Campusführer Stuttgart-Mitte

 

Objekt U:

Ehemaliges Institut für Physikalische Chemie,
Ehemaliges Landesgesundheitsamt

 

 

Geschichte

Die Chemie war von Beginn an der Stuttgarter Hochschule vertreten. Bereits 1839 wurde mit Hermann Christian Fehling (1811-1885) eine bedeutende Persönlichkeit an die TH Stuttgart berufen. Er lehrte die Chemie in ihrer gesamten damaligen Breite und widmete sich mit voller Kraft dem Ausbau des Unterrichts. Später sollte ihn die Entdeckung der nach ihm benannten "Fehlingschen Lösung" berühmt machen. Neben ihm wirkte Erich Müller als Vertreter der Physikalischen Chemie und Elektrochemie, der sich dafür einsetzte, dass diese beiden Fächer ab 1900 Pflichtfach im Diplomhauptexamen an der Technischen Hochschule waren. Nachdem er 1912 einem Ruf nach Dresden gefolgt war, ersetzte ihn Georg Grube (1883-1966), der die Physikalische Chemie und das Institut an der TH Stuttgart prägen sollte.

Zum ersten Mal wurde in den 1870er Jahren eine Spezialvorlesung zur Einführung in die Physikalische Chemie an der TH Stuttgart angeboten. Damit wurde der Ausbau des damaligen Vorlesungsangebots für die Studenten der chemischen Fächer, in denen der Ansturm besonders groß war, vorangetrieben.
Doch erst die Umorganisation der gesamten chemischen Abteilung führte 1914 zur Eigenständigkeit der Physikalischen Chemie. Das chemische Institut, ursprünglich noch mit Sitz in der Keplerstraße (~>Station F-G des historischen Campusführers Stadtmitte), wurde in drei Abteilungen gegliedert: Das Laboratorium für Anorganische Chemie unter der Leitung von Alexander Gutbier (1876-1926), das Laboratorium für Organische und Pharmazeutische Chemie unter William Küster (1863-1929) und das Laboratorium für Physikalische Chemie und Elektrochemie unter Georg Grube. Damit hatte die Chemie an der TH Stuttgart schon damals eine Organisationsform, die bis in die heutige Zeit gültig ist.

 

Das Institut in der Wiederholdstr. 15

In einer einzigen Bombennacht 1944 wurden die chemischen Institute in der Keplerstraße und der Schellingstraße in Schutt und Asche gelegt. Nur das Physikalische Institut blieb unbeschädigt.
So wurden die stark eingeschränkten Arbeitsbedingungen während des Kriegs komplett eingestellt und auch als der Unterricht zwei Jahre später, im Sommersemester 1946, wieder aufgenommen werden konnte, war dies alles nur behelfsmäßig. Die einzigen erhaltenen Praktikumsräume waren in der Wiederholtstraße 15 zu finden und so wurde der experimentelle Unterricht komplett dort abgehalten.

Mit Hilfe von Studenten wurde nach dem Krieg das Gebäude in der Schellingstraße wieder aufgebaut und die Anorganische Chemie konnte den Betrieb in eigenen Räumen aufnehmen. Und auch dem Institut der Organischen Chemie wurde die Ruine des ehemaligen Kultusministeriums in der Azenbergstr. 14 als Grundstock zur Verfügung gestellt und so die Errichtung eines neuen Gebäudes in die Wege geleitet.

Im Frühjahr 1973 kehrte die Physikalische Chemie der Stuttgarter Stadtmitte endgültig den Rücken zu und damit den immer noch beengten Platzverhältnissen und beschwerten Arbeitsbedingungen wie undichte Dächer und Schäden an den Praktikaplätzen. Das Institut fand seinen Platz im achten und neunten Stock des Naturwissenschaftlichen Zentrums (NWZ) am Pfaffenwaldring 55 in Stuttgart - Vaihingen (~> Station C des historischen Campusführers in Vaihingen West).

1975 wurden die Räume für die Nachnutzung des Medizinischen Landesgesundheitsamts saniert und renoviert. Dafür wurden eine Hofunterkellerung und die Einrichtung von Tierställen, Impf- und Untersuchungsräumen, medizinische Labors, Kühl- und Bruträumen durchgeführt. Drei Jahre später, 1978, konnte das Landesgesundheitsamt mit der Virusabteilung einziehen. Doch auch dies stellte sich nur als ein kurzes Intermezzo heraus, denn bereits Mitte Juni 2007 zog das Landesgesundheitsamt in einen neuen Gebäudekomplex an der Nordbahnhofstr. 135.

Das Gebäude

Bei der Wiederholdstr. 15 handelt es sich um ein langgestrecktes, dreigeschossiges Gebäude, das mit seiner Längsseite der Wiederholdstraße zugewandt liegt. Im Plan das rot unterlegte Gebäude in der rechten unteren Ecke.
Dominiert wird diese Vorderseite durch das Eingangsportal, das mit dem Wappen Baden- Württembergs und einigen Putten geschmückt ist. Auch an den Ecken finden sich Verzierungen, hier sieht es aus, als wäre jeder zweite Stein nachträglich auf die Mauer aufgesetzt worden. Dies gibt dem Gebäude seine geradlinige äußere Form.
Im hinteren Teil befindet sich in einer Art Anbau der große Hörsaal des Instituts, der dem Gebäude seine L-Form gibt.
Im Vergleich zum ehemaligen Physikalischen Institut der TH Stuttgart, das sich in der Wiederholdstr. 13 und damit in unmittelbarer Nachbarschaft befindet, wirkt das Gebäude der Physikalischen Chemie streng und nicht so avantgardistisch oder gar verspielt wie das der Physik.

Diesem Plan aus den 1920er Jahren ist auch zu entnehmen, dass geplant war, die Institute der Organische und Anorganischen Chemie (hier als die roten Umrisse zu erkennen) am Azenberg, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den bereits bestehenden Instituten und dem Röntgen- Laboratorium anzusiedeln. Genau wie die Bepflanzung auf diesem Plan wurde dies jedoch nie realisiert.

Auch im Inneren der Wiederholdstr. 15 ist alles pragmatisch angeordnet. Durch das Portal gelangt man in eine Halle, von der man ins Treppenhaus oder in den angrenzenden Hörsaal gelangt und von der Flure zu Büros und Labors abzweigen

 

Besonderheit

Seit 1983 steht das Gebäude in der Wiederholtstr. 15 unter Denkmalschutz. In der Denkmalschutzbegründung heißt es:
"Das Gebäude zeichnet sich dadurch aus, dass damals ausgesprochen fortschrittliche Formen mit konservativen Einzelheiten zu einer eigenständigen Lösung verbunden werden."

Die Frage stellt sich allerdings, warum ein Gebäude, das sich durch solche Eigenschaften auszeichnet, seit dem Auszug des Landesgesundheitsamts leer steht und nicht genutzt wird.

 

Quellen

Literatur

Sonstige Quellen