Die Namensänderung von 1918 ist im Gegensatz zu allen anderen nicht mit einer Änderung des Profils, des Status oder der Organisationsweise der Stuttgarter Hochschule verbunden. Sie hängt mit einem bedeutsamen politischen Umbruch zusammen. Mit dem Ende der württembergischen Monarchie im Jahr 1918 war das Attribut "Königlich" überholt. Knapp 50 Jahre lang hatte Stuttgart fortan eine Technische Hochschule (TH) - die bisher langlebigste Bezeichnung.
Die einschneidenden politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts änderten also den Namen der TH Stuttgart nicht. Natürlich aber brachten sie im Guten wie im Bösen einschneidende Veränderungen für die Hochschule mit sich.
Demokratisierung der Hochschulstruktur und Ausbau der Natur- und Ingenieurwissenschaften einerseits, Wirtschaftskrise, Hochschulüberfüllung und steigende Arbeitslosigkeit, mangelnde Identifikation mit der republikanischen Staatsform und eine große Offenheit der Studenten für völkisches und rassistisches Gedankengut andererseits markieren die Stationen auf dem Weg zur Hochschule im nationalsozialistischen Deutschland. Im Nationalsozialismus wurde auch die TH Stuttgart nach dem Führerprinzip zentral gelenkt und in nationalsozialistische Szenarien der Hochschulpolitik einbezogen, die etwa ihre Verlegung nach Tübingen und Vereinigung mit der dortigen Universität und der Hohenheimer Hochschule vorsahen. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1939 setzte diesen Plänen allerdings ein Ende.
Der Zweite Weltkrieg veränderte den Lehr- und Forschungsbetrieb der TH Stuttgart auf allen Ebenen. Im Vergleich zur Vorkriegszeit gingen die Studentenzahlen zunächst noch weiter zurück, stiegen aber im weiteren Kriegsverlauf deutlich über das Niveau von 1939 an. Die Forschungsaktivitäten konzentrierten sich auf kriegswichtige Projekte. Zunehmend wurde der Hochschulbetrieb durch Luftangriffe gestört, und ab Ende 1943 wurden Institute nach Möglichkeit in die Umgebung von Stuttgart ausgelagert. Bei Kriegsende waren etwa drei Viertel der Gebäude und Einrichtungen zerstört.
Im Februar 1946 wurde der Lehrbetrieb an der TH Stuttgart nach einer zehnmonatigen Unterbrechung wieder aufgenommen. Die Professoren wurden politisch überprüft, nicht wenige wurden vorübergehend oder dauerhaft entlassen. Wer in Stuttgart studieren wollte, mußte zuvor einen mehrmonatigen "Baudienst" absolvieren, so daß wichtige Gebäude in Eigenleistung der TH wieder aufgebaut werden konnten. Freitische in der Mensa linderten die schlimmste Hungersnot in diesen ersten Jahren nach dem Krieg.
Mit der Normalisierung des Lebens und der Erholung der Wirtschaft begann auch für die TH Stuttgart eine Zeit des Aufbaus und der Expansion. Damit drängte sich eines der großen Dauerprobleme wieder hervor: In der Stadtmitte fehlte, vor allem für die immer zahlreicheren und stärker ausgebauten technischen Disziplinen, einfach der Platz. Ihren deutlichsten Ausdruck fand die Expansion der TH darum im neuen Universitätsstandort Pfaffenwald in Stuttgart-Vaihingen, der nach heftigen Auseinandersetzungen 1955 beschlossen und ab 1957 mit den ersten Institutsbauten in Betrieb genommen wurde.
1878 - 1922 |
Carl Julius (von) Bach Professor für Maschinenbau |
1918 |
Umbenennung in Technische Hochschule Stuttgart |
1921 |
Verein Stuttgarter Studentenhilfe Zusammenschluss verschiedener Hilfseinrichtungen zum "Verein Stuttgarter Studentenhilfe e. V.", aus dem das Studentenwerk hervorgeht |
1921 |
Demokratisierung der TH Gründung des AStA; neue Verfassung der TH: u.a. Wahl des Rektors durch die ordentlichen Professoren, Wahl der Abteilungsvorstände durch die Lehrstuhlinhaber |
1922 |
Promotionsrecht für Allgemeine Abteilung Verleihung des Promotionsrechtes auch an die Allgemeine Abteilung (Geisteswissenschaften); damit Gleichberechtigung mit der Universität Tübingen |
1923 |
Gründung der Vereinigung von Freunden der Technischen Hochschule Vereinszweck: "... die TH Stuttgart in der Ausbildung ihrer Studierenden und in den wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu fördern und zu unterstützen und dazu für Geldmittel, ferner für Lehrmittel und Einrichtungsgegenstände in natura zu sorgen, für die der Staat nicht aufkommen kann."
Erster Vorsitzender: Robert Bosch |
1924 |
Gründung des Hochschulrings deutscher Art Verankerung rassistischen Denkens durch Ausschluß aller Studenten "nichtdeutscher Abstammung" |
1925 |
Einführung von Leibesübungen Erteilung des Vordiploms abhängig vom Nachweis eines zweisemestrigen Besuches der Leibesübungen |
1926 - 1931 |
Standortdiskussion Ziel: Schaffung eines zentralen Hochschulkomplexes an einem neuen Standort; im Gespräch sind Rosensteinpark, Hohenheim, Weißenhof, Degerloch, Ludwigsburg.
Die Weltwirtschaftskrise zerstört die Umzugs- und Ausbaupläne. |
1929 |
100jähriges Jubiläum Jubiläumsspende der Vereinigung der Freunde in Höhe von 670 000 Reichsmark; Spende von nicht genannter "anderer Seite" in Höhe von 100 000 Reichsmark für Gastvorlesungen auswärtiger Gelehrter |
1931 |
Einführung eines Arbeitsdienstjahres Als Folge von Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und "Überfüllung geistiger Berufe" Einführung eines Arbeitsdienstjahres für alle Studenten |
1933 |
Ehrendoktorwürde für Hitler Verleihung der Ehrendoktorwürde der TH Stuttgart an Hitler; Hitler lehnt jedoch ab |
1933 |
Vertreibung der Hochschulmitglieder jüdischer Herkunft Grundlage: "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" |
1933 |
Einführung des "Führerprinzips" Rektor ist Führer der Hochschule und wird vom württembergischen Kultusminister (ab 1935 vom Reichserziehungsminister) ernannt; er ernennt wiederum die Dekane |
1934 |
Einführung nationalpolitischer Vorlesungen u.a. über Auslandsdeutschtum, Rassenhygiene, Wehrwissenschaft |
1934 |
"Verfassung der deutschen Studentenschaft" tritt in Kraft Ziel: "Die Deutsche Studentenschaft ist die Vertretung der Gesamtheit der Studenten ... Vor allem hat sie die Studenten durch die Verpflichtung zum SA-Dienst und Arbeitsdienst und durch politische Schulung zu ehrbewußten und wahrhaften deutschen Männern und zum verantwortungsbereiten selbstlosen Dienst in Volk und Staat zu erziehen." |
1935 |
Richtlinie zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung Zentrale Steuerung aller Hochschulen von Berlin aus durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung |
1936 - 1968 |
Adolf Leonhard Professor für Elektrotechnik (Unterbrechung von 1946 bis 1952) |
1941 |
Kleine Reform Umwandlung der fünf Abteilungen in drei Fakultäten (Naturwissenschaften, Bauwesen, Maschinenwesen) als Vorbereitung für eine von den Nationalsozialisten geplante württembergische Groß-Hochschule (Zusammenschluß von Hohenheim, Stuttgart und Tübingen) |
1941 - 1947 |
Evakuierung von Instituten Auslagerung einzelner Institute z.B. nach Neckarhausen, Tailfingen, Schwäbisch Gmünd |
1944 |
Luftangriffe auf Stuttgart Zerstörung der meisten Gebäude und Einrichtungen der TH |
1945 |
Mensa und Studentenspeisung Aufbau einer Mensa durch private Initiative; Stadt Stuttgart übernimmt Patenschaft für 10 Freitische wöchentlich (2,75 RM) und stellt Lastwagen zur Herbeischaffung der Lebensmittel bereit; Mittagessen bei Firmen, Mittagstische bei Einzelpersonen; durch amerikanische Spenden finanzierte Hoover-Speisung |
1946 |
Wiedereröffnung der TH Stuttgart nach 10monatiger Unterbrechung des Lehrbetriebs |
1946 - 1947 |
Wiederaufbaudienst Ableistung einer Wiederaufbauarbeit von 6 - 8 Monaten ist Voraussetzung für ein Studium an der TH |
1946 - 1948 |
Entnazifizierungsverfahren Maßnahmen zur Säuberung der TH von Anhängern des Nationalsozialismus |
1947 |
Neugründung des Studentenwerks |
1949 - 1978 |
Max Bense Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie |
1950 |
Einrichtung des Studium generale |
1950 |
Schaffung eines Hochschulbeirates bestehend aus Vertretern der Hochschule, Landesregierung, Stadt und der Wirtschaft; Ziel: Stärkung der Verbindung zwischen TH und Öffentlichkeit |
1954 |
Wunder von Stuttgart Wiederaufbau der zerstörten und beschädigten Institute mit staatlichen Mitteln, Zuschüssen der Stadt, der wiedergegründeten Vereinigung von Freunden der TH, des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft; Bau eines Studentenwohnheims durch Stiftung des Deutschamerikaners Max Kade; Bau einer neuen Mensa |
1955 - 1957 |
Neuer Teilstandort Pfaffenwald Platzbedarf der TH führt zu einer Standortdiskussion; 1956 Entscheidung für den Standort Pfaffenwald durch die Landesregierung; Baubeginn für das erste Institut 1957 |
1957 - 1977 |
Käte Hamburger Professorin für Literaturwissenschaft und Ästhetik |
1961 |
Kollegiengebäude I Einweihung des Kollegiengebäudes I und der Universitätsbibliothek in der Stadtmitte |
1963 |
Ausbauplan / Lehramtsfächer Annahme eines Ausbauplans durch den Großen Senat, um Studium der Lehramtsfächer zu ermöglichen und auch den Studenten der Musikhochschule und Kunstakademie die Möglichkeit zum Studium eines Ergänzungsfaches für das Lehramt zu bieten. |
1964 |
Kollegiengebäude II Einweihung des Kollegiengebäudes II in der Stadtmitte |
1964 - 1990 |
Frei Otto Gründer und Leiter des Instituts für leichte Flächentragwerke (IL) |
1967 |
Umbenennung in Universität Stuttgart |