Carl Julius von Bach und der Aufstieg der Ingenieurwissenschaften
Von Werner Müller

Es ist wie die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär. Nur handelt es sich hier um den Sohn eines Sattlers, der es zum adeligen Universitätsprofessor geschafft hat. Gemeint ist Carl Julius von Bach (1847 - 1931).
Er war es, der bereits vor mehr als hundert Jahren die Idee hatte, Frankreich und Großbritannien durch einen Tunnel miteinander zu verbinden. Ohne ihn hätte es vielleicht den Diesel-Motor nie gegeben.
Leitfaden für eine erfolgreiche Karriere
"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" - mit diesem Sprichwort lässt sich die Ausbildungszeit von Bach sehr gut beschreiben. Sein voruniversitärer Werdegang enthält viele Elemente, die auch heutzutage eine erfolgreiche Laufbahn verheißen würden, wie Fremdsprachenkenntnisse und Auslandsaufenthalte.
Morgenstund' hat Gold im Mund ...
Für Bach begann der Tag um 4 Uhr in der Frühe. Er kam mit drei oder vier Stunden Schlaf aus. Diese Gewohnheit, mit der er in der Schulzeit anfing, legte er nie wieder ab. Die zusätzliche Zeit nutzte er, um sich zusätzliches Wissen anzueignen. Als Beispiele sind der Besuch der Abendschule und das Erlernen der französischen Sprache während seiner Lehrzeit zu nennen. Zur Ertüchtigung seiner Gesundheit, um die es in seiner Kindheit und Jugendzeit nicht gut stand, erarbeitete er sich ein individuelles Sportprogramm und setzte dieses erfolgreich um.
"Die Sonntage meiner Lehrzeit verwandte ich, soweit sie nicht durch die Sonntagsschule des Gewerbevereins in Anspruch genommen wurden, bei ausreichend gutem Wetter zu 3-4stündigen Höhengängen, zu denen ich mich etwa um 4 Uhr früh aufmachte, oder zu Übungen im Zeichnen, und zu Zwecken der geistigen Fortbildung."
Ein Langzeitstudent ...
Der Weg zum Diplomabschluss dauerte acht Jahre (1864 - 1872) und verlief mit vielen Unterbrechungen, da das nötige Geld immer wieder fehlte.
Ein Geldgeschenk seiner Großmutter ermöglichte den Start des Studiums in Chemnitz. Ein Handwerker lieh ihm Geld, so dass er nach einer fast zweijährigen Unterbrechung sein Studium in Dresden wieder aufnehmen konnte. Wiederum zum Geldverdienen folgte er seinem Lehrer Kankelwitz an das Stuttgarter Polytechnikum, um ihm bei den Konstruktionsübungen für jüngere Studenten zu assistieren. Nach der Kriegsteilnahme am deutsch-französischen Krieg 1870/71 legte er schließlich 1872 sein Diplom am Polytechnikum in Karlsruhe ab.
Ein Mittel gegen Seekrankheit ...
Für ein Jahr arbeitete Bach in London und nutzte die Zeit, um neben seiner Arbeit noch das Kings College zu besuchen.
Auf die Idee zur Konstruktion eines Tunnels zwischen England und Frankreich kam Bach, als er während einer Kanalüberfahrt nach England seekrank wurde. Die technische Umsetzung stellte für ihn kein Problem dar, da er in England Bergwerke gesehen hatte, deren Stollen weit unter das Meer reichten, ohne Wassereinbrüche zu erleiden. Es existierte auch schon ein Tunnel unter der Themse, und am St.-Gotthard-Tunnel wurde gerade gebaut. Bach stellte sogar eine betriebswirtschaftliche Berechnung an, die zu einer 7,2%igen Verzinsung des eingesetzten Kapitals führte. Wichtigster Posten war die Transportkostenreduzierung beim Warenverkehr zwischen England und dem Kontinent.
Erste Berufserfahrungen ...
Nach einer Tätigkeit als Oberingenieur in Wien wurde Bach Fabrikdirektor in Bautzen. Die Firma produzierte neben Dampffeuerspritzen auch Dampfmaschinen, Dampfkessel, Pumpen und Wasserräder. Sein Aufgabengebiet umfasste die Überwachung der Produktion, die Konstruktion und die Durchführung von Qualitätskontrollen. Ein Nebenprodukt aus dieser Tätigkeit war das Patent auf eine "Dampffeuerspritze mit Extinkteur", die er zusammen mit einem Berliner Branddirektor erfand.
Professor in Stuttgart
1878 bekam Bach den Ruf als Professor an das Polytechnikum Stuttgart und prägte fast ein halbes Jahrhundert die Ingenieurwissenschaften maßgeblich. Bach brachte für seine Professorentätigkeit eine Vielzahl unterschiedlichster Erfahrungen in Theorie (Ausbildung) und Praxis (Beruf) mit. Diese setzte er in der Lehre, in der Forschung und in der Zusammenarbeit mit der Industrie um.
Trial and Error ...
Im 19. Jahrhundert war ausschließlich die industrielle Praxis verantwortlich für den technischen Fortschritt - mit allen negativen Konsequenzen. Systematische Versuche waren ein Fremdwort. Es wurde mit der Methode "Trial and Error" gearbeitet. Wenn sich ein Dampfkessel in der Praxis bewährt hatte, wurden dessen technische Maße künftig weiterverwendet. Falls nicht .... BUMM. Die Nachteile dieser Methode zeigten sich in zahlreichen Dampfkesselexplosionen mit vielen Toten. Die einzige Abhilfe war eine Verstärkung der Kesselwand bei der nächsten Konstruktion. Das gleiche Vorgehen wurde auch bei anderen Maschinen und der Konstruktion von Eisenbrücken angewendet.
Immer drängender wurden darum die Forderungen nach zuverlässiger Ermittlung von Werkstoffkennwerten, nach sicherem Auffinden von Bauteilfehlern und fundierten Aussagen zur Lebensdauer von Bauteilen.
Ausbildungsphilosophie I - nicht zu fein für schmutzige Hände ...
Ziel des Studiums sollte für Bach die "Heranbildung selbstständig denkender und selbstständig schaffender Ingenieure auf Grund dessen, was die Tatsachen und das Leben lehren" sein. Er setzte ein einjähriges Pflichtpraktikum in der Werkstatt vor Beginn des Studiums durch, denn zum einen sollten die zukünftigen Studenten praktische Erfahrungen sammeln, und zum anderen "muss der Ingenieur dem Arbeiter in jeder Hinsicht ein Vorbild sein" und sollte nicht von oben herab auf die Arbeiter blicken.
Ausbildungsphilosophie II - über den Tellerrand hinausschauen ...
Bach war der Ansicht und setzte sich dafür ein, dass die Hochschule nicht nur eine Fachschule sein durfte, die Studenten in einer Disziplin ausbildet. Sie sollte auch einen Beitrag zur "Vorbereitung auf den Staatsbürger" leisten. Deswegen wurden für die Studenten des Maschinenbaus auch Vorlesungen in Recht, in Verwaltungs- und Volkswirtschaftslehre angeboten. Vorträge in Philosophie und in der Geschichte der Technik waren ebenfalls Teil des Maschinenbaustudiums.
Theorie und Praxis dürfen kein Gegensatz sein ...
Bach kritisierte den Gegensatz zwischen den Theoretikern und Praktikern im Maschinenbau. Dieser äußerte sich schon darin, dass die Lehre aufgegliedert war in "Praktischen Maschinenbau" und "Theoretische Maschinenlehre".
Die Lehrenden der Theorie schoben die Inhalte, die sie nicht behandeln wollten oder konnten, den "praktischen" Kollegen zu und umgekehrt. Bach leistete einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung dieser Auseinandersetzung durch das Zusammenführen von Theorie und Praxis.
Die Stellung der Mathematik in der Ingenieursausbildung stellte einen weiteren Streitpunkt im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert dar. Die von den Mathematikern getragene Ausbildung orientierte sich zu wenig an den Bedürfnissen der Ingenieure für ihr zukünftiges Berufsfeld. Auch in diesem Streit nahm Bach eine vermittelnde Position ein. Er arbeitete in verschiedenen Gremien (besetzt mit Mathematikern und Ingenieuren) mit, die sich mit den Ausbildungsfragen beschäftigten. In Stuttgart führte er neben der Vorlesung über höhere Mathematik eine zusätzliche Einführungsvorlesung über höhere Mathematik für Maschineningenieure ein.
"Wo ein Gegensatz zwischen Wissenschaft und Praxis in die Erscheinung tritt, da zeigt eine scharfe Untersuchung meist sehr bald, dass entweder die Annahmen, die Grundlagen, von denen die wissenschaftliche Betrachtung ausgegangen ist, fehlerhaft waren, oder dass die Schlussfolgerungen mit Mängeln behaftet sind. Ich habe es mir von vornherein, d. h. mit meinem Eintritt in die Lehrthätigkeit im Jahre 1878, zur Aufgabe gemacht, mein bescheidenes Theil dazu beizutragen, dass solche Gegensätze verschwinden. Wissenschaft und ausführende Technik müssen naturgemäss Hand in Hand gehen. Wo dieser Zustand nicht besteht, da muss von beiden Seiten mit Eifer und Ausdauer daran gearbeitet werden, ihn herbeizuführen."
Lehrbücher können Bestseller sein ...
Lehrbücher sind die Basis für eine gute Ausbildung an der Universität. Bach beschränkte sich nicht auf die Klage, dass es einen Mangel an guten Lehrbüchern gebe. Er schaffte Abhilfe, indem er diese selber schrieb. Der "Klassiker" wurde sein Buch "Die Maschinenelemente - ihre Berechnung und Konstruktion", dessen 1. Auflage 1881 für Jahrzehnte Maßstäbe setzte. Die Bestsellerqualität lässt sich daran ablesen, dass es in 13 Auflagen erschien und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
Ein weiteres prägendes Buch war "Elasticität und Festigkeit", das 1889 erschien und es bis 1924 auf immerhin 9 Auflagen brachte.
Beginn der Drittmitteltradition in Stuttgart ...
Zur Umsetzung seiner Ausbildungsphilosophie fehlten Bach in Stuttgart die Möglichkeiten, praktische Festigkeitsversuche durchzuführen.
"Der Mangel von Einrichtungen zur Prüfung und Untersuchung des Verhaltens der Konstruktions-Materialien war bereits in den siebziger Jahren von den Angehörigen unserer Hochschule empfindlich gefühlt worden. Wiederholt hatten Verhandlungen hierüber stattgefunden, ohne daß es jedoch gelungen war, das vorliegende Bedürfnis auf dem normalen Wege, d. h. durch Errichtung einer Materialprüfungsanstalt auf Rechnung von Staatsmitteln, der Befriedigung zuzuführen. Es wurde dies um so mehr bedauert, als die benachbarte Technische Hochschule München eine mit umfassenden Mitteln ausgerüstete Versuchsanstalt schon seit 1871 besaß und auch das Eidgenössische Polytechnikum Zürich im Jahre 1879 ein derartiges Institut erhalten hatte."
Bach benötigte viele Jahre, bis er 1907 seine - nach eigenen Worten - "neugebaute und vorzüglich ausgestattete Materialprüfungsanstalt" in Stuttgart-Berg beziehen konnte. Die Gründung erfolgte schon 1884 in bestehenden Gebäuden.
Mitten in der Rezession war diese Gründung nur dadurch möglich geworden, dass Bach die üblichen Wege verließ. Er betrieb aktiv Werbung für sein Fach und seine Ideen. Bach erreichte, dass der Württembergische Ingenieurverein (WIV) sich dafür einsetzte, die Überschüsse aus der Landesgewerbeausstellung für die Errichtung der Materialprüfungsanstalt zu verwenden. Es wurden 10 000 Mark bewilligt, die noch einmal durch einen Zuschuss von 6 000 Mark aus der Staatskasse ergänzt wurden.
Hintergrundinformation: WIV
Der Württembergische Ingenieurverein oder württembergische Bezirksverein des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) wurde im Jahre 1877 gegründet, 21 Jahre nach der Gründung des gesamtdeutschen Vereins.
Ziel des Vereins war und ist die Förderung von Gewerbe und Industrie. Der Verein nahm starken Einfluss auf den technischen Fortschritt im Land. Hervorzuheben sind der erfolgreiche Vorschlag zur Errichtung der Materialprüfungsanstalt und eines Lehrstuhls für Elektrotechnik. Ein Dauerthema blieb auch die praktische Ausbildung von Maschineningenieuren.
Bach war Mitglied des WIV und 1882 bis 1883 sein Vorsitzender.
Aus Einzelteilen entsteht das Ingenieurlaboratorium ...
Das Ingenieurlaboratorium wurde Ende des 19. Jahrhunderts zur zentralen Einrichtung der Ingenieurwissenschaften. Es diente sowohl der praktischen Ausbildung der Studenten (in Form von Versuchen) als auch der Forschung. Bach schlug auch für dieses Projekt ungewöhnliche Wege ein, um die finanziellen Engpässe zu umgehen. Die Basis für das Ingenieurlaboratorium, welches sich speziell mit der Untersuchung von Motoren und Dampfmaschinen einschließlich Dampfkesseln beschäftigen sollte, bildete die Beschaffung einer Dampfmaschine. Bach benötigte für diesen Beschaffungsvorgang 5 Jahre (1880 - 1885), da er die Maschine aufgrund beschränkter Finanzmittel in Einzelteilen einkaufen musste.
"Ich will nur erinnern, daß ich, um eine Dampfmaschine zu erlangen, an der die Studierenden sich wenigstens im Indizieren üben konnten, 1880 mit dem Ankauf eines Dampfzylinders begann, dessen Kosten in der Höhe von 1440 Mark in den Etatsjahren 1880 und 1881/82 bezahlt wurden. Bis zu dem Etatsjahr 1885/86 war es unter Beschränkung auf den verfügbaren Lehrmittelfonds möglich geworden, die übrigen, zu einer Dampfmaschine gehörigen Teile, d. h. unter Zurückgabe des Dampfzylinders, eine ganze Dampfmaschine zu erwerben, so daß nun an die Beschaffung des Raumes gegangen werden konnte."
Die Einrichtung von Laboratorien stand im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Theoretikern und Praktikern. Die Befürworter der Laboratorien bekamen Unterstützung durch den Verein deutscher Ingenieure und eine Expertenkommission, bestehend aus Vertretern der Technischen Hochschulen, der Wirtschaft und Politik. Diese erarbeitete ein Positionspapier, in dem ausreichende Mittel für die Einrichtung und Ausgestaltung von Ingenieurlaboratorien an den Hochschulen gefordert wurden. Auch der WIV machte eine Eingabe an das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens, in der ebenfalls der Ausbau des Laboratoriums verlangt wurde. 1897 wurden dann die Finanzmittel für einen Neubau bewilligt - die ergangenen Rufe anderer Hochschulen an Bach förderten diese Entscheidung (siehe Begehrter Typ). Im Jahr 1900 konnte der Neubau des Ingenieurlaboratoriums in Betrieb genommen werden.
Die VDI-Beschlüsse von 1895 und der Druck der Industrie, die sich hinter die Beschlüsse stellte, führten nicht nur in Stuttgart zum Erfolg. Es entstanden in den folgenden Jahren Ingenieurlaboratorien u.a. in Berlin (1899), in Dresden (1902), in Braunschweig (1903) und in Danzig und Darmstadt (1904).
Hintergrundinformation: WIV
Der Württembergische Ingenieurverein oder württembergische Bezirksverein des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) wurde im Jahre 1877 gegründet, 21 Jahre nach der Gründung des gesamtdeutschen Vereins.
Ziel des Vereins war und ist die Förderung von Gewerbe und Industrie. Der Verein nahm starken Einfluss auf den technischen Fortschritt im Land. Hervorzuheben sind der erfolgreiche Vorschlag zur Errichtung der Materialprüfungsanstalt und eines Lehrstuhls für Elektrotechnik. Ein Dauerthema blieb auch die praktische Ausbildung von Maschineningenieuren.
Bach war Mitglied des WIV und 1882 bis 1883 sein Vorsitzender.
Begehrter Typ ...
Das Ansehen eines Wissenschaftlers lässt sich an vielen Dingen ablesen, u.a. an der Zahl der Rufe von anderen Hochschulen. Bach war begehrt. Er erhielt innerhalb von 8 Jahren Angebote von renommierten Einrichtungen: dem Eidgenössischen Polytechnikum Zürich, der Technischen Hochschule Berlin und der Technischen Hochschule Wien.
Zum Glück für den Standort Stuttgart lehnte er alle Angebote ab. Er nutzte sie aber als "Druckmittel", um für seine Ideen und Projekte mehr finanzielle Unterstützung von Hochschule, Stadt und Land zu bekommen. Zum Beispiel flossen die Gelder für den Neubau des Ingenieurlaboratoriums nach dem Bekanntwerden des Rufes nach Zürich schneller. Die Beliebtheit von Bach lässt sich auch an einem Dankschreiben der Studenten ablesen, das diese anlässlich Bachs Ablehnung des Rufes nach Zürich verfassten:
Nebenwirkungen
Die Aktivitäten von Bach wirkten sich nicht nur auf die Hochschule aus, sondern beeinflussten zahlreiche andere Projekte seiner Zeit.
Luftschiff
Bach stand in Kontakt mit dem Grafen von Zeppelin und begleitete ihn bei seinen Plänen zum Bau eines lenkbaren Luftschiffs. Nach anfänglicher Skepsis ("Lassen Sie davon ab, Sie verlieren Ihr Geld und Ihren Verstand dabei") ließ er sich dann aber doch noch überzeugen ("Sie machen's!"). Bach gab Zeppelin Ratschläge zu Materialien und Technik, erstellte ein positives Gutachten und empfahl ihm qualifizierte Absolventen für die Umsetzung seines Projektes. Bach wurde einer der wichtigsten Fürsprecher Zeppelins im Verein Deutscher Ingenieure (VDI).
Dieselmotor
Robert Diesel berichtete Bach, dass er aus dessen Werk "Maschinenelemente" wichtige Anregungen für die Konstruktion seines Motors erhalten hatte.
"Als ich mich in meiner Hilflosigkeit in der damaligen Literatur umsah, stieß ich auf die eben erschienene 2. Auflage von C. Bach "Die Maschinenelemente", die mich so begeisterte, dass ich kurz entschlossen meinen Motor liegen ließ und mit Heißhunger Bachs Buch von der ersten bis zur letzten Seite studierte, eine Arbeit, die mich - bei meiner sonstigen angestrengten praktischen Tätigkeit - fast ein Jahr in Anspruch nahm. Diese Zeit war aber nicht verloren, denn dann konnte ich - so glaube ich wenigstens - konstruieren; ich hatte aus dem Buche gelernt, förmlich mitzufühlen, was in jedem Maschinenorgan vor sich geht, wie ein Turner bei seinen Übungen fühlt, wie seine Glieder gedehnt, gedrückt, gebogen werden; die Maschine war mir ein lebendes Wesen geworden, das ich ganz verstand und mit dem ich mich eins fühlte."
Württembergischer Dampfkesselrevisionsverein
Der Württembergische Dampfkesselrevisionsverein wurde am 5. April 1885 gegründet. Bach war der erste Vorsitzende und behielt den Vorsitz bis 1927.
Dampfkesselrevisionsvereine entstanden in den industriellen Ballungszentren der Länder. Sie wurden meistens von Betreibern von Dampfkesselanlagen eingerichtet, aufgrund der zahlreichen, verheerenden Unfälle mit vielen Opfern und Zerstörungen von Produktionsstätten. Die staatlichen Kontrollen brachten keine Verbesserung, da sie von Beamten geführt wurden, die keine entsprechende Ausbildung und Erfahrung besaßen. Die Vereine hatten Inspektoren, die die Kesselanlagen regelmäßig überprüften.
In Württemberg gab es eine enge Verbindung zwischen dem Dampfkesselrevisionsverein und dem WIV, sowohl personell durch Bach und andere Persönlichkeiten, als auch durch die gemeinsame Erarbeitung von Normen, z.B. für die Untersuchung an Kesseln und die Ausbildung von Heizern.
Die Dampfkesselrevisionsvereine wurden 1938 durch einen Hoheitsakt des Reichswirtschaftsministeriums in "Technische Überwachungsvereine" (TÜV) umbenannt.
Hintergrundinformation: WIV
Der Württembergische Ingenieurverein oder württembergische Bezirksverein des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) wurde im Jahre 1877 gegründet, 21 Jahre nach der Gründung des gesamtdeutschen Vereins.
Ziel des Vereins war und ist die Förderung von Gewerbe und Industrie. Der Verein nahm starken Einfluss auf den technischen Fortschritt im Land. Hervorzuheben sind der erfolgreiche Vorschlag zur Errichtung der Materialprüfungsanstalt und eines Lehrstuhls für Elektrotechnik. Ein Dauerthema blieb auch die praktische Ausbildung von Maschineningenieuren.
Bach war Mitglied des WIV und 1882 bis 1883 sein Vorsitzender.
Die Robert-Bosch-Stiftung
Robert Bosch gehörte zu den Freunden von Bach. Diese Freundschaft führte dazu, dass 1910 eine mit 1 000 000 Mark ausgestattete Robert-Bosch-Stiftung gegründet wurde, die besonders den technischen Disziplinen zu gute kam (u.a. erhielten das Ingenieurlaboratorium 350 000 Mark und die Materialprüfungsanstalt 100 000 Mark). Es handelt sich um die erste große Kapitalstiftung von Robert Bosch.
Einer seiner Schüler
Bach hatte eine Vielzahl von bedeutenden Schülern. Beispielhaft soll Franz Lappe erwähnt werden, dessen Arbeiten zur chemischen Hochdrucktechnik einen wichtigen Beitrag für die Umsetzung der Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren lieferten.
Bach hätte ihn gerne als Leitenden Ingenieur in seinem Ingenieurlaboratorium behalten, aber Lappe wollte in die Praxis. Mit einer besonderen Empfehlung von Bach fing er 1907 in der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) an. Er wurde zum engsten Mitarbeiter von Carl Bosch (Neffe von Robert Bosch), der den Auftrag hatte, die Ammoniaksynthese aus der Laboranlage in die Großtechnik zu überführen. Carl Bosch bekam für diese Leistung 1931 den Nobelpreis. Die Leistungen von Franz Lappe wurden von Carl Bosch ausdrücklich am Ende seines Nobelpreisvortrags hervorgehoben:
"It scarcely need be added that this achievement has only been made possible by a large staff of colleagues. It is probably true to assert that such numbers have never before been engaged on one single problem. I sincerely wish to mention in particular two colleagues present here to-day who threw themselves heart and soul into our work from the very outset, namely Dr. Mittasch, head of the scientific laboratory, and Dr. Lappe who was in charge of technical development. To them I would like to acknowledge now my gratitude for their unstinting, loyal co-operation."
(Carl Bosch: The development of the chemical high pressure method during the establishment of the new ammonia industry. Nobel Lecture, May 21, 1932.)
Das Erbe
Aus der Materialprüfungsanstalt und dem Ingenieurlaboratorium sind insgesamt acht Institute der heutigen Universität Stuttgart hervorgegangen:
- Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen
- Thermische Strömungsmaschinen und Maschinenlaboratorium
- Maschinenelemente
- Maschinenkonstruktion und Getriebebau
- Verbrennungsmotoren und Kraftfahrtwesen
- Umformtechnik
- Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde
- Luftfahrtantriebe
Im Universitätsarchiv der Technischen Universität Chemnitz befindet sich der umfangreiche und breitgefächerte Nachlass von Carl Bach. Er umfasst ca. 20 laufende Meter Archivgut und setzt sich aus biographischem Material, wissenschaftlichen Arbeiten, den Manuskripten seiner Hauptwerke in den verschiedenen Auflagen und Bachs Geschäfts- und Privatkorrespondenz zusammen.
Biographie: Carl von Bach (1847 - 1931)

8.3.1847 |
Geburt als zweites Kind der Familie Heinrich und Carolina Bach in Stollberg |
1853 - 1861 |
Schule in Stollberg |
1861 - 1863 |
Schlosserlehre in Stollberg, zusätzlich Besuch der Abendschule und Sonntagsschule des Stollberger Gewerbevereins |
1863 - 1864 |
Arbeiter in der Maschinenfabrik R. Hartmann in Chemnitz |
1864 - 1866 |
Besuch der höheren Gewerbeschule / Werkmeisterschule der Technischen Lehranstalten in Chemnitz |
1866 |
Aufnahme des Studiums an der Polytechnischen Schule in Dresden |
1868 - 1870 |
Assistent bei Professor Kankelwitz am Polytechnikum Stuttgart |
1870 - 1871 |
Freiwilliger im deutsch-französischen Krieg |
1872 - 1873 |
Abschluss des Studiums an der Technischen Hochschule in Karlsruhe |
1873 - 1874 |
Ingenieurtätigkeit in England |
1874 - 1876 |
Erster Ingenieur der Maschinenfabrik W. Knaust in Wien |
1876 - 1878 |
Direktor der Lausitzer Maschinenfabrik in Bautzen |
1878 |
Berufung als Ordentlicher Professor des Maschineningenieurwesens nach Stuttgart |
1880 |
Veröffentlichung "Die Maschinenelemente, ihre Berechnung und Konstruktion mit Rücksicht auf die neueren Versuche" |
1881 |
Vorstand des Württembergischen Bezirksvereins im Verein Deutscher Ingenieure |
1884 |
Gründung der Staatlichen Materialprüfungsanstalt |
1884 - 1927 |
Vorsitzender des Württembergischen Dampfkessel-Revisions-Vereins e.V. |
1885 - 1888 |
Erster Rektor seit Einführung der Rektoratsverfassung am Polytechnikum Stuttgart |
1889 |
Veröffentlichung "Elastizität und Festigkeit. Die für die Technik wichtigsten Sätze und deren erfahrungsgemäße Grundlage" |
1893 |
Ruf an das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich |
1895 |
Ruf an die Technische Hochschule in Berlin |
1902 |
Ruf an die Technische Hochschule in Wien |
1914 |
Ernennung zum Staatsrat |
1918 |
Verleihung des Titels Exzellenz als erstem Professor und erstem Ingenieur in Württemberg |
1.10.1922 |
Emeritierung |
1927 |
Ehrenbürger der Stadt Stuttgart |
1927 |
Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Stuttgart |
1931 |
gestorben in Stuttgart |
|