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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Neue Formen der Energieversorgung:
Biomasse - Energie, die nachwächst
 

Eingestrahlte Sonnenenergie kann über den Prozeß der Photosynthese in organische Materie umgewandelt und dadurch gespeichert werden. Diese gespeicherte Sonnenenergie kann dann von anderen Lebewesen - und damit auch von uns Menschen - zur Energieversorgung genutzt werden; beispielsweise handelt es sich bei der Nahrung, die wir täglich konsumieren, letztlich um eine umgewandelte Form der Sonnenenergie. Diese mit Hilfe von Pflanzen gespeicherte Energie aus Biomasse kann aber auch - ähnlich wie zum Beispiel Windenergie und Wasserkraft - helfen, die Nachfrage nach Strom, Wärme und Kraft zu decken.

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Biomasse, wie man die durch die Photosynthese umgewandelte Solarstrahlung üblicherweise bezeichnet, wird im Hinblick auf eine Energiebereitstellung in Primär- und Sekundärprodukte unterteilt. Hierbei versteht man unter den Primärprodukten jene Biomassen, die direkt aus der Sonnenenergie entstanden sind; hierzu gehören Produkte aus einem Energiepflanzenbau wie schnellwachsende Bäume oder Energiegräser, pflanzliche Rückstände und Nebenprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft wie Stroh oder Restholz sowie Abfälle aus Haushalten, Gewerbe und Industrie wie Gemüseabfälle oder Altholz. Sekundärprodukte entstehen demgegenüber durch Ab- und Umbau der Primärprodukte in höheren Organismen; dazu gehören etwa Gülle, Klärschlamm oder Schlachthofabfälle.

Biomasse und ihre Aufbereitung
Diese Biomassen können - entsprechend der Vielfalt der anfallenden organischen Stoffströme - mit Hilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Techniken und Verfahren zur Deckung der Energienachfrage eingesetzt werden. Den verschiedenen zum Einsatz kommenden Arten an Biomasse, also Waldrestholz, Rapssaat, Weizen, Gülle oder Klärschlamm, entsprechen jeweils unterschiedliche End- oder Nutzenergieträgern wie Wärme, Strom, Ethanol oder Biodiesel. Nur im einfachsten Fall wird etwa Holz nach dem Einschlag und einer mechanischen Aufbereitung (Zerkleinerung zu Hackschnitzeln) in einer Feuerungsanlage verbrannt, um damit die Wärmenachfrage eines Einfamilienhauses zu decken. Für zahlreiche Anwendungen wie den Antrieb von Pkw- oder Lkw-Motoren oder die Stromerzeugung mit einer Gasturbine ist es jedoch notwendig, flüssige oder gasförmige Sekundärenergieträger aus Biomasse herzustellen. Die hierfür benötigten Umwandlungsverfahren können in thermochemische, physikalisch-chemische und biochemische Umwandlungsverfahren eingeteilt werden . Bei den thermochemischen Veredlungsverfahren erfolgt die Umwandlung der Biomasse in erster Linie unter dem Einfluß von Wärme. Hier wird zwischen der Vergasung, Verflüssigung und Verkohlung unterschieden, durch die jeweils gasförmige (Produktgas), flüssige (Pyrolyseöl) und feste Bioenergieträger (Holzkohle) erzeugt werden. Bei der physikalisch-chemischen Umwandlung erfolgt die Brennstoffgewinnung dagegen durch Pressung und/oder Extraktion der Biomasse. Das hierbei produzierte Pflanzenöl kann anschließend entweder in seiner Reinform verwendet oder auch nach einer chemischen Umwandlung zu Pflanzenölmethylester (PME, beziehunsgweise Biodiesel) als Treibstoff eingesetzt werden. Bei den biochemischen Veredlungsverfahren erfolgt die Umwandlung der Biomasse mit Hilfe von Mikroorganismen. So entsteht beispielsweise beim anaeroben Abbau organischer Masse Biogas und durch eine alkoholische Gärung Ethanol.

Stand der Technik unterschiedlich
Der Stand der Technik dieser verschiedenen Möglichkeiten ist sehr unterschiedlich. Während beispielsweise die Verbrennung von Holz seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird, befindet sich die Bereitstellung von Pyrolyseöl noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Vor diesem Hintergrund spielen - auch aufgrund ökonomischer Gesichtspunkte - in Deutschland bisher nur die Verbrennung von Festbrennstoffen zur Wärme- und gegebenenfalls Stromerzeugung, die Produktion von Biokraftstoffen in Form von Biodiesel und die Erzeugung von Biogas zur Nutzung in Blockheizkraftwerken eine gewisse Rolle.

Ökologische und energiewirtschaftliche Vorteile ...
Dabei ist die Nutzung von Biomasse durch eine ganze Reihe von ökologischen und energiewirtschaftlichen Vorteilen gekennzeichnet. Biomasse weist in Deutschland ein technisches Potential in einer energiewirtschaftlich relevanten Größenordnung auf. Auch sind die Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Verbrennung von Biomasse freigesetzt werden, nicht klimarelevant, da das Kohlendioxid zuvor von den Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen wurden; im Vergleich zu der Nutzung fossiler Energieträger wird dadurch der anthropogene Treibhauseffekt nicht verstärkt. Daneben kann es auch bei einer Vielzahl weiterer energiebedingter Stoff-Freisetzungen (z.B. Schwefeldioxid) beim Ersatz fossiler durch biogene Energieträger zu entsprechenden Minderungen kommen; dies gilt auch dann, wenn der gesamte Lebensweg im Rahmen einer Lebenszyklusbetrachtung untersucht wird. Auch hat die Nutzung von Biomasse diverse Vorteile für den ländlichen Raum wie den Erhalt der Kulturlandschaft und die Existenzsicherung im ländlichen Raum. Des weiteren trägt eine Biomassenutzung zur Schonung der Ressourcen fossiler Energieträger und zu einer krisensicheren und risikoärmeren Energieversorgung in Deutschland bei.

.... haben ihren Preis
Diesen weitgehend anerkannten Vorteilen stehen jedoch im allgemeinen - im Vergleich zu einer Energiebereitstellung aus fossilen Energieträgern - höhere Kosten gegenüber. Diverse Forschungs- und Förderprogramme des Bundes und der Länder sowie der Europäischen Union zielen primär darauf ab, die Kosten der gesamten Bereitstellungskette, von der Biomasseproduktion und -aufbereitung bis zur Umwandlung, zu reduzieren. Dadurch soll erreicht werden, daß Biomasse mittel- bis langfristig einen wachsenden Beitrag zur Deckung der Energienachfrage im Rahmen einer umweltfreundlichen und klimaverträglichen und damit nachhaltigen Energieversorgung erbringen kann.

KONTAKT
Martin Kaltschmitt, Barbara Pilz, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER), Tel: 0711/7806-173 http://www.ier.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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