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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Tag der Chemie:
Von Quacksalbern und der Notwendigkeit der Grundlagenforschung

Der Tag der Chemie wurde dieses Jahr an einem Freitag, dem 13. begangen - aber daran lag es sicherlich nicht, dass das Publikum den Hörsaal nach dem ersten Vortrag räumen musste. Die Experimente von Prof. Otto Krätz, dem ehemaligen Leiter der Abteilung Bildung des Deutschen Museums in München, waren der Auslöser für eine ungeplante Pause während des Festaktes.
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In seinem Experimentalvortrag ließ Professor Krätz auch Socken brennen, was diese - zum Erstaunen der Gäste - ohne Schaden überstanden.
(Foto: Klaus Hübler)
Dank der großzügigen Unterstützung von Prof. Artur Fischer war die Fakultät Chemie nunmehr zum siebten Male auch dieses Jahr in der Lage, den Tag der Chemie im festlichen Rahmen zu begehen. Dekan Prof. Helmut Bertagnolli konnte Erfreuliches zur Entwicklung der Zahl der Studierenden berichten: diese hat sich in den letzten drei Jahren auf 128 Studienanfänger verdoppelt, die mittlere Studienzeit ist aufgrund einer besseren Koordination der Lehrangebote weiterhin auf jetzt 9,9 Semester gesunken. Der hohe Lehrexport (60 Prozent) im Fach Chemie verdeutlicht, dass die Chemie eine Querschnittswissenschaft darstellt. Trotz der allgemein positiven Entwicklung in der Fakultät blieb die Chemie nicht von massiven Einsparungen verschont, betonte der Dekan.

Schweinsblasen und Rauchschwaden

Einen Höhepunkt des Tages stellte der Experimentalvortrag von Prof. Krätz dar. Im überfüllten Hörsaal geleitete er die Zuhörer auf die Jahrmärkte der Chemie des 18. Jahrhunderts. Durch seinen einmaligen Vortragsstil, gewürzt mit spektakulären Experimenten, gelang es ihm, auch die "normalen Menschen - also die Nichtchemiker" in seinen Bann zu ziehen. Im 18. Jahrhundert zogen vornehmlich Ärzte als Quacksalber (der Begriff hatte zu dieser Zeit noch keinen negativen Beigeschmack) durch die Lande und boten - wie Otto Krätz betonte - mehr für das bezahlte Geld als heute - zumindest mehr Show. Prof. Krätz entschleierte die verschiedensten Tricks, derer sich die "Artisten" bedienten. Er klärt darüber auf, dass es sich bei den abgehackten Häuptern auf den Jahrmärkten um Wachsnachbildungen handelte, bei den geteilten Körpern meist um Zwillinge, die gut versteckt in den verwendeten Kisten ausharrten. Für die gewünschte Wirkung im Publikum sorgten damals Schweinsblasen, die mit Tierblut oder Rote-Bete-Saft gefüllt waren, um im geeigneten Moment zum Platzen gebracht zu werden. Sehr begehrt waren zu dieser Zeit Vorführungen mit Leuchteffekten, die nicht immer einen glimpflichen Ausgang hatten. Den Abschluss des Vortrags bildeten zwei chemische Vulkane, die ihren Aha-Effekt bei den Zuschauern nicht verfehlten, jedoch dafür sorgten, dass eine kurze Pause eingelegt werden musste, bis die Rauchschwaden sich lichteten.

Mahnung zur wissenschaftlichen Redlichkeit

Im Weiteren stellte der Dekan die Diplomchemikerinnen und Diplomchemiker vor und ermutigte sie - ganz im Sinne Kants -, "Mut zu haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen". Bei der Begrüßung der Promovierten ermahnte der Dekan die Anwesenden zur wissenschaftlichen Redlichkeit, dem Grundprinzip der wissenschaftlichen Arbeit und ver-pflichtet die Absolventen mit einem Text, den bereits Kant als Rektor benutzt haben soll.

Im Anschluss berichtete Prof. Henning Hopf, Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker, über die Notwendigkeit der Grundlagenforschung. Am Beispiel der Kernresonanzspektroskopie - von der Entdeckung des Spins in den zwanziger Jahren des letzten Jahr-hunderts bis zum heutigen Einsatz der Kernspintomographie in der Medizin - verdeutlichte Prof. Hopf, wie unberechenbar und doch gleichzeitig fulminant die Entwicklung der Grundlagenforschung verlaufen kann. Mit Nachdruck appellierte er an die Politik, von einer Gängelung der Universitäten abzusehen und deren Freiheit in Lehre und Forschung zu bewahren.

Artur-Fischer-Preise

Den krönenden Abschluss des Tages der Chemie stellte die durch Ehrensenator Prof. Dr. Artur Fischer vorgenommene Preisverleihung dar. Für besondere Studienleistungen ausgezeichnet wurden Sandra Hübner und Nicolai Cramer. Artur Fischer ermahnte die Absolventen, in ihrem weiteren beruflichen Werdegang die Verantwortung für die Menschen und das Menschliche in den Betrieben nicht zu vernachlässigen.

Isabella Waldner, Helmut Bertagnolli

KONTAKT

Dekanat der Fakultät Chemie,

Pfaffenwaldring 55, 70569 Stuttgart

Tel. 0711/685-4584, -4585

Fax 0711/685-4045

e-mail: zaiser@fak3.uni-stuttgart.de, http://www.uni-stuttgart.de/chemie/

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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