausprobieren und wertvolle Erfahrungen sammeln

Ein anderes aktuelles Projekt der MEDtechBio ist die Forschung an Pigmenten mit antibakteriellen Eigenschaften. Acht Bachelor- und Masterstudierende der Technischen Biologie arbeiten daran, Melanin und Karminsäure mit Bakterien und Hefen herzustellen. Die so gewonnenen Pigmente könnten zum Beispiel in veganen Lippenstiften oder in Verbänden zur Förderung der Wundheilung verwendet werden. Derzeit wird der rote Farbstoff Karminsäure aus getrockneten Cochenilleläusen gewonnen, das dunkle Eumelanin aus dem Tintenbeutel von Tintenfischen. In der industriellen Produktion werden meist Ersatzstoffe genutzt, von denen aber einige im Verdacht stehen, krebserregend zu sein.

Zwei Studentinnen und ein Student stehen in einem Labor. Sie tragen weiße Labormäntel. Über ihnen hängt ein Schild mit der Aufschrift "Genlabor".
Eine MEDtechBIO-Gruppe forscht an Pigmenten mit antibakteriellen Eigenschaften.

Fast täglich trifft sich die Gruppe im Labor am Institut für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme, um ihre anspruchsvollen Experimente weiterzuführen. „Wir helfen und motivieren uns gegenseitig, alle steuern Ideen bei“, meint die Bachelorstudentin Fatma Caliskan. Die Studierenden isolieren Läuse-DNA, vervielfältigen sie mit PCR-Geräten und bauen die DNA-Fragmente in Plasmide ein – ringförmige doppelsträngige DNA-Moleküle, die von Coli-Bakterien aufgenommen werden können. „Wenn alles geklappt hat, produzieren die Bakterien ein Enzym, das wir nachweisen können“, erklärt Fatma Caliskan.

Sowohl beim Einbau der DNA ins Plasmidgerüst als auch beim Nachweis des Enzyms sind noch einige Schwierigkeiten zu überwinden, aber das stört die Gruppe nicht. „In den Laborpraktika im Studium machen wir Experimente, deren Ablauf vorher feststeht“, sagt Fatma Caliskan. „Hier probieren wir etwas Neues aus und können unsere Experimente selbstständig planen. Das ist eine tolle Erfahrung!“

Text: Miriam Hoffmeyer

Jun.-Prof. Michael Heymann, E-Mail, Telelefon: +49 711 685 61686

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