Campusführer Stuttgart-Vaihingen

 

Objekt S:

Otto-Graf -Institut (FMPA): Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen

 

 

1927 war das Arbeitsgebiet der erfolgreichen MPA ( Materialprüfungsanstalt ) in Stuttgart derart angestiegen, dass man sich entschied, Maschinenbau und Bauwesen abteilungs-technisch zu trennen und ab 1930 sogar unter eigene finanzielle Verantwortung zu stellen. Otto Graf übernahm die Stelle des Abteilungsleiters und in Stuttgart entstand nach und nach eines der größten Prüflaboratorien für Prüfungen unter schwingender Belastung. Was auch mit der Tatsache verbunden war, dass Otto Graf es verstand, durch persönlichen Einsatz in engen finanziellen Situationen, die sich in den Zwischenkriegsjahren häuften, Drittmittel von Verbänden und Stiftungen zu bekommen.

Otto Graf
*15.4.1881 Stuttgart
1899-1900:Maschinenbauschule
1903:Eintritt als Ingenieur in MPA
1927: Privatdozent + Leiter der Abteilung für Bauwesen
† 1956

1940 waren die Mitarbeiterzahlen stark angewachsen und das Platzproblem am Standort Stuttgart-Berg machte sich unüberwindlich bemerkbar. Doch schon bevor man sich über neue Räume Gedanken machen konnte , trafen die schweren Fliegerangriffe der Jahre 1944/45 das Gelände in Stuttgart-Berg schwer. 65% der Büro- und Laborräume und 45% der Werkstatt- und Lagerräume wurden zerstört.

Der Wiederaufbau war beschlossene Sache, aber der Standort war ein umstrittenes Thema. Der alte Platz in Stuttgart-Berg bot zu wenig Raum, eine wirkliche Ausbreitung der Räumlich-keiten war nicht wirklich möglich , was mit dem Aufschwung im Bauwesen nach dem Krieg immer deutlicher wurde. Während man noch nach geeigneten Raum suchte, machte sich Otto Graf daran, Baufirmen direkt anzuschreiben, um zumindest einige Räume wieder aufzubauen, damit die Forschung in der MPA wenigstens ein wenig weiter laufen konnte. 1956 konnte man sich schließlich auf einen neuen Raumplan einigen und fand mit dem Vaihinger Pfaffenwald eine neue Wirkungs-stätte. 1958 wurde mit dem Bau begonnen und 1960 konnten die ersten Gebäude auch schon bezogen werden.


Wiederaufbau am alten Standort Stuttgart-Berg

 

An der Planung waren aufgrund der Größe und Vielfalt der Gebäude eine ganze Reihe von Architekten beteiligt. So setzte sich die Planungsgruppe aus Friz, Kieß, Reichenecker, Winter. Marek, Zwittig, Maier, Zwiefelhofer und Mieder zusammen.

Die Bauleitung übernahmen Sämann, Ludwig und Zell. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebäuden auf dem Campus trugen die Gebäude der FMPA, die in den hinteren Teil des neuen Vaihinger Campus zogen, während die MPA in den vorderen zog, nicht die Handschrift der Architekten, sondern waren vielmehr durch ihre zukünftigen Funktionen architektonisch geprägt. Die Gebäude wurden so angeordnet, dass ein reibungsloser Ablauf zwischen den Forschungseinrichtungen sowie Anlieferungen und die Kundenfrequenz möglich waren. Schon 1952 war das Institut für Bauforschung und Materialprüfungen des Bauwesens in Amtliche Forschungs- und Materialprüfungen des Bauwesens umbenannt worden und ab 1953 bekam es den Beinamen Otto-Graf-Institut zur 50jährigen Zugehörigkeit Otto Grafs zur Universität.



Die Neubauten der FMPA belegten eine Nettonutzfläche von 16000qm, aufgeteilt in Verwaltungsgebäude, vier Abteilungsgebäude, Großversuchshalle, Lagergebäude und Brandhaus. Am 30.5.1958 konnte das Richtfest der Gebäude der Abteilungen Stahl und Stahlbeton, Beton, Holz und Kunststoff, sowie der Großversuchshalle und Lagergebäude gefeiert werden. Ab 1962 befand sich das neue Hauptgebäude an der neu errichtenden Hauptstraße der Hochschule. 1963 waren die Abteilungen Erd -und Grundbau sowie Teer- und Bitumen-baustoffe erstellt, Brandhaus und Pförtnerhaus entstanden ab 1964. Die Anforderungen bezüglich Platzbedarf, den Versuchsanordnungen und Aufgabenbereichen waren bei den Abteilungen Stahl- und Stahlbeton und Beton so ähnlich, dass man sich entschied die Gebäude gleichartig zu planen und zu bauen.


Abteilungsgebäude 1:3000 Ostansicht und Längsschnitt

Die Abteilungsgebäude beherbergen neben den Versuchsräumen und Laboratorien und sonstigen Arbeitsräumen auch Verwaltungsräume und repräsentative Räume für die Abteilungsleiter.

Das zentrale Institutsgebäude aus einem quadratischen zweigeschossigen Stahlbetonskelettbau, bei dem die Besonderheit war, dass die tragenden Elemente vor die Fassade gestellt wurde, dient vor allem repräsentativen Aufgaben. Ein Hörsaal mit 134 Plätzen, eine Bibliothek und Sitzungszimmer bilden den Kern des Gebäudes. Aus statischen Gründen befinden sich in den großen Hallen des Gebäudes eine Windscheibe, die vom Bildhauer Gottfried Gruner künstlerisch in Szene gesetzt wurde.


Zentrales Institutsgebäude

Windscheibe in der großen Halle

Außerhalb des Institutsgebäudes befindet sich ein Strahlenschutzbunker.

Die beiden Versuchshallen bilden eine Art Mittelpunkt, da die anderen Gebäude um diese herum gruppiert wurden. Die große Halle ist 15,5m x 37,75m und 6,7m hoch und die kleinere Halle 13,2m x 23,5m und 10m hoch. Um eine gleichmäßige Beleuchtung zu vereinfachen, wurden Shedbauten verwendet. Darunter versteht man eine Reihung von Pultdächern. Die einzelnen Pultdachflächen haben abwechselnd senkrechte oder nahezu senkrechte verglaste Flächen und sind in vielen Industriebauten zu finden. Der Boden ist aufgrund der Lasten der Versuchsaufbauten verstärkt. Im Untergeschoss befindet sich nochmals Lagerfläche.


Dauerprüfhalle

Die Großversuchshalle, ein Gemeinschaftsbau für alle Abteilungen, besteht genau genommen aus zwei verschobenen und verschieden breiten sowie hohen Hallen von 45m Länge. Es gibt wegen der hohen Lasten keinen Keller, das Fundament wurde dafür 7,5 m tief in der Erde verankert. Allein der Kran hat eine Hubhöhe von 11m.


Großversuchshalle

Die Lagerhalle ist ebenfalls ein Gemeinschaftsbau. Im oberen Teil des Gebäudes, dass aus einer geleimten Holzbinderkonstruktion auf Stahlbetonstützen besteht, befindet sich eine 2700qm große Lagerfläche. Im unteren Teil hat die Umspannstation für das gesamte Institut ihren Platz gefunden.


Holzlagerhalle

Von 1980 bis 2000 unterstand die FMPA dem Wirtschaftsministeriums, bevor sie 2000 als "Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen, Otto-Graf-Institut (FMPA)" in die Universität Stuttgart wieder eingegliedert wurde. 2003 wurden die Abteilungen Maschinenbau (MPA) und Bauwesen (FMPA) wieder vereinigt. Nach der Wiedervereinigung ist nur noch die räumliche Entfernung Zeuge der Trennung.

Literatur:

Sonderheft anlässlich der Einweihung der Institutsgebäude im Pfaffenwald. Otto-Graf-Institut. Amtliche Forschungs-und Materialprüfungsanstalt für das Bauweseb. Technische Hochschule Stuttgart 1963.

Amtliche Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen. Otto-Graf-Institut an der Universität Stuttgart. Herausgegeben anlässlich des Rilem-Symposiums über "Die Entwicklung der Prüfmaschinen für die mechanische Werkstoffprüfung im Bauwesen" in Stuttgart vom 25 bis 30.3.1968. Technische Hochschule Stuttgart 1968.

Zum Gedenken an Otto Graf, universeller Bauforscher in Stuttgart. Abschiedsvorlesung von Prof. Dr.-Ing. H.-W. Reinhardt am 4.Juli 2006. Reden und Aufsätze. Herausgegeben im Auftrag des Rektorats der Universität Stuttgart von Ottmar Pertschi. Stuttgart 2006.