Campusführer Stuttgart-Vaihingen

 

Objekt L:

 

Hysolar

 

1. Gebäudedaten

 

In Zusammenarbeit mit dem Königreich Saudi – Arabien wurde im Jahr 1985 das Projekt Hysolar begonnen. Das Wort Hysolar steht dabei für HY = Hydrogen (Wasserstoff) und SOLAR = Sonnenenergie.

 

Am 11.06.1986 wird der Bauantrag beim Baurechtsamt Stuttgart eingereicht und drei Monate später am 09.11.1986 genehmigt. Dieser umfasst die Erstellung des Institutsgebäudes sowie die Herstellung von 15 Stellplätzen.

 

 

Abb. 1 Lageplan Hysolar Gebäude          

Nach sechsmonatiger Bauzeit wird das Gebäude Mitte Juni 1987 der Bauherrschaft übergeben und in Betrieb genommen.

Die nutzbare Grundfläche beträgt rund 948 m² bei einer Baumasse von 4.100 m³.

Die reinen Baukosten belaufen sich insgesamt auf 3.5 Millionen Deutsche Mark.

Der Gesamtetat des Forschungsprojekts für die erste Vierjahresphase belief sich auf 39.2 Millionen Mark.

Die Kosten wurden zu jeweils 16.0 Millionen von dem Königreich Saudi – Arabien und dem Land Baden-Württemberg mit dem Bundesministerium für Forschung in Bonn getragen. Die verbleibenden 7.2 Millionen brachte die Universität Stuttgart und die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt auf.

 

2. Architekt und Projektbearbeiter

Günter Behnischs Vorstellungen einer demokratischen Architektur zeigten sich einerseits in den entstandenen Bauten die meist unhierarchisch strukturiert waren und oft aus gleichwertig nebeneinander gruppierten Teilgebäuden bestehen, zum anderem in der Arbeitsweise des Büros, dessen Mitarbeiter größtenteils eigenständig ein Projekt entwerfen konnten. Für das Hysolar Forschungsgebäude war der heutige Partner und auch schon während der Studienzeit Praktikant von CoopHimmelb(l)au, Frank Stepper verantwortlich.

                                         

 

-       1955 in Stuttgart geboren

-       1978-84 Architekturstudium an den Universitäten Wien und Stuttgart. In diesem Zeitraum Mitarbeit bei CoopHimmelb(l)au

-       1985-88 Mitarbeit bei Behnisch und Partner u.a. als Projektbearbeiter des Hysolar Forschungsgebäudes

-       1989 erneute Mitarbeit bei CoopHimmelb(l)au

-       seit 1990 Partner bei CoopHimmelb(l)au

-       2000 Professor für Baukonstruktion und Entwerfen an der Universität Kassel

 

                                      

 

-       1922 in Dresden geboren

-       1947-51 Architekturstudium an der TH Stuttgart

-       1951-52 Mitarbeit im Büro Rolf Gutbrod

-       1952 eigenes Büro mit Bruno Lambart

-       1966 Architektengruppe Behnisch und Partner u.a. mit Fritz Auer und Carlo Weber

-       1967-87 Professor für Entwerfen, Industriebau und Baugestaltung an der technischen Universität Darmstadt

-       1989-2005 Büro Behnisch und Behnisch mit seinem Bruder

 
Günter Behnisch                                        Frank Stepper

                                                                                               

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Entstehungsgeschichte und Hintergründe

Die Aufgabe des Architektenteams um Günther Behnisch & Partner war es, ein Institutsgebäude zu entwerfen, welches sich in geschlossenen Büros und in Freibereichen mit verschiedenen Versuchen zur Verwertbarkeit der Sonnenenergie befasst.

Diese zukunftsträchtigen Forschungsvorhaben waren Voraussetzung des Entwurfs und wurden als deutsch – saudi arabisches Partnerprojekt im Jahr 1987 in nur Sechsmonatiger Bauzeit auf dem Campusgelände in Stuttgart Vaihingen am Allmandring realisiert. Als Bauherr trat das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Universitätsbauamt Stuttgart auf. Von Seiten der Universität Stuttgart waren das Institut für Physikalische Elektronik sowie das Institut für Technische Thermodynamik der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt in diesem Vorhaben vertreten.

Zusammen mit der saudiarabischen Partnerorganisation wurde damals zum ersten Mal in großem Umfang die Erzeugung und Nutzung von solarem Wasserstoff mit den zur Verfügung stehenden neuesten Technologien erforscht und demonstriert. Die erwarteten Ergebnisse sollen als Beurteilungsgrundlagen für die Erzeugung und Nutzung des Energieträgers Wasserstoff dienen.

Dieser Forschungsauftrag leitete sich unter anderem aus der zunehmenden Sorge von Politik und Wissenschaft über die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe sowie deren schädliche Einflüsse auf die Umwelt ab.

Bereits in den 80er Jahren wurde der ständig steigenden Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre und viele weitere Emissionen aus Verbrennungsprozessen als äußerst kritisch bewertet und deren Auswirkung auf die globale Klimaveränderung erkannt.

Die heutzutage, also 20 Jahre später, geführte weltweite Debatte über den Klimaschutz und die immer deutlicher sichtbar werdenden Veränderungen unserer Umwelt bestärken die Notwendigkeit der damals eingeleiteten Forschungen.

 

4. Architektur und Konstruktion

Für das, in der Relation zu den bestehenden Universitätsgebäuden, kleine Bauwerk am Rande des Campusgeländes schlugen die Architekten eine freie, offene und ebenso neuartige selbstbewusste Form vor, welche speziell auf die Aufgaben des Instituts zugeschnitten wurde.

In der Baubeschreibung des Büros zur genehmigten Bauvorlage vom 9. September 1986 wird der Entwurf wie folgt beschrieben:

„Assoziative Elemente bestimmen den Entwurf. So denken wir bei Solarhaus oder Solararchitektur an das Spiel von Licht und Schatten, von Hell und Dunkel. Der Raum verändert sich, bewegt sich mit dem Lauf der Sonne.

Wir haben die Vorstellung eines Hauses, das kein Haus mehr ist, sondern ein frei begehbares, offenes Volumen, verbunden durch Treppen, Rampen, Stege und Galerien.“

                    

                Abb. 2  Ansicht Südseite                                                          Abb. 3 Detailansicht Ostseite

Der Entwurf ist stark dekonstruktivistisch beeinflusst und zählt aufgrund seiner extravaganten ästhetik zu den 200 Meisterwerken der Architektur.

Diese architektonische Auffassung kommt in zahlreichen weiteren Werken des Büros Behnisch und Partner in der damaligen Zeit zum Ausdruck. Dabei diente die Technik nicht mehr als ideologisch verstandener Träger sozialen Fortschritts wie in den Anfängen des Konstruktivismus und so werden im Hysolar Gebäude vorfabrizierte und fertige Bauweisen gemischt. Die Konstruktion und die Materialien im Zusammenspiel mit der Farbgebung und dem freien Grundriss sind hierbei ein entscheidender Bestandteil. Durch die scheinbar zufällig und unregelmäßig montierten Bauelemente wirkt das Gebäude, als wäre es soeben noch in Bewegung gewesen und in dieser Position zum Stillstand gekommen.

Nichts wird mehr beschönigt, versteckt oder verkleidet. Die gewählten Baustoffe werden in ihrem Wesen, ihren Oberflächen und Eigenschaften eingesetzt und gezeigt.

Dies geschah ganz im Sinne eines Ausspruchs von Günter Behnisch, der besagt: „Jede Aufgabe hat ihre Gestalt und ihre Architektur und eine innovative Technik rechtfertigt eine innovative Architektur.“

Der Baukörper setzt sich aus zwei spitzwinklig zueinander gestellten Spangen und einem Glasdach, das die große Halle formt und der Kommunikation dienen soll, zusammen. In den Spangen sind die Arbeitsräume im Obergeschoss und die Labors im Erdgeschoss untergebracht. An der Südseite der Halle steht der Solargenerator hervorgehoben auf einer eigenen Sockelkonstruktion und das zugehörige Photovoltaik Element und Sonnensegel markiert den Eingang. Die Labors und Büros sind Ost – West orientiert. Die Verbindungs- und Erschließungsbauteile im Inneren der Halle bestehen aus der geradeläufigen Treppe ins Obergeschoss einer Spindeltreppe und den Galeriebrücken. Die Halle wird auch als Ausstellungsraum, Besprechungs- und Veranstaltungsraum genutzt und beherbergt zudem einen Seminarbereich der bei Bedarf separat abgetrennt werden kann.

Die Tragkonstruktion des Gebäudes ist als Stahlskelett Rahmenkonstruktion aus      I-Profilen konzipiert, die farbig lackiert und in den Büro und Laborräumen sichtbar ist. Die Außenfassade der Gebäudelängsseiten ist eine Leichtmetall Pfosten – Riegel Konstruktion, die mit Glaspaneelen, Festverglasungen, Schiebe- und Lamellenfenstern ausgestattet ist.

Im Inneren sind die Hallenfassaden entsprechend der Teilung der Außenfassade mit Holzpaneelen und Drahtglas ausgefacht.

Die Stirnseiten der Hauptbaukörper erhielten geschlossene Blechfassaden und die Glasfassaden bestehen aus verzinkten Tragprofilen mit Isolierverglasung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

          Abb. 4  Detailansicht Nordseite                           Abb. 5 Fassadendetail

 

5. Entwicklung des Forschungsgebäudes

Am 3. Mai 1994 wurde bei einer Pressekonferenz im Hysolar Gebäude die Inbetriebnahme der weltweit ersten technischen Wasserstoffproduktion unter direkter Kopplung von solarer Stromerzeugung und Wasserelektrolyse bekannt gegeben. Die Inbetriebnahme der 350 KW – Anlage im Solar Village in Saudi – Arabien stellte einen zentralen Meilenstein der Forschungsziele des internationalen Gemeinschaftsprojekts im Institutsgebäude dar.

Desweiteren sind umfassende Studienwerke entstanden, welche die Elemente einer denkbaren Energieversorgung auf Wasserstoffbasis analysieren und darstellen. Aus diesen Studien geht hervor, dass Wasserstoff in künftigen Energieversorgungsnetzen mit hohem regenerativen Stromanteil ein wichtiges Element darstellen kann. 

 

 

 

Quellenverzeichnis:

Stuttgarter Uni-Kurier, Ausgabe Nr. 32, Juli 1987, Seite 8; Uni-Archiv Stadtmitte

Stuttgarter Uni-Kurier, Ausgabe Nr. 33, Dezember 1987, Seite 6; Uni-Archiv Stadtmitte

Bauantragsmappe vom Juni 2006, Archiv des Universititätsbauamts in Vaihingen

Urkunde zur Grundsteinlegung für den Neubau des Hysolar Gebäudes, Archiv des Universititätsbauamts in Vaihingen

Pressemitteilung Nr. 22/94 vom 19.4.1994 der Universität Stuttgart

Die Zeit, 49/1987, M. Sack, S. 74

Zeitschriftenaufsatz in Werk, Bauen und Wohnen 1988, Band 75, Heft 5, S. 38-43.

Internet: http://www.coop-himmelblau.at (Zugriff am 25.10.08)

Internet: http://www-users.rwth-aachen.de (Zugriff am 24.09.08)

Internet: http://www.weissenhof2002.de/pdf/Vortrag-Behnisch.pdf  (Zugriff 24.09.08)