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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Für eine sichere Funktion elektronischer Geräte:
Sind elektromagnetische Felder ein Sicherheitsrisiko?
 

Elektromagnetische Felder kann man nicht sehen, nicht hören und nicht riechen. Die Natur hat dem Menschen keine dafür geeigneten Sensoren gegeben. Trotzdem sind sie in unserer Umgebung allgegenwärtig und in manchen Anwendungen unverzichtbar (Mobiltelefon, Radio- und Fernsehempfang, Flugzeugradar, Navigation usw.). Daß sie bei der Übertragung elektrischer Energie über Freileitungen und Kabel als „Abfallprodukt“ anfallen, aber auch im Haushalt bei jeder Nutzung elektrisch betriebener Geräte entstehen, ist allgemein bekannt. Das Thema der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) wird in jüngster Zeit besonders unter dem Aspekt des direkten Einflusses auf biologische Systeme diskutiert. Doch was hat die Elektromagnetische Verträglichkeit mit dem Thema Energieforschung und dem Zentrum für Energieforschung Stuttgart zu tun?

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Die Antwort liegt auf der Hand: Elektromagnetische Felder können elektronische Schaltungen stören, so daß diese nicht mehr fehlerfrei oder sogar gar nicht mehr funktionieren. Da in praktisch allen Bereichen des täglichen Lebens (Kraftfahrzeug, Bahn, Industrieproduktion, großtechnische Anlage, Klinik, Privathaushalt) elektronische Komponenten in überaus großer Zahl eingesetzt werden, muß die Frage nach der elektromagnetischen Verträglichkeit zur Gewährleistung einer sicheren Funktion immer mitgestellt werden. Ein Beispiel ist etwa der Temperaturfühler an einem Kraftwerkskessel, dessen Meßwerte über Leitungen zu einer Steuer- und Kontrolleinheit übertragen werden. Heute arbeiten solche Sensoren meist nicht mehr nur passiv, sondern sie besitzen eingebaute Intelligenz zur Meßwertvorverarbeitung. Die dafür erforderliche Elektronik kann durch die Einkopplung elektromagnetischer Felder gestört werden und unter Umständen gar keinen oder einen falschen Meßwert ausgeben. Beides ist unerwünscht und kann - wenn es unbemerkt bleibt - fatale Fehler in der Betriebsführung des Kraftwerks auslösen. Weit kritischer noch als in technischen Anlagen sind solche Fehler etwa in Krankenhäusern, wenn dadurch unmittelbar Menschenleben gefährdet werden. Selbst wenn der Sensor direkt nicht gestört wird, weil er etwa entsprechend abgeschirmt ist, kann sein Signal auf dem Weg zur Kontrolleinheit durch Einkopplungen verformt oder durch Potentialanhebungen verlagert werden, so daß der Meßwert nicht korrekt erkannt wird. Die immer komplexeren elektronischen Bauteile können sogar zerstört werden, wenn zu hohe Überspannungen auftreten, wie sie zum Beispiel aufgrund eines Blitzeinschlags oder auch durch Schalthandlungen im Energieversorgungsnetz entstehen. Auch jede weiterverarbeitende Steuer- und Kontrolleinheit muß vor Störungen durch elektromagnetische Felder geschützt werden. Nicht ohne Grund lassen deshalb Kraftwerksbetreiber bei Arbeiten an der Leittechnik keine Nutzung von GSM-Handys zu.

Meist ist in diesen Fällen ein Kompromiß zu finden zwischen der gewünschten Signalenergie und der maximal erlaubten Feldstärke, die andere Geräte und Einrichtungen in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt. Seit 1996 gelten europaweit Normen, die einen Betrieb aller elektrischen Geräte ohne unerwünschte Beeinflussung sicherstellen sollen (CE-Kennzeichung). Sie basieren auf einem Sicherheitsabstand zwischen der Störfestigkeit der Geräte und dem Störpegel in unterschiedlichen Umgebungen wie Haushalt oder Betrieb. Die genormten Prüfverfahren sind allerdings sehr zeitaufwendig und setzen hohe Investitionen in die Prüftechnik voraus und sind dadurch sehr kostspielig. Und auch wenn ein einzelnes Gerät alle Grenzwerte einhält, bedeutet dies noch lange nicht, daß die EMV auch beim Zusammenschalten vieler Geräte zu einem komplexen System gewährleistet bleibt. Da die meisten Anlagen in diesem Sinne als komplexe Systeme aufzufassen sind, ist die EMV-Planung von Einrichtungen mit zahlreichen elektrischen und elektronischen Komponenten bis heute ein schwieriges Problem.

Am Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik der Universität Stuttgart wird an der Entwicklung alternativer Prüfmethoden geforscht, die wegen ihrer Zeitersparnis ganz erhebliche ökonomische Vorteile bieten. Insbesondere werden in Simulatoren impulsartige Felder sehr hoher Amplitude zur EMV-Prüfung eingesetzt. Bei der Emissionsmessung, die den Nachweis für die Einhaltung der Grenzwerte von abgestrahlten Feldern erbringt, sind durch die Anwendung von Zeitbereichsverfahren anstelle oder in Kombination mit den bisher genormten Frequenzbereichsverfahren bereits sehr vielversprechende Ergebnisse erzielt worden, die die Meßzeit um bis zu 90 Prozent reduzieren. Besonders geeignet ist diese Methode für Geräte, die nicht kontinuierlich, sondern impulsartig Störungen aussenden wie zum Beispiel ein Schweißroboter, dessen Lichtbogen ungleichmäßig brennt und häufig wiederzündet.

KONTAKT
Prof. Kurt Feser, Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik, Pfaffenwaldring 47, 70569 Stuttgart, Tel: 0711/685-7870, Fax: 0711/685-7877, e-mail: ieh@iehsun.e-technik.uni-stuttgart.de, www.uni-stuttgart.de/ieh/

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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