1876 wurde die Polytechnische Schule von den beiden mathematischen Vorbereitungsklassen der unteren Abteilung und damit vom letzten Rest Schulunterricht befreit. Stattdessen wurde der erfolgreiche Abschluß einer Oberrealschule (deren Schulzeit kurz zuvor auf insgesamt neun Jahre erhöht worden war) zur Voraussetzung für den Besuch des Polytechnikums, ähnlich wie das Abitur am Gymnasium Voraussetzung für den Besuch einer Universität war. Diese Parallele ist keineswegs zufällig: Die nun kurz Polytechnikum genannte ehemalige Gewerbeschule wurde erstmals als "eine technische Hochschule" definiert.
Im neuen Status wurde 1879 das 50jährige Jubiläum mit der Einweihung eines neuen Gebäudes und einem mehrtägigen Fest kräftig gefeiert. Doch hinter den Kulissen war schon der Rotstift gezückt. Bedingt durch eine Rezession, verminderte sich nicht nur zwischen 1876 und 1888 die Zahl der Studenten auf die Hälfte, sondern der Landtag kürzte auch kräftig die Mittel. Die Zeiten waren also nicht leicht für das Polytechnikum. Trotzdem wurden neue Fächer eingeführt, allen voran 1883 die Elektrotechnik. Mit Einfallsreichtum und viel Beharrlichkeit gelang Carl Bach ab den 1880er Jahren in kleinen Schritten die Einrichtung einer Materialprüfungsanstalt und eines Ingenieurlaboratoriums. Diese dienten der Untersuchung von Konstruktionsmaterialien und Arbeitsmaschinen, vor allem von Dampfmaschinen.
Die systematische Erforschung von Werkstoffen und Maschinen im Labor markiert einen wichtigen Schritt in der Technikgeschichte. Man spricht von der Verwissenschaftlichung der Technik, da die Ingenieure sich in ihrem methodischen Vorgehen den experimentellen Naturwissenschaften anglichen. Die neu entstehende Elektrotechnik hatte von vornherein enge Beziehungen zur Physik und deswegen eine stärker theoretische und systematische Prägung, passte also nahtlos in die Landschaft der verwissenschaftlichten technischen Disziplinen hinein. Mit dem immer größeren wissenschaftlichen Anspruch der Ingenieurfächer wuchs freilich auch der Anspruch auf Gleichberechtigung mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen.
1839 - 1883
Hermann Fehling Hauptlehrer für Chemie und Technologie - ab 1867 Professor
1869 - 1877
Friedrich Theodor Vischer Professor für Deutsche Literatur und Ästhetik
1876
Umbennung in Polytechnikum Annäherung an den Charakter einer Hochschule durch Abschaffung der beiden mathematischen Vorschulklassen und Einführung einer neuen
Eintrittsqualifikation (Abschlußprüfung an einer Realschule)
1878 - 1922
Carl Julius (von) Bach Professor für Maschinenbau
1879
50jähriges Jubiläum sechstägige Feier, Einweihung eines neuen Gebäudes
1882
Einführung des Fachgebietes Elektrotechnik
1882
Erste große "Drittmitteleinwerbung" Einrichtung der Materialprüfungsanstalt mit Hilfe einer Spende von 10000 Mark aus den Überschüssen der Landesgewerbeausstellung
1884 - 1899
Ausbau der allgemeinbildenden Fächer Einrichtung eines zweijährigen Kurses für Kandidaten des höheren Eisenbahn-, Post- und Telegraphendienstes zur Füllung der Hörsäle aufgrund der Rezession; Einführung wirtschaftswissenschaftlicher und juristischer Fächer
1885
Erlass einer Habilitationsordnung
1890
Umbenennung in Königliche Technische Hochschule Stuttgart