Stilisierte Tänzerinnen, von
HighTech-Stoffen umhüllt: eine Präsentation intelligenter
Textilien führte am Festabend direkt hinein in die
Zielsetzung des Zentrums, das von der
Philosophisch-Historischen Fakultät, der Fakultät
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Fakultät
Architektur und Stadtplanung der Uni gemeinsam getragen
wird. "Wir wollen Schnittstellen lokalisieren zwischen den
Kultur-, Natur- und Ingenieurwissenschaften und Potenziale
für interdisziplinäre Forschungsarbeiten sondieren",
beschrieb es der geschäftsführende Direktor des IZKT, Prof.
Georg Maag in seiner Begrüßungsansprache. Das Zentrum will
den Dialog zwischen den Wissenschaftskulturen "managen" und
den Wissenstransfer in die Öffentlichkeit stärken.Damit
knüpft das IZKT an die Tradition des 1995 von Prof. Gerhard
Schröder gegründeten Zentrums für Kulturwissenschaften und
Kulturtheorie an. Der Ansatz des IZKT greift jedoch weiter:
Es will sich den kulturellen Herausforderungen stellen, die
sich aus der rasanten technologischen Entwicklung, der
weltweiten Globalisierung und den radikalen Brüchen im
System der Wissenskultur ergeben. "Diese Prozesse werfen
Fragen auf, die in fachspezifischer Perspektive alleine
nicht beantwortet werden können", sagte Maag.
Dabei geht es nicht um die Bewertung von Technik oder die
Abschätzung ihrer Folgen. Vielmehr soll erforscht werden, in
welcher Weise der Mensch in "Maschinerien zur Herstellung
von Zukunft" (François Jacob) verwickelt ist und welche
Bedeutung dies für das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft hat. Auf
dem Forschungsplan der nächsten drei Jahre stehen Themen wie
"Die Transformation des Raums", Formen, Verfahren und
Funktionen neuer Materialien oder auch philosophische
Ansätze wie die Reihe "Das Mögliche und das Unmögliche".
Neues Fellowship-Programm
Um den Austausch zwischen Wissenschaftlern verschiedener
Disziplinen zu fördern, wird ein Fellowship-Programm
aufgebaut. Zum Auftakt stellte im Wintersemester 2002/03 der
Germanist Friedrich A. Kittler Überlegungen zu Schrift, Ton und Mathematik
vor. Ihm folgten im Sommersemester der
Wirtschaftsinformatiker Helmut Krcmar und der
Verwaltungswissenschaftler Klaus Lenk, beides ausgewiesene
Experten in Sachen e-Government1).
Das Zentrum ist international ausgerichtet. Mit der
Integration des Gastprofessoren-Programms
"Deutsch-französische Wechselwirkungen" der DVA-Stiftung in
das IZKT wurde ein Arbeitsschwerpunkt Frankreich geschaffen.
Studienschwerpunkte zu Italien und Amerika sollen folgen.
"Die Uni Stuttgart hat ein weiteres Zentrum, das über den
Tellerrand hinaus schaut", würdigte Rektor Prof. Dieter
Fritsch das IZKT. Es unterstütze die Anstrengungen der Uni
um den Bestandserhalt kompetenter Geisteswissenschaften in
einem technologieorientierten Umfeld.
Der Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster
unterstrich in einem Grußwort das besondere Profil, das
nicht nur die Uni selbst, sondern auch die Stadt Stuttgart
durch das neue Zentrum erhalten. Und der französische
Generalkonsul in Stuttgart, Françis Etienne2), ergänzte:
"Durch das IZKT wird die Uni Stuttgart im Europa der Zukunft
eine herausragende Rolle spielen."
Wesen der "Leonardo-Welt"
Wie schwierig die Synthese von Kultur und Technik schon
immer war, beleuchtete der Festvortrag von Prof. Jürgen
Mittelstraß, der an der Uni Konstanz den Lehrstuhl für
Philosophie und Wissenschaftstheorie innehat. Schon mit
Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert meldeten
sich Wissenschafts- und Technikkritik zu Wort. Erfindungen
wie die erste Eisenbahn, das Automobil oder der elektrische
Strom weckten Ängste, die heute vielfach kurios anmuten.
Dennoch durchdringen Wissenschaft und Technik längst alle
Strukturen und Lebensformen. "Der sich auf
wissenschaftliches und technisches Können stützende
wirtschaftende, bauende, verwaltende und zerstörende
Verstand war schon immer da", beschrieb Mittelstraß das
Wesen einer solchen "Leonardo-Welt": "Es ist eine Welt, in
der sich der Mensch beständig in seinen eigenen Werken
begegnet, eine Welt, die immer mehr zu einem Artefakt, zu
einer Erfindung wird, zerbrechlich wie die Natur, aber immer
weniger selbst Natur." Der Fortschritt entfaltet sich in
einer solchen Welt im steten Dilemma zwischen notwendiger
Entwicklung und unvermeidlichen Technikfolgen. Gerade in
Deutschland führe dies zu "eigentümlichen
Lähmungserscheinungen", die in Ängsten vor dem Wertewandel
und letztendlich in einer Modernisierungskrise zum Ausdruck
kommen. Eine Alternative zur Leonardo-Welt gibt es für
Mittelstraß dennoch nicht: "Wir werden in Zukunft den ganzen
Menschen brauchen, das kluge, vernünftige, sich im Denken
und durch das Denken orientierende Wesen, das forschende,
Wissenschaft treibende Wesen und das bauende, technische
Wesen. Und wir werden eine Kultur brauchen, in der auch eine
Technikkultur ihren Platz hat."
Andrea Mayer-Grenu
KONTAKT
Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung,
Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart,
Tel. 0711/121-2589,
Fax
0711/121-2813,
e-mail: info@izkt.uni-stuttgart.de sowie
www.uni-stuttgart.de/izkt
1)
Über das Fellowship-Programm im Sommersemester
berichten wir unter der Überschrift "Politik und Verwaltung
in der Informationsgesellschaft" in der Rubrik
"Veranstaltungen" in dieser Ausgabe.
2) Die Nachfolge von Françis Etienne als französischer
Generalkonsul in Stuttgart hat im Oktober 2003 Dr. Henri
Reynaud angetreten.