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Stuttgarter Impulse

Wie das "Schöne" in Stuttgart Einzug hielt

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Ästhetik an der Technischen Hochschule

Von Monika Jörg-Rössler

Wohn- und Arbeitsraum Vischers 1889

Naturgemäß standen an der Technischen Hochschule Stuttgart die Ingenieurwissenschaften im Vordergrund. Gleichwohl etablierte sich hier seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Ästhetik als eines der ersten geisteswissenschaftlichen Gebiete. Anspruchsvoll an philosophischen Grundfragen arbeitend, mitreißend in Vorlesungen präsentiert und durch markante Persönlichkeiten vertreten, hat die Ästhetik im Lauf der Geschichte ein breites Publikum aller Fachrichtungen fasziniert. Drei berühmte Köpfe stellen wir Ihnen vor.

Friedrich Theodor Vischer
Vischer sagte einmal als Kind, er wolle entweder nur Maler oder ein Hanswurst werden. Maler wurde er nicht, dafür ein gefürchteter und geschätzter Gelehrter und Publizist. Durch seine mitreißenden Vorlesungen in Tübingen, Zürich und später am Stuttgarter Polytechnikum wurde er berühmt und zog ein breites Publikum an.

Käte Hamburger
Durch den Krieg und die Nationalsozialisten nach Schweden vertrieben, strich sie zur Verdeutlichung ihrer Entbehrungen das "h" im Vornamen. Ihre Habilitation erlangte sie erst bei ihrer späten Rückkehr nach Deutschland. In diesen Stuttgarter Jahren verfasste sie unzählige Werke und wurde zu einer weltweit renommierten Geisteswissenschaftlerin, die auch die Lehre an der Universität Stuttgart entscheidend mitprägte.

Max Bense
Ein anarchischer Querdenker, Literat der Avantgarde, Schöpfer der "Informationsästhetik", Förderer "konkreter Poesie", Philosoph, Mathematiker, Physiker, usw.. Max Bense hat in 41 Jahren in Stuttgart viele Spuren hinterlassen.

 

Friedrich Theodor Vischer in Tübingen

War Vischer auch von Beginn an als unbequemer Quergeist gefürchtet, so etablierte er sich schließlich doch durch seine Brillanz und Exaktheit an der Universität Tübingen.

 

Kampfgeist und Rhetorik

Tübingen war mehrfach Station sowohl in Vischers Leben als auch in seinem akademischen Arbeiten. Die theologische Ausbildung führte in zweimal ins Tübinger Stift - einmal als Schüler, zum anderen Mal als Lehrer - und nach seiner Habilitation durfte er an der Universität ab 1837 als außerordentlicher Professor erste Kostproben seiner außerordentlichen Redegewandtheit und energischen Rhetorik geben. Ob Faust, Ästhetik oder Philosophie - Vischer war immer penibel vorbereitet, identifizierte sich ganz mit seinem Thema und hielt bis ins hohe Alter hinein seine Vorträge und Reden stets frei mit teils drastischen Worten und voll eigenwilligen Humors.

Als streitbarer Geist machte er sich im Senat der Universität nicht nur Freunde, jedoch waren seine Vorlesungen bei den Studenten äußerst beliebt und so gut besucht, dass ihm 1844 nach dem vierten Anlauf die ordentliche Professur nicht länger verweigert werden konnte. Mit einem Paukenschlag leitete er sie ein und überschritt in seiner Antrittsrede alle von Kirche und Staat erlaubten Grenzen. Der "Fall Vischer" geriet zum Politikum weit über die Landesgrenzen hinaus. Um den Frieden wiederherzustellen, entzog man ihm für zwei Jahre die Lehrerlaubnis. In dieser Zwangpause nahm er seine ambitionierten Werke zur Ästhetik in Angriff.

Fr. Th. Vischer (1807-1887)  

Hintergrundinformation: Antrittsrede

Die Antrittsrede Vischers am 21. Nov. 1844 schlug hohe Wellen, da einige Passagen zuerst seine Kollegen, dann die Pietistenpartei und schließlich den König gegen ihn aufbrachten, was zuletzt zu seiner zweijährigen Suspendierung führte.

Die Senatoren der Universität düpierte er mit der Anmerkung, dem Staate sei nicht mit Männern gedient, die den Finger im Reisbrei abbrächen, und der Aufforderung, die Gelehrten sollten endlich lernen, aufrecht zu gehen, Brust heraus! Den Senatoren wurde nahegelegt, im Talar würdig zu gehen und die Reihe einzuhalten, außerdem sähe ein Professor mit Bart ehrwürdiger aus, als einer ohne Bart. Vischer war im Gegensatz zur Mehrzahl Bartträger.

Die Pietisten sahen in der Rede ein geeignetes Instrument, den langjährigen Gegner anzugreifen. Mit übersteigerten, teils anonymen Denunziationen sollte gezeigt werden, dass Vischer Religion und Kirche verhöhne, die Vorsehung geleugnet und erklärt habe, für ihn gebe es keine Religion mehr. Tatsächlich stellte Vischer die Ästhetik über alle anderen Wissenschaften - auch die Theologie - und rechnete gründlich mit der von ihm so verhassten "scholastischen Bildungsweise" ab.

"...so verspreche ich denn den Feinden - im Prinzip - einen Kampf ohne Rückhalt, ich verspreche ihnen - im Prinzip - meine volle, ungeteilte Feindschaft, meinen offenen und herzlichen Hass."

Da Vischer die Angriffe umfassend abzuwehren wusste und die Pietisten die erhoffte Entfernung Vischers aus dem Amt so nicht erreichen konnten, wandten sie sich an den König und stellten Vischers Angelegenheit als Aufruhr gegen Gesetz und Ordnung dar. Trotz zahlreicher Verteidigungen, Debatten und Abstimmungen kam es trotz der Anerkennung der Schuldlosigkeit seitens Vischer zum befristeten Entzug der Lehrerlaubnis.

 

Politische Gehversuche und "Exil"

Neben seiner Lehrtätigkeit forderte Vischer wenige Jahre später die Politik: Mehr aus Pflichtgefühl denn aus Ehrgeiz wurde er zum Abgeordneten der Linksdemokraten in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und war am Stuttgarter Rumpfparlament 1849 beteiligt. Dieses Engagement sowie seine mit Verve geführten Auseinandersetzungen mit dem Pietismus waren seiner Stellung in der Tübinger Gesellschaft wenig zuträglich, was ihn 1855 zum "Auswandern" an das Polytechnikum Zürich bewegte.

Hintergrundinformation: Stuttgarter Rumpfparlament 1849

Nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung tagte ein in seinem Bestand stark reduziertes Gremium in Stuttgart zwischen dem 6. und 18.6.1849 weiter, das schließlich durch das württembergische Militär am 18.6. aufgelöst wurde.

 

Die Rückkehr nach Schwaben

1866 kehrte Vischer aus der Schweiz nach Tübingen als Professor zurück und übernahm zusätzlich Lehrtätigkeiten in Stuttgart. Da ihm das Universitätsstädtchen nach seinem 11jährigen Aufenthalt in der "großen Welt" von Zürich jedoch zu eng erschien, setzte er nach langwierigem Kampf 1869 die Einrichtung eines Ordinariats für Ästhetik und Deutsche Literatur am Polytechnikum Stuttgart durch. Die Ästhetik in Stuttgart war geboren.

Über Jahre ließ ihn jedoch die Idee einer Verlegung der Universität vom kleinbürgerlichen Tübingen in die große Hauptstadt Stuttgart nicht los. Sogar eine Festrede anlässlich des Geburtstages des Königs widmete er diesem Thema - wie wir wissen, erfolglos.

 

Vischer in Stuttgart

"Und wenn Vischer über Bürstenbinderei lesen würde, so würde ich das Kolleg belegen."
(Ein Student)

 

Bildung für breiteste Kreise

Die Stuttgarter Jahre wurden für Vischer zum Triumphzug. Seine Vorlesungen gehörten bald zum wichtigen Bildungskanon der Stuttgarter Gesellschaft, und auch die Studentenschaft verehrte ihn.

Die exakt und überaus penibel vorbereiteten und makellos frei gehaltenen Vorträge und Vorlesungen wurden zu seinem Markenzeichen und führten dazu, dass das bislang fast ausschließlich technisch orientierte Polytechnikum zum Bildungszentrum der Hauptstadt wurde. Es gehörte bald zum guten Ton, neben Oper und Theater "zu Vischer" zu gehen. Selbst in höchsten Kreisen wurden seine Zyklen über deutsche Literaturgeschichte und Ästhetik als Sternstunden gefeiert.

 

Hegel versus Goethe-Mikrologen

Seine Abende verbrachte Vischer grundsätzlich ohne Arbeit und "kneipte" mit Größen wie Mörike und dem Grafen von Zeppelin.

Zu seinen Idolen gehörten Hegel und der Schriftsteller Jean Paul, und er wurde nicht müde, gegen die von ihm als "Stoffhuber" und "Mikrologen" bezeichneten Philologen anzuschreiben, die etwa Goethes Werke bis ins Kleinste zu zerlegen versuchten:

"War's um sechs Uhr oder sieben, - Wann er diesen Vers geschrieben? - War's vielleicht präzis halb achte - Als er zu Papiere brachte, - Diesen Einfall, diesen Witz?"

Gleichwohl versöhnte er sich vor allem in den späteren Jahren wieder und erlaubte zwei entgegengesetzte Möglichkeiten, die Wahrheit zu lesen: das Lesen von Gedanken und das Lesen von Bildern. "Zwischen Ästhetik und Philologie ist nicht notwendig Streit."

Hintergrundinformation: "Mikrologen"

Ein von Vischer benutztes "Schimpfwort", das hier auf Philologen abzielte, die sich weniger mit dem Gedicht an sich beschäftigten, sondern minuziös auf unwichtige Randbedingungen stürzten.

 

Vischer und die Ästhetik

"... denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt."
(F. Nietzsche, "Die Geburt der Tragödie")

 

"Über das Erhabene und Komische"

Schon in den Studienjahren hatten Vischer die Fächer Philosophie, Ästhetik und Literatur mehr gefesselt als die Theologie. Er habilitierte sich 1837 mit der Schrift "Über das Erhabene und Komische", mit der er auf der Philosophie Hegels aufbaute.
Allerdings wollte Vischer zeigen, dass das Erhabene und das Komische nicht, wie bei Hegel, geschichtliche Übergangsformen, sondern Elemente des Schönen selbst seien. Das Schöne war ihm die sinnliche Erscheinung, das Bild einer bestimmten Idee. Mit einer etwas eigenwillig angewandten dialektischen Methode zeigte Vischer, wie die Idee das Bild überwächst, in seiner Unendlichkeit zum Erhabenen wird und schließlich ins Komische umschlägt.

Hintergrundinformation: geschichtliche Übergangsformen

Vischers Ästhetik führte in die Erkenntnis des "Schönen" wertbeständige Prinzipien ein, die sich mit der Zeit nicht ändern. Hegels Ästhetik proklamiert dagegen einen Wandel der Begrifflichkeiten des "Schönen".

 

Die Wissenschaft des Schönen

Mit seinem in den Jahren 1846 bis 1857 entstandenen sechsbändigen Hauptwerk "Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen" schuf Vischer eine der bedeutendsten ästhetischen Gesamtdarstellungen der nachhegelschen Ästhetik. Vischer wollte die idealistische Ästhetik Hegels fortsetzen, ergänzen und zu Ende denken.

Darin versuchte er, eine metaphysische Begründung des Schönen zu finden. Die "absolute Idee" der Schönheit und ihrer jeweiligen Realisierungsformen in Kunst und Natur hebt alle "alltäglichen" Zufälle und Widersprüche durch Anbindung an eine "höhere Notwendigkeit" auf und führt so zur Versöhnung zwischen "Mensch und der Welt". Das Schöne fungiert hier sozusagen als letzte Instanz, die dem Menschen hilft, in der Welt zurecht zu kommen.

War Hegels Ästhetik hauptsächlich von theologischen Aspekten durchdrungen, so hatte Vischers Ästhetik eine grundsätzlich von der Hegelschen Ästhetik unterschiedene Zielrichtung: Sie sollte die moderne, von der Theologie emanzipierte Menschheit auf eine neue, nicht-theologische, nämlich auf eine ästhetische Weise in eine tiefere, ja unmittelbare Beziehung mit der Welt setzen.

Vischer wollte mit dieser Arbeit ein vollständiges System des Schönen schaffen. Allerdings kamen ihm bald Zweifel auf und im Jahre 1873 kritisierte er bereits selbst seine Arbeit. Er zog es vor, diese Kritik selbst zu verfassen, da er Kritik von außen nur schwer ertragen konnte.

Hintergrundinformation: Vischer über seine Ästhetik

"Hols der Teufel, das Buch zerrt mich in unlösbare Zweifel der Selbsterkenntnis"

"Alles wie in der Nase gegrubelt, viel Inhalt, aber verzwickt und vernörkelt"

"Ich fühle immer, wie breit es wurde, und wußte doch meinem Saich nicht Einhalt zu tun, Geistlose Gewissenhaftigkeit"

"Das ganze ist und bleibt verzwickt, trocken, unerquicklich"

 

Was ist das epische Präteritum?

Käte Hamburger gelang es mit ihrer 1957 erschienen Habilitationsschrift "Logik der Dichtung" ein literaturtheoretisches Standardwerk zu schaffen, das sofort internationale Bedeutung erlangte. Sie wies darin vor allem unter ganz ungewohnten Fragestellungen bisher unbemerkte Strukturen des Erzählens nach.

Käte Hamburger (1896-1992)  

 

Morgen war Weihnachten ...

Käte Hamburger war immer zugleich Literaturwissenschaftlerin und Philosophin. Schon in ihrer Studienzeit (Literaturgeschichte, Philosophie und Kunstgeschichte zuerst in Berlin, dann in München, wo sie 1922 im Fach Philosophie promovierte), insbesondere in ihrer Dissertation "Schillers Analyse des Menschen als Grundlegung seiner Geschichts- und Kulturphilosophie", verband sie philosophische mit literaturwissenschaftlichen Fragen. Somit versuchte sie auch, poetische Aussagen in den Bereich der Logik mit einzubeziehen.

Ihr Hauptwerk "Logik der Dichtung", mit dem sie sich 1956 als Sechzigjährige an der damaligen TH Stuttgart habilitierte, zeigt anhand verschiedener Literaturgattungen das Verhältnis von Realität und Fiktion. Es geht ihr dabei vor allem um das Nachdenken über die grammatikalischen Grundbedingungen des Sprechens. Sie weist auf das grammatische Phänomen des "epischen Präteritums" hin: Das "Es war einmal ..." des Märchens behauptet keine andere Zeit als die des Erzählens selbst. Nur in der Dichtung kann ein Satz wie "Morgen war Weihnachten" sinnvoll sein - und dort fällt uns seine scheinbare grammatische Unmöglichkeit nicht einmal auf.

 

Käte Hamburger und die Universität Stuttgart

In Hamburg als Tochter eines gutbürgerlichen Hauses geboren, gehörte Hamburger zur ersten Generation von Frauen in Deutschland, die regulär studieren durften. 1928 ging sie nach Berlin und wurde Privatassistentin von Paul Hofmann (außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Berlin). Als Jüdin flüchtete sie 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland und verbrachte 22 Jahre im Exil in Schweden, wo sie als Lehrerin und Schriftstellerin tätig war.

Während einer Berliner Tagung über Thomas Mann lud der damalige Stuttgarter Ordinarius für Literaturwissenschaft und Ästhetik Fritz Martini im Jahr 1956 Käte Hamburger ein, an die TH Stuttgart zu kommen. Zunächst war sie im Rahmen der "Bildungsfächer" und des "Studium Generale" tätig, schnell trug sie aber mit ihren ausgezeichneten Vorträgen und Seminaren dazu bei, den Ruf der Technischen Hochschule zu fördern und die Erweiterung der Geisteswissenschaften zu forcieren.

So war sie von 1957 bis 1977 in Stuttgart als Professorin tätig und beeindruckte sowohl das studentische als auch das nicht-studentische Auditorium mit ihrer exakt ausgearbeiteten Denkmethode und Begriffsschärfe, aber auch mit ihrer Kenntnis des breiten Spektrums europäischer Literatur. Als Philosophin und Ästhetikerin beschäftigte sie sich vor allem mit jenen Dichtern, die ein philosophisches Werk aufweisen konnten, oder wenigstens von der Philosophie geprägt waren, wie Schiller, Novalis, Jean Paul, Sartre oder Rilke, dessen Werk sie als gedichtete Philosophie verstand.

 

Käte Hamburger - ihr Ruhm - ihre Beziehungen

Obwohl ihr erst spät die Anerkennung zuteil wurde, die ihr nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zweifellos längst zustand, erreichte sie in den 36 Jahren, die sie in Stuttgart verbrachte, ein äußerst großes Publikum. So wurde ihr 1989 vom Land Baden-Württemberg der "Schiller-Gedächtnispreis" im Neuen Schloss Stuttgart verliehen. Auch die beiden Ehrendoktorwürden (1980 für Philosophie an der Universität Siegen, 1989 für Theologie an der Universität Göttingen) gehörten zu den besonderen Auszeichnungen der Wissenschaftlerin. Illustre Bewunderer wie das Ehepaar Weizsäcker und zahlreiche Ehrungen durch Wissenschaft und Staat wurden ergänzt durch den großen Kreis wissenschaftlicher Weggefährten wie Fritz Martini, Max Bense und Elisabeth Walther-Bense.

Lebenslang war ihre Arbeit jedoch überstrahlt von der Bekanntschaft mit und der Bewunderung für Thomas Mann, dessen Werke sie oft zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht hatte.

Hintergrundinformation: Elisabeth Walther-Bense

Elisabeth Walther-Bense, geboren 1922 in Oberweißbach/Thüringen, hat an den Universitäten Jena, Mainz und der Technischen Hochschule Stuttgart studiert. Ihre Lehrtätigkeit im Fach Philosophie an der TH, später Universität, Stuttgart umfasst fast 30 Jahre. Elisabeth Walther war gemeinsam mit Max Bense Herausgeberin der Reihe "rot" sowie der Internationalen Zeitschrift für Semiotik und Ästhetik "Semiosis". Ihre Schwerpunkte sind Semiotik, Ästhetik, Pragmatismus und Peirce-Forschung.

 

Mit Käte Hamburger die ästhetische Wahrheit finden...

"Der Begriff Wahrheit ist durch den Bedeutungsinhalt konstituiert: identisch zu sein mit dem, was der Fall ist."
Verum mihi videtur esse id quod est.
(Augustinus, Solloquien)

 

Begriffe auf dem Prüfstand

Exaktheit war eine Maxime des Lebens und Denkens von Käte Hamburger. So forderte sie von ihren Studenten und Gesprächspartnern Begriffsschärfe und sprachliche Präzision. Auch Koryphäen waren nicht sicher vor ihren unerbittlichen Analysen. Bei Autoren wie Schiller, Lessing oder Schopenhauer bezeichnete sie unscharfe Wortwahl oder fehlerhaftes Begriffsverständnis als "erlauchte Denkfehler".

Ihre Hauptwerke beschäftigten sich mit Begriffen wie Dichtung, Humor, Wahrheit, Mitleid. In ihrem Werk "Wahrheit und Ästhetische Wahrheit" untersucht sie den Begriff Wahrheit in all seinen Erscheinungsformen. Vor allem steht dabei die "ästhetische Wahrheit" und das Wahrheitsproblem in der Dichtung auf dem Prüfstand.

In den beiden Sätzen
Raben sind schwarz
und
Es ist wahr, dass Raben schwarz sind
wird deutlich, dass es sich bei "dem Wahren" nicht um eine Eigenschaft, um ein Attribut handelt, das vom Autor zugeschrieben wird. "Wahrheit" ist vielmehr mit dem jeweiligen "der Fall sein" identisch und die Aussage "Es ist wahr, dass..." kann somit auch weggelassen werden. Dagegen sind Begriffe wie "das Schöne" und "das Gute", die (vor allem in der Dichtung, der Kunst und Ästhetik oder in der Kunstkritik) traditionell und klischeehaft dem Wahren gleichwertig zugeordnet werden, sehr wohl Attribute, die relativ sind und von der Beurteilung des betrachtenden Individuums abhängen.

Hamburger zeigt, wie oft Ästhetik und Wahrheit von den Dichtern und Künstlern selbst völlig unproblematisch und selbstverständlich zusammengefügt werden: für Schiller ist "eine poetische Darstellung absolut wahr", der Maler Max Liebermann bezeichnet Poesie als die Künstlerische Wahrheit, "mit der das Genie die Natur auffasst". Die Wahrheit ist aber aus semantischen Gründen weder auf die Interpretation von Kunstwerken anwendbar, noch kann sie als "ästhetische Wahrheit" nachgewiesen werden, weil dies einen Widerspruch in sich darstellt.

Hintergrundinformation: Begriff Wahrheit

Kaum ein anderer Grundbegriff der philosophischen Tradition weist so viele unterschiedliche Bedeutungen auf wie der Begriff der Wahrheit. Viele Versuche einer genauen Bestimmung des Begriffes haben die bei Thomas von Aquin zu findende klassische adaequatio-Formel der Wahrheit veritas est adaequatio rei et intellectus (Wahrheit ist die Angleichung eines Dinges und des Verstandes) zum Ausgangs- und Bezugspunkt.

 

Die Programmierung des Schönen

Im Rahmen einer technischen Zivilisation existiert kein essentieller Unterschied mehr zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Produktivität. Die Ästhetik hört auf, die zweifelhafte Existenz einer philosophisch spekulativen Wissenschaft zu sein, und entwickelt sich immer mehr zu einer technischen Wissenschaft, ist also durch neue Medien produzierbar, wird programmierbar.

 

Benses Einzug in die TH Stuttgart

Max Bense promovierte 1937 nach dem Studium der Physik, Mathematik, Philosophie und Geologie an der Universität Bonn zum Dr. phil. nat. mit der Dissertation "Quantenmechanik und Daseinsrelativität". Nach Anstellungen als Physiker und Mathematiker sowie einer Zeit als Soldat konnte er sich nach Kriegsende an der Universität Jena habilitieren.

Jedoch erkannte er schon nach kurzer Zeit, dass er im politischen Klima der Ostzone nicht die erhoffte Wissenschaftsfreiheit finden konnte, und verließ ohne Besitz und ohne eine neue Stelle in Westdeutschland die sowjetische Besatzungszone. Bezeichnenderweise provozierte er schon hier die Machthaber mit seiner letzten Vorlesung, die sich gegen den sowjetischen Philosophen Alexandrow richtete, und schuf dadurch den ersten "Fall Bense".

Wie auch sieben Jahre später bei Käte Hamburger war 1949 Fritz Martini die treibende Kraft, Bense die Kandidatur zu einer Gastprofessur für Philosophie und Wissenschaftstheorie vorzuschlagen. Er erhielt den Zuschlag vor den Mitbewerbern Pascual Jordan und Carl Friedrich von Weizsäcker und wurde anschließend am 1. Oktober 1950 zum außerordentlichen und am 24. März 1963 zum ordentlichen Professor für den neueingerichteten Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der TH Stuttgart ernannt.

 

Numerische Ästhetik und Semiotik in Stuttgart

Bense glänzte nicht zuletzt über viele Jahre hinweg durch seinen lebhaften, anti-akademischen, mit hohem Körpereinsatz unterstrichenen Vortragsstil, dem eine bunte Mischung Intellektueller und philosophisch Interessierter jeder Couleur lauschte. "In erster Linie war es aber wohl die hinter den obsessiven Gebärden steckende geistige Kombinatorik, die für viele das Faszinosum an Benses Auftritten ausmachte, jene Respektlosigkeit vor eingeschliffenen Denkklischees und hehren Worten."

Benses Veranstaltungen brachten, wie 100 Jahre zuvor bei Vischer, ein breites Publikum mit der Technischen Hochschule Stuttgart in Verbindung. Seine hervorragenden wissenschaftlichen Forschungen über Semiotik und numerische Ästhetik stellten unter anderem einen Versuch dar, die Natur- mit den Geisteswissenschaften zu verbinden. Die von Max Bense, Elisabeth Walther-Bense und zahlreichen Schülern weiterentwickelte Semiotik von Charles Sanders Peirce bildete vom Ende der 50er Jahre an den eigentlichen Forschungsschwerpunkt des Stuttgarter Instituts. Dies führte zu zahlreichen internationalen Kontakten, nicht zuletzt zur Gründung der Zeitschrift für Ästhetik und Semiotik "Semiosis".

Es gäbe noch unzählige Errungenschaften Benses für die Universität Stuttgart zu nennen - vielleicht diese:

  • 1950 gelang es ihm als einem der Hauptakteure, das "Studium Generale" mitzubegründen, eine Institution, die es auch den Ingenieuren ermöglichte, über den Tellerrand zu schauen und in andere universitäre Disziplinen hinein zu schnuppern.
  • 1956 trug er zur Erlangung des Promotionsrechtes in Philosophie an der TH Stuttgart bei, das dann 1967 die Umwandlung der Technischen Hochschule zu einer Universität ermöglichte.

Hintergrundinformation: Elisabeth Walther-Bense

Elisabeth Walther-Bense, geboren 1922 in Oberweißbach/Thüringen, hat an den Universitäten Jena, Mainz und der Technischen Hochschule Stuttgart studiert. Ihre Lehrtätigkeit im Fach Philosophie an der TH, später Universität, Stuttgart umfasst fast 30 Jahre. Elisabeth Walther war gemeinsam mit Max Bense Herausgeberin der Reihe "rot" sowie der Internationalen Zeitschrift für Semiotik und Ästhetik "Semiosis". Ihre Schwerpunkte sind Semiotik, Ästhetik, Pragmatismus und Peirce-Forschung.

Hintergrundinformation: Charles Sanders Peirce

Peirce (1839-1914) war einer der Urheber des Amerikanischen Pragmatismus. Als Mathematiker, Philosoph, Chemiker und Geodät sah er seine Berufung in Wissenschaftsphilosophie und Logik. Begründer der modernen Semiotik.

Hintergrundinformation: Semiotik und numerische Ästhetik

Die Informationsästhetik, die mit semiotischen und mathematischen Mitteln arbeitet, kennzeichnet die ästhetischen Zustände, die an Naturzuständen, künstlerischen Objekten, Kunstwerken oder Design beobachtbar sind, durch Zahlenwerte und Zeichenklassen.

Benses "Theorie der Texte" von 1962 und seine Informationsästhetik beriefen sich z.B. auf Technikwissenschaftler wie Claude Shannon oder Mathematiker wie George Birkhoff, von dem er die Formel M=O/C übernahm, die ein Maß für ästhetische Zustände darstellte. Hier wird eine Relation zwischen "Ordnung" und "Komplexität" eines ästhetischen Objektes abgeleitet, d.h. eine Relation von Ordnungsfaktoren wie Symmetrie oder der Elementarmenge des Objektes wie etwa der Anzahl von Strichen einer Computergraphik.

 

Das Schöne wird nach außen getragen - Die Studiengalerie - Die Stuttgarter Schule

Die Objektivierbarkeit ästhetischer Kriterien war Bense immer ein inneres Anliegen. So wurde der Begriff der "objektiven Ästhetik" zum Leitbegriff seines Kunstverständnisses.

Die ersten Ausstellungen, an denen sich Bense konzeptionell und organisatorisch beteiligte, fanden 1957 in Zusammenarbeit mit der "Galerie Gänsheide 24" statt, eine der bis dato wenigen Galerien für avancierte Kunst. Kurze Zeit danach gründete er im Rahmen des "Studium Generale" eine der ersten universitären Galerien in Deutschland - die "Studiengalerie". Sie wurde unter reger Beteiligung internationaler Künstler zu einem wichtigen Forum experimenteller Kunst. Die Öffentlichkeit durfte ab 1965 zum ersten Mal ein absolutes Novum bestaunen: Kunstwerke, die mit Hilfe von "Rechenprozessoren" hergestellt worden waren und unter dem Titel "Computergraphik" ausgestellt wurden.

Die "Stuttgarter Schule" ist ein weiteres Indiz für Benses intellektuelle Reichweite. Diese bestand aus einer Gruppe von Künstlern, Literaten und "freischwebenden Geistern", die sich von Benses ästhetischem Konzept und Radikalismus angezogen fühlten, und war so eine eher außeruniversitäre Gruppierung. (Der eigentliche Namensgeber war nicht Bense selbst, sondern der Autor Manfred Esser, der 1963 auf einer Tagung der französischen Gruppe "Tel Quel" in der Normandie von den provokanten Theorien dieser Schule in Stuttgart sprach, wonach die Bezeichnung sogleich in französischen und deutschen Zeitungen aufgegriffen wurde.)
Zentrale Leistungen der Stuttgarter Schule waren zum einen die von Bense begründete Theorie der "konkreten Poesie" (Laut- und Buchstabengedichte). In der konkreten Poesie wird Dichtung nicht in, sondern mit der Sprache veranstaltet und nach mathematischen Prinzipien neu zusammengefügt. Zum anderen stand die Beförderung einer "unpersönlichen", von Bense so genannten "künstlichen Poesie" im Mittelpunkt - speziell mit Hilfe von Großrechenanlagen erzeugte Stochastische Texte.
Der zum engeren Kreis gehörende experimentelle Autor und Stuttgarter Literaturprofessor Reinhard Döhl schlug später vor, den Namen "Stuttgarter Schule" ausschließlich auf die an Benses Institut geleistete wissenschaftliche Arbeit zu beziehen und durch die Bezeichnung "Stuttgarter Gruppe" zu ersetzen.

Max Bense, Aesthetica.  

Hintergrundinformation: Stochastische Texte

Texte, deren Wörter zufällig bestimmt werden. Es werden durch Würfeln oder einen sonstigen Zufallsprozess Sätze oder Satzteile ausgewählt und diese aneinandergesetzt. Die Diskussion drehte sich um die Einstufung solcher Artefakte als Kunst. Siehe die Arbeiten von Theo Lutz, einem damaligen Studenten am Rechenzentrum der TH:
externer Link http://www.reinhard-doehl.de/poetscorner/lutz.htm

 

Der II. Fall Bense

Wie in seinen universitären Vorträgen sprach Bense auch in der außeruniversitären Öffentlichkeit frei und unverblümt. Seine unmissverständlich ablehnenden Äußerungen gegenüber der Kirche und dem Papst führten im baden-württembergischen Landtag zu heftigen Diskussionen über den "Fall Bense".

Am 4. Dezember 1970 gab Max Bense den "Stuttgarter Nachrichten" ein Interview, in dem er auf den Papst-Attentäter von Manila angesprochen, folgendes äußerte:

"Frage: Wären Sie auch selber fähig, das Messer zu ziehen, zum Beispiel gegen den Papst?
Bense: Nein, ich töte nicht.
Frage: Sie töten nicht, Sie haben aber nichts dagegen, wenn das andere tun?
Bense: Gar nichts. Wenn das einer tut, kann das meine Bewunderung hervorrufen. Ich persönlich tue das nicht."

Von der Kirche initiiert, wurde eine Diskussion losgetreten, in deren Verlauf die CDU-Fraktion ein Disziplinarverfahren und eine sofortige Dienstenthebung forderte. Auch die anderen Parteien reagierten mit heftigen Angriffen. Nach großen politischen Wellen und Streits über die Lehrfreiheit, durch die auch der eine oder andere Politiker seinen Hut nehmen musste, publizierte Bense eine umfassende öffentliche Verteidigung und durfte weiterhin lehren.

Hintergrundinformation: öffentliche Verteidigung

Bense schrieb einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten Filbinger, in dem er sich gegen den Vorwurf der Gewaltverherrlichung wehrte. Er revidierte seine kritische Haltung gegenüber der Kirche allerdings nicht. Benses Schlussworte lauteten:

"Aufklärung ist ein nicht rückgängig zu machender Prozeß, und ein Professor, der kein Aufklärer ist, hat seine Funktion verfehlt."

 

Ästhetik und Technik

"[...] nicht die Erfindung der Atombombe ist das entscheidende technische Ereignis unserer Epoche, sondern die Konstruktion der großen mathematischen Denkmaschinen. Sie haben einen außergewöhnlich universalen Charakter, sie sind gleichermaßen technologische, mathematische, logische, soziologische und neurologische Prinzipien [...]"

Schon ab 1954 zeigte Bense in seinem Werk "Aesthetica", dass wir in einer Welt leben, deren Realität in starkem Maße eine künstliche bzw. technische ist. Daraus lässt sich ein innerer Zusammenhang zwischen Kunst und Technik, Ästhetik und Konstruktivität ableiten.

Kunst und Technik haben gemeinsam, dass sie beide Schönheit besitzen können, also ästhetisch zu rechtfertigen sind. Beide sind ein "Gemachtes" bzw. "Konstruiertes". Ihr Unterschied liegt in der Feinstruktur der Modi: Ein technisches Gebilde, wie eine Maschine etwa, besteht aus zusammenhängenden Einzelteilen, wovon jedes Teil seine bestimmte Funktion hat. Jedes Kunstwerk dagegen hat ein unabhängiges ästhetisches Sein, es funktioniert nicht, sondern es existiert. Eine Annäherung zwischen Kunst und Technik ist über den Begriff der "Vollkommenheit" möglich. Vollkommenheit ist sowohl ein Zustand künstlerischer wie auch technischer Gebilde. Vollkommenheit gehört zur Ästhetik wie auch zur Konstruktivität.

"Wie eng die ungewollte Verbindung von Kunstwerk und Produktform ist, zeigt die Gegenüberstellung von Plastiken und Autos aus den gleichen Zeiten."

Man kann also die aus der Ästhetik geläufigen klassischen Begriffe des "Kunstschönen" und "Naturschönen" durch den Begriff des "Technikschönen" ergänzen.

Die Ästhetik gehört zu den zwischen Natur- und Geisteswissenschaften vermittelnden Disziplinen und hat wie jede andere Wissenschaft ihre philosophischen Grundlagen. Sie ist kein fertiges System, sondern eine noch nicht abgeschlossene Theorie, also eine offene Wissenschaft, die ergänzungsbedürftig, revidierbar und kontrollierbar gehalten werden muss.

 

Ästhetisches Fazit

Sowohl Vischer als auch Bense und Hamburger stellten mit ihren Forschungen und Vorlesungen der technischen Orientierung der Stuttgarter Hochschule ein starkes geisteswissenschaftliches Moment gegenüber, das weit über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus beachtet wurde. Über einen Zeitraum von mehr als 130 Jahren prägten sie deutlich das Erscheinungsbild der Geisteswissenschaften in Stuttgart und konnten auch die Gesellschaft für ihre Themen faszinieren. Vischers Kollegs, Benses Montagsvorlesungen und Hamburgers Einsatz für das Studium Generale haben sicherlich viel für den geistigen Reichtum Stuttgarts beigetragen.

Nicht zuletzt vermochte es u.a. die Mitwirkung Benses bei der Einführung des Promotionsrechts für Philosophie, die technische Stuttgarter Hochschule mit dem Titel "Universität" zu adeln.

 

Biographie: Friedrich Theodor Vischer (1807 - 1887)

Vischer wurde 1869 Hauptlehrer an der Polytechnischen Schule Stuttgart für die neu geschaffene Lehr- und Forschungseinrichtung: Deutsche Literatur und Ästhetik.

Fr. Th. Vischer (1807-1887)

30.6.1807 geboren in Ludwigsburg als Sohn eines Pfarrers
1814 Gymnasium illustre (heute Eberhard-Ludwigs-Gymnasium) in Stuttgart
1821 Klosterschule in Blaubeuren
1825 Studium der Theologie im Tübinger Stift
1830 Vikar in Horrheim bei Vaihingen
1831 Repetent in Maulbronn
1833 Repetent in Tübingen
1836 Habilitation "Über das Erhabene und das Komische"
1837 außerordentlicher Professor für Deutsche Literatur und Ästhetik an der Universität Tübingen
1843 Bildungsreisen nach Griechenland und Italien
1844 - 1855 Ehe mit Thekla Heinzel
1844 ordentlicher Professor an der Universität Tübingen
1844 - 1846 Suspendierung wegen allzu freimütigen Antrittsrede seines Ordinariats (gegen Kirche und Pietismus)
1846 - 1857 Grundlagenwerk der Ästhetik in 6 Bänden: "Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen"
1847 Geburt des Sohnes Robert
1847 Rückkehr an die Universität Tübingen
1848 Abgeordneter der Linksdemokraten in der Frankfurter Nationalversammlung (Paulskirche), Vertreter des Wahlbezirks Reutlingen/Urach im Parlament
1855 Professor am Polytechnikum Zürich
Freundschaften mit Eduard Mörike (Gedenkrede zu dessen Tod), Gottfried Keller und David Friedrich Strauß, Bekanntschaft mit Georg Wilhelm Friedrich, Ludwig Uhland, Friedrich Hölderlin
1862 unter Pseudonym "Deutobold Symbolicetti Allegoriovitsch Mystificinsky" Parodie auf Goethes Faust: "Faust – der Tragödie dritter Teil"
einflussreicher, kritischer Publizist, Presseveröffentlichungen zu politischen, künstlerischen, philosophischen, theologischen und ästhetischen Problemen
1869 - 1877 Professor für Deutsche Literatur und Ästhetik an der Polytechnischen Schule Stuttgart
1873 "Kritik meiner Ästhetik" - Selbstkritik, an sein Hauptwerk gewendet, Vermeidung von Kritik von anderen
14.9.1887 in Gmunden gestorben

 

Biographie: Käte Hamburger (1896 - 1992)

Käte Hamburger schlug eine Brücke zwischen Philosophie und Literaturwissenschaft und leistete wichtige Beiträge zu Literaturtheorie und Ästhetik.

Käte Hamburger (1896-1992)

21.9.1896 geboren in Hamburg
1917 nach dem Besuch des Hamburger Mädchengymnasiums Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Literaturgeschichte in Berlin als eine der ersten studierenden Frauen
1918 Wechsel an die Universität München. Studium der Philosophie
20er Wohnhaft in Hamburg, an der Hamburger Universität Kontakt zu Ernst Cassirer. Dieser vermittelte ihre Arbeit "Novalis und die Mathematik" an die Deutsche Vierteljahrsschrift für Geistesgeschichte und Literaturwissenschaft
Februar 1922 Promotion mit einer Dissertation über "Schillers Analyse des Menschen als Grundlegung seiner Kultur- und Geschichtsphilosophie"
1928 Privatassistentin des Philosophen Paul Hofmann in Berlin, eines außerordentlichen Professors an der Universität Berlin
1932 Begegnung mit Thomas Mann nach ihrer im selben Jahr erschienenen Schrift "Thomas Mann und die Romantik"
1934 - 1956 Emigration und Leben in Schweden, Tätigkeiten als Journalistin, Schriftstellerin und Deutschlehrerin
1956 Einladung durch den Ordinarius für Literaturwissenschaft und Ästhetik Fritz Martini an die TH Stuttgart
1956 Habilitierung mit "Logik der Dichtung" als 60jährige
1957 Professorin an der TH Stuttgart für Literaturwissenschaft und Ästhetik. Nicht mehr ordentliche Professorin aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters, nur noch im Rahmen der sogenannten Bildungsfächer und Studium Generale tätig
1977 Emeritierung von der Universität Stuttgart
1980 Ehrendoktorwürde der Universität Siegen
1989 Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg
1989 Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen
1990 Einladung nach Bonn durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker
8.4.1992 gestorben in Stuttgart
1.4.1999 Einweihung des "Käte-Hamburger-Weges" auf dem Campusgelände der Georg-August Universität Göttingen

 

Biographie: Max Bense (1910 - 1990)

Bense war seit 1950 an der TH Stuttgart als Professor für Wissenschaftstheorie tätig und schuf hier seine numerisch begründete Ästhetik.

Max Bense (1910-1990)

7.2.1910 in Straßburg geboren, in Köln aufgewachsen
Studium der Mathematik, Physik, Philosophie und Geologie
1937 Promotion zum Dr.phil.nat. an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn mit der Dissertation "Quantenmechanik und Daseinsrelativität"
1937 nach der Promotion Anstellung als Physiker bei den I.G. Farben in Leverkusen, jedoch Intention nach Amerika zu emigrieren
1942 - 1945 Physiker und Mathematiker am elektromedizinischen Institut Dr. Hollmann in Berlin und Georgienthal
1945 Berufung zum Kurator (heute Kanzler) an die Universität Jena, mit dem Recht Vorlesungen zu halten
1946 Habilitation an der Universität Jena
1948 Verlassen der Universität Jena und der sowjetischen Besatzungszone aufgrund des wissenschaftsfeindlichen Klimas der kommunistischen Diktatur ohne Mitnahme seines Besitzes oder die Aussicht einer Neuanstellung in Westdeutschland
1948 Angriff von Seiten der politischen Machthaber in der Ostzone: "Fall Bense"
August 1948 nach seiner Flucht Vizepräsident im von den Franzosen gegründeten Rheinischen Kulturinstitut in Koblenz, Vorträge im Rheinland, Artikel in der Mainzer Allgemeinen Zeitung, Mitarbeit an den neu eröffneten Rundfunkanstalten in Köln und Baden-Baden
1949 Ausschreibung einer Professur der TH Stuttgart für das Fach naturwissenschaftlich fundierte Philosophie, der Max Bense, Carl Friedrich von Weizsäcker und Pascual Jordan folgen. Entscheidung für Bense
1949 Gastprofessor für Philosophie und Wissenschaftstheorie in der "Abteilung für Naturwissenschaften und Bildungsfächer" an der TH Stuttgart
1.10.1950 außerordentlicher Professor
1950 Mitbegründer des "Studium Generale"
1954 - 1960 "Aesthetica" (4 Bände)
1956 Erlangung des Promotionsrechtes für das Fach Philosophie an der TH Stuttgart durch aktiven Einsatz Max Benses und Fritz Martinis, eine Voraussetzung für die später erfolgte Umbenennung der TH in Universität Stuttgart
1957 Begründer der Studiengalerie der TH Stuttgart mit ersten Ausstellungen von Computergraphik
1962 "Theorie der Texte"
18.5.1966 ordentlicher Professor - Schwerpunkte seiner Arbeit: informationstheoretische Grundlegung der Ästhetik und maschinelle Erzeugung von Texten
1967 "Semiotik"
1975 "Semiotische Prozesse und Systeme"
März 1978 Emeritierung
1979 "Die Unwahrscheinlichkeit des Ästhetischen"
1988 Erneuerung von Benses Doktordiplom (Goldenes Doktordiplom) durch die Universität Bonn aufgrund seiner Verdienste auf den Gebieten der informationstheoretischen und semiotischen Ästhetik
29.4.1990 gestorben in Stuttgart