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Stuttgarter Impulse

Mehr als eine Lösung

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Hermann Fehling und die Chemie am Polytechnikum

Von Beate Ceranski und Volker Ziegler

Hermann Fehling

Seinem Neffen Ferdinand Fehling gaben sie während dessen Studium in Göttingen den Spitznamen "Lösung": so eng war (und ist) die Kupfervitriol-Lösung zum Nachweis von Zucker mit dem Namen von Hermann Fehling verbunden. Bis heute gehört die Fehling'sche Lösung zum Repertoire der Medizin, Pharmazie und Chemie.

Aber hinter Fehling, von 1839 bis 1883 Lehrer der Chemie an der Polytechnischen Schule Stuttgart, verbirgt sich viel mehr als eine Lösung. Er machte die Chemie in Stuttgart zum Paradepferd und Publikumsmagneten. Er inspirierte und begleitete durch Gutachten und Forschungen die Industrialisierung Württembergs. Er kämpfte mit gesundheitlichen Problemen und baute dennoch neue Institute. Er reiste und schrieb, er untersuchte Arzneimittel und Hochofenschlacken, Wasser und Brot.

 

Aus Paris in die Schwabenhauptstadt

Am 11. Juni 1839 wurde im Regierungsblatt für das Königreich Württemberg die Stelle des Hauptlehrers für Chemie und Technologie ausgeschrieben. Unter den dreizehn Bewerbern war auch der gerade 28 Jahre alt gewordene Hermann Fehling aus Lübeck. Er trat die Stelle im September 1839 an.

 

Nordlicht im Schwabenland

Fehling stammte zwar gebürtig aus Lübeck, kam jedoch zum Zeitpunkt seiner Bewerbung in Stuttgart frisch aus Paris. Mit dem mehrmonatigen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt, dem damaligen Weltzentrum der Naturwissenschaften, hatte er seine Ausbildung gekrönt. Fehling war zunächst bei einem Apotheker in die Lehre gegangen, hatte dann in Heidelberg Chemie studiert und anschließend zwei Semester bei Liebig in Gießen im Laboratorium gearbeitet. Der 28jährige hatte demnach eine Ausbildung erster Klasse und entsprechende Referenzen vorzuweisen. Kein Wunder also, daß er den Zuschlag erhielt.

Allerdings wurde ihm die Stelle zunächst provisorisch übertragen, da seine Lehrbegabung noch nicht erwiesen war. Fehling behielt damit zunächst seine Lübeckische Staatsbürgerschaft und residierte als Ausländer im Schwabenland. Erst durch die unbefristete Übertragung der Stelle im Frühjahr 1841 und durch die Eheschließung mit einer Stuttgarter Professorentochter wurde Fehling ein Württemberger.

Die Gliederung des deutschen Sprachraums in viele Einzelstaaten machte Fehling nicht nur zum Ausländer in Württemberg, sie hatte auch Bedeutung für seine Tätigkeit. Denn nach dem Willen der Regierung sollte er nur Württemberger als Assistenten anstellen. Diese Forderung jedoch ließ sich nicht immer einhalten, weil es einfach noch nicht genug wissenschaftlichen Nachwuchs aus Württemberg gab. Als Fehling 1883 sein Lehramt am Polytechnikum aufgab, stand allerdings der wissenschaftliche Nachwuchs aus Württemberg bereit, seine Nachfolge anzutreten. Fehlings über vierzigjährige Lehrtätigkeit hatte die erhofften Früchte getragen.

Hintergrundinformation: Lübeckische Staatsbürgerschaft

Mit der politischen Neuordnung nach den Napoleonischen Kriegen 1806 verloren fast alle ehemals freien Reichsstädte ihre Unabhängigkeit an größere deutsche Staaten, etwa an Preußen. Die Hansestadt Lübeck gehörte zu den sechs verbliebenen freien Städten.

Hintergrundinformation: Fehling ein Württemberger

Die unbefristete Übertragung der Hauptlehrerstelle gab Fehling auch die württembergische Staatsangehörigkeit, jedoch war diese an die Stelle gebunden. Hätte Fehling also seine Stelle am Stuttgarter Polytechnikum aufgegeben oder aufgeben müssen, wäre er auch kein Württemberger mehr gewesen. Erst durch die Heirat mit einer Schwäbin wurde Fehling unwiderruflich im Schwabenland eingebürgert.

 

Auf Reformkurs: Gewerbeschule schlägt Universität

Als Hauptlehrer an der Gewerbeschule war Fehling nach Titel und Rang einem Gymnasialprofessor gleichgestellt. Seine Dienstaufgaben bestanden aus 20 wöchentlichen Unterrichtsstunden, deutlich mehr als bei einer heutigen Professur. Wissenschaftliche Forschung gehörte hingegen nicht zu den dienstlichen Aufgaben, sie wurde nebenbei aus eigenem Interesse durchgeführt.

Als Liebig-Schüler trat Fehling für eine gründliche praktische Ausbildung der Studenten im Labor ein. Die Einrichtung eines entsprechenden Labors und die Ausarbeitung der Vorlesung bildeten in den ersten Jahren den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. An der württembergischen Landesuniversität in Tübingen wurde das chemische Praktikum erst einige Jahre später eingeführt - die Gewerbeschule hatte in der Reform der Ausbildung eindeutig die Nase vorn.

Laborbericht aus Fehlings eigener Hand  

 

Seine Lösung machte ihn berühmt: die Fehling-Probe

1848, im Jahr der Revolution, veröffentlichte Fehling seine Arbeit über die "Quantitative Bestimmung des Zuckers im Harn". Darin stellte er eine einfach durchführbare Methode vor, den Zuckergehalt einer Flüssigkeit zu bestimmen. Die dafür verwendete Prüflösung wurde als "Fehling'sche Lösung" geläufig und hat Fehlings Namen bis heute bekannt gemacht.

Fehling'sche Lösung, vor ...   ... und nach Hinzufügen einer zuckerhaltigen Flüssigkeit  

 

Wie funktioniert die Fehling-Probe?

Die von Fehling angegebene Methode basierte auf einer Prüflösung aus Kupfervitriol (Kupfersulfat) und Seignettesalz. Die zu messende Flüssigkeit wurde solange in eine abgemessene Menge der Prüflösung gegeben, bis die letztere ihre blaue Farbe verlor. Aus der bis zum Farbumschlag verbrauchten Menge Flüssigkeit konnte dann mit der von Fehling angegebenen Tabelle deren Zuckergehalt bestimmt werden.

Genaueres zur Funktion der Fehling-Probe

Der Farbumschlag von blau nach rot bei der Fehling-Probe ist auch ästhetisch reizvoll ...  

Hintergrundinformation: Seignettesalz

Entdeckt um 1670, benannt nach seinem Entdecker, dem französischen Apotheker Pierre Seignette aus La Rochelle. Die Entdeckung wird manchmal auch seinem Vater Elie Seignette zugeschrieben.

Man erhält Seignettesalz durch Einwirkung von Natriumhydroxid auf gereinigten rohen Weinstein, der ein Nebenprodukt der Weinherstellung ist.

Die chemische Formel des wässrig gelösten Salzes lautet KNaC4H4O6 * 4H2O .

Hintergrundinformation: Genaueres zur Funktion der Fehling-Probe

Das Kupfer aus dem Kupfersulfat liegt nach der Zugabe des Seignettesalzes unverändert als doppelt oxidertes Cu++-Ion in einem Komplex vor. Durch die Einwirkung des Zuckers wird das Kupfer um eine Stufe reduziert zu Cu+, das Zuckermolekül wird entsprechend oxidiert. Als einfach geladenes Cu+-Ion bleibt das Kupfer jedoch nicht mehr in den Komplex eingebunden, sondern fällt als Kupferoxid Cu+2O-- aus. Dem Kupferoxid ist auch der Farbumschlag nach rot (bis braun) zuzuschreiben.

Die Fehlingsche Lösung reagiert auf alle Aldehyde (Moleküle mit einer -CH=O-Gruppe an einem Ende) und auf Moleküle, die sich leicht in Aldehyde umlagern. Unter den Zuckern gehören nur die sogenannten Einfachzucker, etwa Traubenzucker oder Fruchtzucker, dazu. Auf Saccharose (Haushaltszucker) reagiert die Lösung erst, wenn die Saccharosemoleküle aufgespalten werden, wobei aus jedem Saccharosemolekül je ein Molekül Traubenzucker und Fruchtzucker entstehen. In einem Colagetränk beispielsweise bewirkt die darin enthaltene Phosphorsäure die Aufspaltung der Saccharose: die Fehling-Probe funktioniert.

 

Wirklich Fehlings Verdienst?

Die von Fehling angegebene Methode war als Nachweismethode für das Vorhandensein von Zucker schon länger bekannt. Fehlings Verdienst war die präzise quantitative Bestimmung dieser Reaktion. Er ermittelte aus Experimenten mit selbst hergestellten Lösungen bekannten Zuckergehaltes eine Art Eichtabelle, die eine genaue Berechnung des Zuckergehaltes einer Flüssigkeit ermöglichte. Erst mit Fehlings Zahlenangaben wurde die vorher schon bekannte, rein qualitative Nachweismethode zu einer vielseitigen und genauen Messmethode, die dazu noch recht einfach in ihrer Handhabung war.

In der Praxis freilich hatte das Verfahren doch einige Tücken. Vor allem bereitete die Stabilität der Fehling'schen Lösung Probleme. Da einige ihrer Bestandteile miteinander reagierten, ließ sich die fertige Mixtur nicht über längere Zeit aufbewahren. Nicht nur Fehling selbst arbeitete in den nächsten zehn Jahren an einer Verbesserung, sondern auch andere Wissenschaftler beschäftigten sich mit dem Verfahren. Durch die Beschreibung in einem populären Lehrbuch und die schnelle Verbreitung in der Praxis wurde die Kupfersulfatlösung zum Zuckernachweis jedoch für immer mit seinem Namen verbunden - auch wenn dies gelegentlich als ungerecht empfunden wurde.

Fehling'sche Lösung, in ihre drei Bestandteile getrennt  

Hintergrundinformation: Stabilität der Fehling'schen Lösung

Für das Problem der Stabilität hat man eine ganz praktische Lösung gefunden: Die verschiedenen von Fehling angegebenen Bestandteile werden getrennt in Wasser gelöst und als "Fehling I" (Kupfersulfat) und "Fehling II" (Seignettesalz und Natronlauge) aufbewahrt, die beide stabil sind. Erst unmittelbar vor der Verwendung werden sie zusammengegeben.

 

Wirklich einfach?

Fehlings Messungen und Atomgewichtsberechnungen hatten ihn zu der Annahme geführt, daß je ein Molekül Zucker mit 10 Molekülen Kupfervitriol reagierte. Aber bald erkannte man, daß diese Äquivalenz zwischen Kupfervitriol und Zucker nicht allgemein gültig war. Dem Verfahren zur Zuckerbestimmung, das ja nicht auf einer Rechnung, sondern auf der von Fehling ermittelten Eichtabelle beruhte, tat dies jedoch keinen Abbruch. Solange man Fehlings Vorschriften für die Prüflösung genau einhielt, konnte man mit den von ihm angegebenen Zahlen korrekt arbeiten.

Bis heute läßt sich übrigens keine feste Zahlenrelation zwischen den Reaktionspartnern angeben. In der Fachsprache sagt man, die Fehling-Reaktion verlaufe nicht stöchiometrisch, und meint damit, daß man keine detaillierte Reaktionsgleichung aufstellen kann, die für jeden Schritt angibt, welche Teilchen genau mit welchen zu welchem Produkt reagieren.

In der Praxis wird die Fehling'sche Lösung heute vor allem als qualitativer Nachweis von Zucker oder Aldehyden verwendet.

Der Farbumschlag für einen qualitativen Zuckernachweis ist deutlich zu erkennen und auch für Hobbychemiker einfach durchzuführen. Für eine präzise quantitative Bestimmung nach Fehlings Anleitung bedarf es hingegen einiger praktischer Übung. Dann kommt es nämlich darauf an, genau so viel zuckerhaltige Flüssigkeit zur Fehling-Probe zu geben, daß der Farbumschlag gerade beginnt - nicht mehr und nicht weniger.

Reaktionsverlauf bei der Fehlingprobe (1)  Reaktionsverlauf bei der Fehlingprobe (2)  Reaktionsverlauf bei der Fehlingprobe (3)  

Hintergrundinformation: qualitativer Nachweis von Zucker

Der qualitative Nachweis betrifft nur die Frage, ob eine bestimmte Substanz (in diesem Fall Zucker) überhaupt vorhanden ist, und nicht ihre Menge. Die genaue Mengenbestimmung ist Aufgabe des quantitativen Nachweises.

 

Wozu war die Fehling-Probe gut?

Wie schon der Titel von Fehlings Aufsatz verrät, war die Bestimmung des Zuckergehaltes im diabetischen Harn das erste Anwendungsfeld der neuen Meßmethode. Aber Fehlings Lösung ließ sich auch für die Zuckerbestimmung in technischen und lebensmitteltechnologischen Fragen verwenden. So empfahl Fehling seine Lösung auch für die Bestimmung von Rübenzucker und ermöglichte damit Qualitätsprüfungen in der Rübenzuckerindustrie, die gerade in dieser Zeit einen kräftigen Aufschwung nahm. Und als eingebürgerter Württemberger dachte Fehling nicht zuletzt auch an die Zuckerbestimmung im Traubenmost...

 

Von Brot und Seife: Fehlings andere chemische Forschungen

Auch wenn sein Name heute dafür steht: Fehling bestimmte nicht nur den Zuckergehalt von Lösungen. Als Liebig-Schüler widmete er sich zunächst der Organischen Chemie, dem Gebiet Liebigs, und untersuchte in den ersten Stuttgarter Jahren verschiedene Substanzen vor dem Hintergrund von Liebigs Theorie und Methodik. Zunehmend gerieten jedoch durch die Tätigkeit an der Polytechnischen Schule und durch seine Nebenämter die verschiedensten Fragen aus Landwirtschaft und Industrie in sein Visier. In einer Fülle von Arbeiten, deren experimentellen Teil er oft von Schülern durchführen ließ, beschäftigte Fehling sich mit ganz praktischen Fragen des Gewerbelebens.

  • Aus seinen ersten Stuttgarter Jahren stammt eine sehr modern anmutende Fragestellung: Fehling suchte nach Möglichkeiten, Textilgewebe wasserdicht zu machen, ohne es luftundurchlässig zu machen - er war auf der Suche nach einer Klimamembran.

  • Von einer Reise nach England brachte Fehling 1851 die dort schon praktizierte Idee mit, die Härte des Wassers mit einer Seifenlösung zu bestimmen. Zurückgekehrt beauftragte er seinen Mitarbeiter Andreas Faißt, entsprechende Versuche mit Seifenlösungen durchzuführen. Aus diesen Untersuchungen erwuchs der bis heute gebräuchliche "Deutsche Härtegrad".

  • Mitte der 1850er Jahre beschäftigte Fehling sich mit dem Wassergehalt von Broten, ihrem Gewichtsverlust beim Backen und der Verwendungsmöglichkeit von Kleie zum Brotbacken. Seit der Hungerperiode der 1840er Jahre ein Thema von mehr als akademischer Bedeutung...

Hintergrundinformation: Andreas Faißt

Andreas Faißt hatte bei Fehling studiert und war seit 1841 als Gehilfe, ab 1849 als Assistent bei Fehling tätig. 1850 wurde er als "Chemiker für gewerbliche Zwecke" bei der Zentralstelle für Gewerbe und Handel angestellt und führte in dieser Funktion zahlreiche Untersuchungen von Nahrungs- und Genußmitteln (u.a. Wein- und Obstmost) sowie für württembergische Gewerbetreibende durch. Faißt wechselte 1853 in die Industrie und wurde schließlich Technischer Leiter einer Zuckerfabrik.

 

Zukunft schaffen für ein rohstoffarmes Land: Fehling und die württembergische Industrie

Viele Aktivitäten Fehlings hängen mit seiner Mitgliedschaft in der Zentralstelle für Gewerbe und Handel zusammen. Fehling war als Technischer Rat der Zentralstelle für die Bereiche Chemie und Technologie zuständig und betreute auch Patentfragen in diesem Ressort.

Neben vielen Ratschlägen in Einzelangelegenheiten verfaßte Fehling aber auch grundsätzliche Gutachten zur Lage und zu den Aussichten des württembergischen Gewerbes. Dabei erwies er sich als außerordentlich weitblickend und umsichtig.

Hintergrundinformation: Zentralstelle für Gewerbe und Handel

Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel wurde 1848/49 während der Revolution als Teil des Innenministeriums eingerichtet und vertrat das in anderen deutschen Staaten zu diesem Zeitpunkt bereits existierende Wirtschaftsministerium. Aus ihr ging das heutige Haus der Wirtschaft in Stuttgart hervor.

 

Vision Zukunft, Teil 1: Energiesparen vor 150 Jahren

In einem ausführlichen Gutachten zur Lage der chemischen Industrie in Württemberg benannte Fehling Ende der 1840er Jahre die hohen Energiekosten als Hauptproblem für die Entwicklung einer konkurrenzfähigen Industrie. Fehling empfahl einen möglichst flächendeckenden Umstieg von Holzfeuerung auf Steinkohlenfeuerung und mahnte dringend eine effizientere Konstruktion von Zimmeröfen, Koch- und Backöfen an. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beauftragte ihn daraufhin prompt mit der Entwicklung verbesserter Modelle.

Gemeinsam mit Andreas Faißt verglich Fehling die Energiebilanz verschiedener Backöfen. Als Resultat empfahlen sie schließlich die Neuentwicklung eines Maurermeisters aus Bietigheim. Dieser Backofen, bei dem Backraum und Feuerungsraum getrennt waren, verbrauchte für die Herstellung von 100 Pfund Brot nur noch 16 Pfund Holz statt der 26 Pfund des herkömmlichen Modells. Faißt und Fehling rechneten diesen Wert auf die gesamte Stadt hoch und kamen zu dem Ergebnis, dass durch die Umstellung allein in Stuttgart täglich 5808 Pfund Holz gespart werden könnten.

Brennmaterialien und ihre optimale Ausnutzung waren auch 25 Jahre nach den Ofenuntersuchungen für Fehling immer noch ein wichtiges Thema. Für das "Neue Handwörterbuch der Chemie", das er ab 1874 herausgab (siehe Publizistische Monumentalprojekte), verfaßte er den Artikel über Brennmaterialien selbst. Akribisch werden hier die Verbrennungseigenschaften der einzelnen Holzarten sowie der Holz- und Steinkohlen verschiedener Herkunft aufgelistet.

Tabelle aus dem Artikel "Brennmaterialien" des Neuen Handwörterbuchs der Chemie  

Hintergrundinformation: Andreas Faißt

Andreas Faißt hatte bei Fehling studiert und war seit 1841 als Gehilfe, ab 1849 als Assistent bei Fehling tätig. 1850 wurde er als "Chemiker für gewerbliche Zwecke" bei der Zentralstelle für Gewerbe und Handel angestellt und führte in dieser Funktion zahlreiche Untersuchungen von Nahrungs- und Genußmitteln (u.a. Wein- und Obstmost) sowie für württembergische Gewerbetreibende durch. Faißt wechselte 1853 in die Industrie und wurde schließlich Technischer Leiter einer Zuckerfabrik.

 

Vision Zukunft, Teil 2: Salz darf nicht zu teuer sein

Im rohstoffarmen Württemberg gehörten die reichlich vorhandenen Mineralquellen und die Salzvorkommen zu den wichtigsten natürlichen Ressourcen. Als Ausgangsmaterial für Soda, Salzsäure und Chlorkalk, die in der Glas- und Seifenherstellung verwendet wurden, kam dem Salz eine wichtige Rolle für die gerade in ihren Anfängen befindliche chemische Industrie zu.

Fehling setzte sich dafür ein, daß die württembergische Industrie das Salz von den Königlichen Salinen zu einem deutlich billigeren Preis als bislang bekam. Dadurch wurde sie konkurrenzfähig zur ausländischen (vor allem englischen) Industrie und stieg während Fehlings Lebenszeit zu einem der wichtigsten deutschen Produzenten auf. Mitte der 1880er Jahre wurde in Württemberg 40% der gesamten deutschen Soda-Produktion hergestellt.

 

Vision Zukunft, Teil 3: Das Lob des Mineralwassers

Mit und nach den Salzvorkommen gehörten die Mineralwässer zu den größten württembergischen Bodenschätzen. Auch im Stuttgarter Raum gab es zahlreiche Brunnen und Quellen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts bereits in einem regen Kur- und Badebetrieb wirtschaftlich ausgenutzt wurden. Um die therapeutische Wirkung zu verstehen - und mit ihr dann entsprechend werben zu können -, mußten die Wässer immer wieder auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht werden.

Im Auftrag der privaten oder kommunalen Besitzer untersuchte Fehling zahlreiche Quellen der näheren und weiteren Umgebung - von Liebenzell bis Berg, das damals noch eine eigenständige Gemeinde war. Besonders rühmte Fehling den guten Geschmack und die Bekömmlichkeit des Wassers aus dem Bopserbrunnen.

Das Mineralbad Berg um die Mitte des 19. Jahrhunderts  

 

Wachstums-Schmerzen

Fehlings Tätigkeit in Stuttgart verlief außerordentlich erfolgreich - als Forscher, als Gutachter und nicht zuletzt als Lehrer. Daß die Chemiestudenten Anfang der 1850er Jahre erstmals die größte Fachgruppe der Schule stellte, war vor allem seiner Ausstrahlung zu verdanken. Der Erfolg hatte allerdings auch seinen Preis. Arbeitsüberlastung, Raumnot, massive Gesundheitsprobleme und Auseinandersetzungen gehörten auch zu Fehlings Alltag.

 

Platznot

Seit ihrer Gründung litt die Gewerbeschule an Platzmangel. Der Kampf um genug Raum und genügend Räume für die stets größer werdende Schülerzahl und die stets mehr werdenden Unterrichtsfächer zieht sich wie ein roter Faden durch alle Phasen ihrer Geschichte.

Schon Mitte der 1840er Jahre wurde vom Lehrerkollegium ein Plan für einen Neubau ausgearbeitet. Als dieser nicht verwirklicht wurde, entschloß Fehling sich zum Alleingang und beantragte Anfang 1853 den Umbau seines chemischen Laboratoriums. Beim zuständigen Ministerium ebenso wie beim König stieß Fehling auf offene Ohren. Er bekam sogar mehr bewilligt als gewünscht, nämlich einen kompletten Neubau des Chemielaboratoriums.

Innerhalb der Schule freilich stieß dieser Alleingang auf wenig Gegenliebe. Man fürchtete, der Neubau für die Chemie würde den Bauplatz und die Finanzmittel des von allen dringend gewünschten Neubaus des gesamten Schulgebäudes in Anspruch nehmen und diesen auf lange Zeit verhindern. Diese Befürchtungen waren durchaus berechtigt, wie sich 20 Jahre später herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt wurde endlich das bestehende Schulgebäude erheblich erweitert, und Fehlings Institutsgebäude mußte diesen Anbauten schließlich weichen. Im Jahr 1875 mußte Fehling also wiederum umziehen.

 

Krankheitsnot

Fehling war von jeher kränklich, und die Arbeitsbelastung in Stuttgart forderte ihren Tribut. Nur kurz nach seinem Antritt in Stuttgart, im Jahr 1840, erkrankte er ernstlich und spuckte in den Folgejahren immer wieder Blut. Auf einer Reise nach München 1854 erlitt er dann einen dramatischen Blutsturz, der ihm eine mehrmonatige Erholungspause und eine dauerhafte Einschränkung seiner Aufenthaltsdauer im Labor aufnötigte.

Ab diesem Zeitpunkt arbeitete Fehling denn auch kaum noch selbst im Labor, sondern überwachte nur die Arbeiten seiner Schüler. Immer wieder war er zunächst gezwungen, auch diese Tätigkeit zu unterbrechen. Der Rückzug aus dem Labor und ausgiebige Kuraufenthalte sorgten für seine Genesung. Die Symptome verschwanden schließlich völlig, und Fehling legte erst mit 72 Jahren sein Lehramt am Polytechnikum aus Gesundheitsgründen nieder.

 

Paris - London und zurück zum Schreibtisch: Tätigkeiten außerhalb des Labors

Fehlings Tätigkeit beschränkte sich nicht auf Hörsaal und Labor. Zumal nach der schweren gesundheitlichen Krise von 1854 verlagerte sich sein Arbeitsschwerpunkt merklich, da er längere Aufenthalte im Labor fortan vermeiden mußte. Andererseits waren Nebenverdienste aus Nebentätigkeiten stets willkommen, und so wurde Fehlings Stelle an der Polytechnischen Schule zur Plattform einer ganzen Palette von Tätigkeiten.

 

Publizistische Monumentalprojekte: Fehling und die Handwörterbücher der Chemie

Fehlings angeschlagene Gesundheit, die ihm keinen längeren Laboraufenthalt gestattete, prädestinierte ihn nach der Meinung einflußreicher Kollegen geradezu für verantwortungsvolle und entsprechend zeitraubende publizistische Tätigkeiten. So übernahm Fehling 1855 die Redaktion des von Liebig begründeten "Handwörterbuchs der Reinen und Angewandten Chemie", eines monumentalen Nachschlagewerks, welches das chemische Wissen der Zeit zusammenfaßte.

Nach dem erfolgreichen Abschluß dieses Projekts ergriff Fehling selbst die Initiative zu einem Nachfolgeprojekt und gab ab 1874 das "Neue Handwörterbuch der Chemie" heraus. Dessen Vollendung freilich erlebte er nicht mehr - der letzte Band erschien 1930! Allein der Umfang der von Fehling redaktionell betreuten Bände ist beachtlich. Hinzu kommt, daß Fehling eine ganze Reihe der Einträge selbst verfaßte.

Titelblatt eines der von Fehling herausgegebenen Bände des Handwörterbuchs  

 

Pharmazeutische Tätigkeit

Von Anfang an hatte auch die Ausbildung in der Pharmazie zu Fehlings Aufgaben in Stuttgart gehört. Die Qualität seiner Lehre wurde 1872 dadurch anerkannt, daß nun in Stuttgart die pharmazeutische Staatsprüfung abgelegt werden konnte. Der Besuch des Stuttgarter Polytechnikums wurde damit einem Universitätsstudium gleichgestellt. Neben der persönlichen Anerkennung für Fehling ist dies einer der vielen kleinen Schritte auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung der Technischen (Hoch-)Schulen mit den Universitäten.

1880 wurde Fehling als Vertreter Württembergs Mitglied in der Kommission, die nach der Reichsgründung ein einheitliches Deutsches Arzneibuch erarbeiten sollte.

 

Auf (fast) jeder Weltausstellung dabei

1851 fand in London die erste Weltausstellung statt. Als Leistungsschau technisch-industrieller Errungenschaften diente sie gleichermaßen der Unterhaltung und Belehrung der Öffentlichkeit wie auch dem Austausch der Fachleute.

Fehling war ab 1851 auf nahezu jeder Weltausstellung als Preisrichter tätig. So hielt er sich über neue wissenschaftlich-technische Entwicklungen auf dem Laufenden und konnte gleichzeitig (im Sinne Württembergs, versteht sich) auf die Prämierung der ausgestellten Produkte Einfluß nehmen.

Auch auf regionalen Gewerbeschauen war Fehling als Juror tätig. Oft hängte er eine längere technisch-wissenschaftliche Instruktionsreise an und versuchte, sich vor Ort in anderen Ländern möglichst ein eigenes Bild vom Stand ihrer Gewerbe und Industrie zu machen. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel und die Polytechnische Schule finanzierten diese Reisen, die auch für den württembergischen Staat von großem Interesse waren, mit. Exemplarisch zeigt sich hier die enge Verknüpfung staatlicher, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Interessen, die Fehlings so erfolgreiches Wirken in Stuttgart charakterisierte.

 

Biographie: Hermann Fehling (1811 - 1885)

Hermann Fehling

9.6.1811 Geburt von Hermann Christian Fehling in Lübeck
1817 - 1827 Besuch der Bürgerschule und des Gymnasiums
1827 Beginn einer Ausbildung in einer Lübecker Apotheke
1832 Wechsel in eine Apotheke nach Bremen, die dem Bruder seines Meisters gehört
1835 - 1837 Studium der Naturwissenschaften, vor allem der Chemie, in Heidelberg
1837 - 1838 Forschungsaufenthalt bei Liebig in Gießen
1838 - 1839 Forschungsaufenthalt in Paris
1.7.1839 Bewerbung um die Stelle des Hauptlehrers für Chemie und Technologie an der Gewerbeschule in Stuttgart
23.9.1839 vorläufige Übertragung der Hauptlehrerstelle auf Fehling, Unterrichtsbeginn
10.3.1841 unbefristete Übertragung der Stelle an Fehling
20.5.1844 Heirat mit Sophie Cleß, Tochter des Stuttgarter Gymnasialprofessors August v. Cleß
1841 - 1844 mehrere Forschungen und Publikationen zur Organischen Chemie
1848 Einrichtung der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Berufung Fehlings in ihren engeren Ausschuß und die Patentkommission
1848 Veröffentlichung der Arbeit "Quantitative Bestimmung des Zuckers im Harn" ("Fehlingprobe")
1850 Erste Mineralwasseranalyse Fehlings (Bopserbrunnen)
1851 Besuch der ersten Weltausstellung in London
Juli 1854 lebensgefährlicher Blutsturz auf einer Reise in München, in Folge des Blutsturzes drastische Reduzierung der Laborarbeit und regelmäßige Aufenthalte in höhenklimatischen Kurorten
24.9.1854 Ernennung zum Ritter des Ordens der württembergischen Krone (Personaladel)
1855 Übernahme der Redaktion des "Handwörterbuch der Reinen und Angewandten Chemie" (abgeschlossen 1864); Rückzug von der Laborarbeit
1855 - 1856 Bezug des neuen chemischen Laboratoriums mit Dienstwohnung
1869 Arbeitsbeginn am "Neuen Handwörterbuch der Chemie" (erschienen 1874-1930)
1870 Ernennung zum Mitglied des Medizinalkollegiums
1875 erneuter Umzug in einen Institutsneubau
11.5.1883 Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen
1.4.1884 Beendigung der Tätigkeiten an der Zentralstelle für Gewerbe und Handel und im Medizinalkollegium
1.7.1885 Tod von Hermann Christian von Fehling in Stuttgart