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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
In memoriam:
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Hans L. Merkle

Im Alter von 87 Jahren verstarb am 22. September 2000 der langjährige Bosch-Chef und Ehrenbürger der Universität Stuttgart, Prof. Dr. h.c. Hans L. Merkle. Merkle war von 1958 bis 1962 Mitglied, 1963 bis 1984 Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH und anschließend bis 1988 Aufsichtsratsvorsitzender. Unter Hans L. Merkle, einem der führenden Industriellen der Nachkriegszeit in Deutschland, entwickelte sich die Bosch-Gruppe zu einem Unternehmen mit Weltruf. Der gebürtige Pforzheimer blieb auch nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung bis Mitte 1993 persönlich haftender Gesellschafter der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Damals wurde er zum Ehrenvorsitzenden der Bosch-Gruppe auf Lebenszeit ernannt. Viele Institutionen ehrten den einstigen Spitzenmanager. So war er unter anderem Ehrenmitglied der Präsidien des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Verbands der Automobilindustrie, Ehrenvorsitzender der Kuratorien der Fritz Thyssen Stiftung und der DVA-Stiftung und Ehrenmitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Die Universitäten Heidelberg und Tübingen und die Max-Planck-Gesellschaft verliehen ihm die Ehrensenatorwürde. Die Universität Stuttgart hatte im Februar 1994 Hans L. Merkle als Persönlichkeit mit hohem Vorbildcharakter zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Damit hatte die Universität eine Tradition erneuert, die seit den 60er Jahren geruht hatte. Daß die Wahl auf Hans Merkle fiel, zeigte auch die langjährige Verbundenheit der Universität mit dem Hause Bosch. - Die Universität Stuttgart wird die Erinnerung an ihren Ehrenbürger bewahren.


Rainer Runge

Im November 2000, kaum ein halbes Jahr nach Eintritt in den Ruhestand, starb Prof. Dr.-Ing. Rainer Runge nach kurzer schwerer Erkrankung. Die Universität Stuttgart verliert in ihm einen ihrer bewährten Hochschullehrer. Runge trat 1961 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das seinerzeit von Prof. Glaser geleitete Institut für Technische Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik ein, an dem er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Sehr früh wandte er sich schon seinem Hauptarbeitsgebiet, der Tieftemperaturtechnik, zu. Noch unter Prof. Glaser erforschte er die damals noch wenig bekannten thermodynamischen Zustandsgrößen des Neons mit dem Ziel, diesen Stoff zur Erzeugung tiefer Temperaturen bis etwa -240 Grad Celcius einzusetzen. Mit einer Arbeit hierüber promovierte er 1968 und habilitierte sich, das Thema vertiefend, 1972 an der Fakultät Verfahrenstechnik, der heutigen Fakultät Verfahrenstechnik und Technische Kybernetik. Die von ihm entwickelte Apparatur zur Messung des integralen Joule-Thomson-Effekts, mit dessen Hilfe sich viele der benötigten thermodynamischen Zustandsgrößen ermitteln lassen, zeichnete sich durch eine extrem hohe, bis dahin nicht erreichte Meßgenauigkeit aus. Sie ermöglichte es ihm, in der Folgezeit aufgrund der genauen Messungen entsprechend präzise kanonische Zustandsgleichungen zu entwickeln und so ein Werkzeug zu schaffen, mit dessen Hilfe man die für die Berechnung thermodynamischer Prozesse benötigten Zustandsgrößen berechnen kann. Seine besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Verhalten der Materie in der Nähe des kritischen Punktes. Bereits im Jahr 1968 wurde er zum Akademischen Rat, 1974 zum Wissenschaftlichen Rat und Professor und im Jahre 1975 zum Professor ernannt. Von 1976 bis zu seiner Pensionierung leitete er die Abteilung Tieftemperaturtechnik am Institut für Technische Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik. Vielen Studentengenerationen hat er in Vorlesungen und Praktika sein Wissen auf dem Gebiet der Tieftemperaturtechnik weitergegeben. Darüber hinaus hat er in seinen Vorlesungen Studenten des Studienganges Technische Betriebswirtschaft in das Fach Thermische Verfahrenstechnik eingeführt. Rainer Runge war ein begeisterter Hochschullehrer. Er hat sich aber auch vielfältig in der akademischen Selbstverwaltung engagiert. So wurde er Anfang 1970 in den durch die erste Grundordnung der Universität neu eingerichteten Verwaltungsrat mit seinen nur sechs Mitgliedern als einziger Mittelbauvertreter gewählt und blieb in diesem Gremium über drei Wahlperioden bis 1975. Mit seiner Sorgfalt und Sachbezogenheit hat er in jener unruhigen Zeit wesentlich dazu beigetragen, den Verwaltungsrat zu einem überaus effektiven Leitungsgremium der Universität zu entwickeln. Ab Sommersemester 1974 war er zehn Jahre Mitglied des Großen Senats und dessen Vorsitzender bis 1978. Dem Senat gehörte er zweimal als Vertreter der Professorenschaft von 1976 bis 1982 an. Rainer Runge hat sich mit seinem herausragenden Engagement um das Wohl der Universität verdient gemacht.

K.Stephan, H.Bach


Dietrich Marsal

Am 17. September 2000, nach langen Jahren vergeblichen Kampfes gegen eine die leiblichen wie die geistigen Kräfte aufzehrende, tückische Krankheit, starb Dietrich Marsal. Als Forscher wie als Lehrer war er ein Mann von seltenen Gaben, den das Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Stuttgart zu den Seinen zählen durfte. Im Sommersemester 1946 begann der am 23. März 1924 in Königsberg geborene Marsal in Erlangen das Studium der Geologie und Mineralogie, das er 1951 mit der Promotion abschloß. Zuvor schon mit Publikationen im führenden Organ für Mineralogie, Geologie und Paläontologie hervorgetreten, wäre für Dietrich Marsal die akademische Laufbahn vorbestimmt gewesen. Doch in der Not der frühen Nachkriegsjahre galt es, jede Möglichkeit einer sich im Fache bietenden gesicherten Anstellung zu nutzen. So nahm der junge Mineraloge noch gleichen Jahres die ihm angetragene Aufgabe, am Bayerischen Geologischen Landesamt in München ein sedimentpetrographisches Laboratorium aufzubauen, dankbar an. Der Berufsweg führte Dietrich Marsal 1954 über die Gewerkschaften Brigitta und Elwerath, Erdölwerke Hannover, 1976 an das Koninklijke/Shell Exploratie en Produktie Laboratorium in Rijswijk bei Den Haag. Über drei Jahrzehnte hinweg erarbeitete er langfristige Förderstudien im Sektor Erdölgewinnung. Dabei erschloß er neue Wege, die ihn schon bald zu einem international anerkannten Experten in Fragen der Erdöl- und Erdgaslagerstätten werden ließen. Seine lagerstättenkundlichen Forschungen, niedergelegt in zahlreichen Gutachten und Aufsätzen, führten ihn als gesuchten Redner und Berater quer durch Europa und nach Amerika. Bereits im September 1960 erhielt er den ehrenvollen Ruf auf eine Professur für Petroleum Engineering an der Universität von Illinois in Urbana, die er aus familiären Gründen ablehnen mußte. Vergebens suchte Jahre später die Naturwissenschaftliche Fakultät der Philipps-Universität Marburg, Dietrich Marsal für das Fach Mathematische Geologie zu gewinnen, und auch die ihm angetragene Berufung an die Freie Universität Berlin schlug er aus. Dagegen griff er eine Anregung aus Stuttgart, sich an der dortigen, 1967 zur Universität gewandelten Technischen Hochschule zu habilitieren, ohne Zaudern freudvoll auf. Seit 1971, zunächst als Privatdozent, dann als Professor für Geologie, machte er hier Generationen von Studenten mit den Arbeitsweisen der Erdölgeologie und der Erdöltechnologie vertraut. Zudem dozierte er in Vorlesungen und Übungen über die Grundlagen der Statistik für Geowissenschaftler, ein mehr und mehr an Bedeutung gewinnendes, von ihm entscheidend geprägtes und gefördertes Thema. Diesem galt schon seine erste, 1949 erschienene Publikation, vor allem aber sein wiederholt aufgelegtes und mehrfach übersetztes Werk „Statistische Methoden für Erdwissenschaftler“. Dietrich Marsals ausnehmend hohe Intelligenz war mit einem nie erlahmenden Schaffensdrang gepaart, der ihn weite Gefilde des Wissens erfolgreich beackern ließ. So gab ihm, um ein Beispiel herauszugreifen, das Aufkommen der Lagerstättensimulation Mitte der sechziger Jahre Anlaß, sich in die Computertechnik einzuarbeiten, vor allem aber, sich der numerischen Mathematik zuzuwenden. Mit welch einer Intensität er solches anpackte, dafür zeugt, daß er - ohne je Mathematik studiert zu haben - 1976 das an Universitäten erfolgreich eingeführte, mehrfach nachgedruckte Lehrbuch über „Die numerische Lösung partieller Differentialgleichungen in Wissenschaft und Technik“ vorlegte, dem 1989 ein Werk über „Finite Differenzen und Elemente“ als seine letzte Buchveröffentlichung folgte. Nach seiner Tätigkeit in der Erdölindustrie im Jahre 1984 begann Dietrich Marsal eine intensive Auseinandersetzung mit philosophischen Fragestellungen. Er hatte an der Universität Stuttgart über Jahre hinweg zusätzlich Lehrveranstaltungen in Philosophie übernommen und bemühte sich nun mit hohem Einsatz um die Konstruktion einer Fundamentalsprache der Wissenschaften. Ergebnis war sein 1987 publizierter Band „Logik, Bedeutung und Mathematik“ - eine gehaltvolle sprachphilosophische Abhandlung, in welcher der Nachweis geführt wird, daß keine der Umgangssprachen höchste Metasprache begrifflichen Denkens sein kann. Die linguistischen Studien Dietrich Marsals fanden vor allem im englischen Sprachraum Beachtung und Anerkennung; hierzulande führten sie im Oktober 1990 zu seiner Wahl in den Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Semiotik. Dem weitgespannten Schaffen und Wirken stand seine bewundernswerte Fähigkeit zur Seite, selbst überaus schwierige Sachverhalte verständlich darlegen und vermitteln zu können. Gerade darauf gründete ein gut Teil seines Erfolges als langjähriger akademischer Lehrer an der Universität Stuttgart und an der Technischen Hochschule Delft. Dietrich Marsal war, wie könnte es angesichts solcher Gelehrsamkeit anders sein, eine wahrlich eindrucksvolle Persönlichkeit, dennoch von einer ungezwungenen Natürlichkeit, welche ihn in all seiner Eigenart liebenswert machte. Stets fand man ihn zu einem Gespräch bereit und freimütig ließ Dietrich Marsal andere an seinem reichen Wissen teilhaben. Sein Urteil war treffend und ehrlich, sein kritischer Geist wußte sehr wohl die Spreu vom Weizen zu trennen, und leichtfertiges, oberflächliches Arbeiten war ihm zutiefst zuwider; denn gerade darin erblickte er einen Krebsschaden für die Wissenschaft, der er, alles andere hintansetzend, sein Leben widmete. Die Universität Stuttgart hat einen seine Hörer begeisternden Lehrer und einen herausragenden Forscher verloren, der Verfasser dieser Zeilen trauert um das Hinscheiden eines treuen Freundes.

K. D. Adam


Heinrich Stabe

Wenige Monate vor seinem 93. Geburtstag verstarb am 26. November letzten Jahres Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. h.c. Heinrich Stabe, emeritierter Ordinarius für Konstruktion, und Fertigung in der Feinwerktechnik an der Universität Stuttgart. Professor Stabe gehörte zu der Generation von Hochschullehrern, die für eine eigenständige, konstruktiv-orientierte Feinwerktechnik-Ausbildung unter Einbeziehung von Optik und Elektromechanik eintrat. Heinrich Stabe war bereits während seiner Ausbildung bestrebt, konstruktiv tätig zu werden. Bei Siemens in Königsberg, bei Siemens Halske in Berlin und bei Zeiss lkon in Dresden sammelte er Erfahrungen, 1934 machte er sein Examen in Dresden und trat kurz darauf in die Firma Hartmann und Braun in Frankfurt/M. als Konstrukteur für Meß- und Regelgeräte ein. 1952 promovierte er neben seiner beruflichen Tätigkeit an der TH Darmstadt. 1964 wurde ihm bei Hartmann und Braun die Leitung der Zentralen Konstruktionsabteilung übertragen, die er bis zu seiner Berufung 1967 an die damalige TH Stuttgart innehatte. Dort gründete er das Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik und leitete es bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1976. 1975 verlieh ihm die Universität Lund die Ehrendoktorwürde für seine Leistungen als „verdienter Fachmann der feinwerktechnischen Konstruktion“. Seine Mitarbeit in den Gremien des VDI führte 1975 zur Auszeichnung mit dem goldenen Ehrenzeichen des VDI. Die Würdigung Heinrich Stabes wäre unvollständig, würde man nicht seine humanitäre Lebenseinstellung und seine vielseitigen Interessen erwähnen. Er war unter anderem Mitglied im Physikalischen Verein in Frankfurt am Main und besuchte dort regelmäßig Vorträge, um sich auf dem Stand der physikalischen Erkenntnisse zu halten. Sein Interesse galt ebenfalls der Archäologie. Seine Arbeit an der Universität Stuttgart war davon geprägt, jungen Menschen die Weite und Vielseitigkeit konstruktiver Tätigkeit näherzubringen. Heinrich Stabes Hilfsbereitschaft und Güte werden in dankbarer Erinnerung bleiben.

Artur Jung


Dr.-Ing. Karl Becker, früherer Verbandsoberbaudirektor der VEDEWA und Ehrensenator der Universität, verstarb am 6. Januar 2001 im Alter von 97 Jahren. - Am 25. August letzten Jahres verstarb Ehrensenator Kurt Richter, Oberbaudirektor i.R., im Alter von 95 Jahren. - Am 26. November 2000 verstarb im Alter von 95 Jahren Prof. Dr. Hans-Joachim Rühle von Lilienstern, der viele Jahre als Honorarprofessor an der Fakultät Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Universität gelehrt hat. - Die Universität Stuttgart erinnert sich der Verstorbenen in Dankbarkeit.

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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