Begriffe auf dem Prüfstand
Exaktheit war eine Maxime des Lebens und Denkens von Käte Hamburger. So forderte sie von ihren Studenten und Gesprächspartnern Begriffsschärfe und sprachliche Präzision. Auch Koryphäen waren nicht sicher vor ihren unerbittlichen Analysen. Bei Autoren wie Schiller, Lessing oder Schopenhauer bezeichnete sie unscharfe Wortwahl oder fehlerhaftes Begriffsverständnis als "erlauchte Denkfehler".
Ihre Hauptwerke beschäftigten sich mit Begriffen wie Dichtung, Humor, Wahrheit, Mitleid. In ihrem Werk "Wahrheit und Ästhetische Wahrheit" untersucht sie den Begriff Wahrheit in all seinen Erscheinungsformen. Vor allem steht dabei die "ästhetische Wahrheit" und das Wahrheitsproblem in der Dichtung auf dem Prüfstand.
In den beiden Sätzen
Raben sind schwarz
und
Es ist wahr, dass Raben schwarz sind
wird deutlich, dass es sich bei "dem Wahren" nicht um eine Eigenschaft, um ein Attribut handelt, das vom Autor zugeschrieben wird. "Wahrheit" ist vielmehr mit dem jeweiligen "der Fall sein" identisch und die Aussage "Es ist wahr, dass..." kann somit auch weggelassen werden. Dagegen sind Begriffe wie "das Schöne" und "das Gute", die (vor allem in der Dichtung, der Kunst und Ästhetik oder in der Kunstkritik) traditionell und klischeehaft dem Wahren gleichwertig zugeordnet werden, sehr wohl Attribute, die relativ sind und von der Beurteilung des betrachtenden Individuums abhängen.
Hamburger zeigt, wie oft Ästhetik und Wahrheit von den Dichtern und Künstlern selbst völlig unproblematisch und selbstverständlich zusammengefügt werden: für Schiller ist "eine poetische Darstellung absolut wahr", der Maler Max Liebermann bezeichnet Poesie als die Künstlerische Wahrheit, "mit der das Genie die Natur auffasst". Die Wahrheit ist aber aus semantischen Gründen weder auf die Interpretation von Kunstwerken anwendbar, noch kann sie als "ästhetische Wahrheit" nachgewiesen werden, weil dies einen Widerspruch in sich darstellt.
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