Mit der Erweiterung der Mathematikausbildung hatte man einen wichtigen Schritt in die allgemeine Entwicklungsrichtung der Polytechnischen Lehranstalten getan. Auch unter dem neuen Namen aber ging in Stuttgart die Suche nach der optimalen Gestalt der Polytechnischen Schule weiter. (In Karlsruhe sprach man davon, daß die Stuttgarter Schule nicht wisse, ob sie praktischen oder wissenschaftlichen Bedürfnissen dienen wolle, und noch "in der Gärung" sei...)
In den 1840er Jahren vollzog sich eine ganze Folge kleinerer Schritte. Der einjährige Vorbeitungskurs wurde als Aufgabe an die Realschulen abgegeben, so daß die vier Jahre ganz für die Spezialausbildungen zur Verfügung standen. Gleichzeitig wurde konsequenterweise das Eintrittsalter auf 15 Jahre erhöht. Der Unterricht der Winterschüler wurde an eine eigene Winterbaugewerkeschule abgegeben, die ihrerseits den Anfang des höheren technischen Fachschulwesens in Württemberg markiert. Die Polytechnische Schule hatte also randständige Ausbildungsaufgaben an andere Einrichtungen abgeben können und sich gewissermaßen nach unten abgegrenzt.
Gleichzeitig stärkte die Polytechnische Schule 1847/48 durch die Anstellung eigener hochqualifizierter Hauptlehrer in Chemie, Maschinenwesen und Zivilingenieurwesen (= Bauwesen) ihre Kompetenzen in ihren Fachrichtungen. Der Liebig-Schüler Hermann Fehling richtete eine moderne chemische Laborausbildung ein. Die Lehrer für Zivilingenieur- und Maschinenwesen waren in Paris und Karlsruhe ausgebildet worden, und damit in jenen Institutionen, die zu dieser Zeit allen Polytechnischen Schulen als Modell dienten.
Den nächsten bedeutenden Reformsprung brachten die neuen Statuten von 1862. Die Unterrichtsdauer wurde nun auf fünf Jahre erhöht, das zusätzliche Jahr wurde in die mathematische Ausbildung gesteckt. Wieder wurde das Eintrittsalter erhöht und betrug nun 16 Jahre für die untere mathematische Abteilung bzw. 18 Jahre für die obere technische Abteilung mit ihren Fachschulen. Aufnahmeprüfungen gewährleisteten die Qualifikation der zukünftigen Schüler. Gleichzeitig wurde die Aufsichtsbehörde geändert. Die Polytechnische Schule unterstand nun nicht mehr dem Studienrat, der für das gesamte Schulwesen zuständig war, sondern direkt dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens - so wie die Universität Tübingen. Wenig später wurden die Hauptlehrer im Rang mit den Professoren an der Universität gleichgesetzt.
So unscheinbar und geradezu bürokratisch diese Veränderungen uns heute anmuten mögen, zeigten sie doch, dass man in Stuttgart aus der "Gärung" heraus war: Die Polytechnische Schule war dabei, eine der Universität vergleichbare wissenschaftliche Einrichtung zu werden.
1839 - 1883 |
Hermann Fehling Hauptlehrer für Chemie und Technologie - ab 1867 Professor |
1840 |
Umbenennung der Gewerbeschule in Polytechnische Schule |
1847 |
Gründung der ersten Studentenverbindungen Gründung der Stauffia; in den Folgejahren zahlreiche weitere Gründungen |
1862 |
Strukturreform Gliederung in zwei Abteilungen: eine untere mathematische für Schüler von 16-18 Jahren und eine höhere mit vier Fachschulen (Architektur, (Bau-)Ingenieurwesen, Maschinenbau, chemische Technik) |
1869 - 1877 |
Friedrich Theodor Vischer Professor für Deutsche Literatur und Ästhetik |
1870 |
Ausbau der Polytechnischen Schule Erweiterung der Fachschulen um eine
mathematische-naturwissenschaftliche und eine allgemeinbildende Fachschule |
1876 |
Umbennung in Polytechnikum Annäherung an den Charakter einer Hochschule durch Abschaffung der beiden mathematischen Vorschulklassen und Einführung einer neuen
Eintrittsqualifikation (Abschlußprüfung an einer Realschule) |
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